Bonifatius und die neuen Heiden

5. Juni 2020 in Aktuelles


Benedikt XVI. – Licht des Glaubens: der Mensch von heute kann also als Normalfall den Unglauben seines Nachbarn voraussetzen. Das Heidentum sitzt heute in der Kirche selbst. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Venient dies quando desideratis videre unum diem“ – „Es werden Tage kommen, in denen ihr euch danach sehnt, auch nur einen von den Tagen des Menschensohnes zu sehen; doch ihr werdet ihn nicht sehen. Und man wird zu euch sagen: Siehe, dort ist er! Siehe, hier ist er! Geht nicht hin und lauft nicht hinterher!“ (Lk 17,22-23).

5. Juni: 2020 „Tag der Umwelt“ und – Festtag des heiligen Bonifatius (geboren im Jahr 675), „Apostel Germaniens“. Besonders im Jahr der Pandemie lohnt es sich, diesen (künstlich bewirkten) Zusammenhang zu unterstreichen und an einige Dinge der jüngsten Vergangenheit zu erinnern.

Wer hätte es vergessen, dass eine Synode zu einem begrenzten, wenn auch interessanten und wichtigen Teil der Erde im Oktober 2019 von einigen heidnischen Riten begleitet wurde, die als interkulturelle Untermalung und Ausdruck von „Respekt gegenüber dem Anderen“ ausgegeben wurden? So trug man im Petersdom zu Beginn des Ereignisses ein Kanu in Prozession herum, auf dem ein hölzernes und eigens zu diesem Anlass produziertes Holzpüppchen einer angeblichen „Pachamama“ thronte. Das Püppchen tauchte dann immer wieder auf, so auch bei einer weiteren Prozession auf dem Petersplatz, als eine Schamanin mit dem (ikonographisch einzigartigen) Püppchen stolz durch die Menge schwebte.

Das in der Amazonas-Hauptstadt Manaus billig hergestellte Püppchen (von denen viele nach Rom gebracht worden waren) wurde einer wohl eher verdutzten Weltkirche zu Beginn der Synode vorgestellt, als es in Anwesenheit von Papst Franziskus in den Vatikanischen Gärten im Mittelpunkt eines Rituals stand, anlässlich dessen nicht wenige entrüstet von einem Götzendienst redeten. Und siehe an: nach dem Ritual wurde eine eigens aus Assisi in den Vatikan gebrachte Eiche in den vom Blut der Märtyrer und des Apostelfürsten getränkten Boden gepflanzt – wo sie leider heute noch steht.

Eine Eiche. Eine Eiche??? Wirklich eine Eiche? Und erneut klopfte Bonifatius an das Tor der Kirchengeschichte, denn wer hätte die Fällung der Donareiche vergessen, von der der Priester Willibald von Mainz in seiner „Vita sancti Bonifatii“ berichtet? Der Heilige schlug bei Geismar die seit langem verehrte, dem Gott Donar geweihte Donareiche um, was zum symbolischen Akt schlechthin der Evangelisierung Germaniens wurde. Die Heiden und soeben zum Christentum Konvertierten waren tief beeindruckt von der Tatsache, dass es zu keiner Reaktion des Gottes kam. Bonifatius unterstrich mit seinem Akt, dass die Verehrung dieser Götzenbilder gegen die Zehn Gebote verstößt. Jede Form von Verehrung oder sekundärem Kult muss unbedingt unterlassen werden.

Und heute? Wie steht es heute um die von Bonifatius betonte „kostbare Perle des Evangeliums“, für die sich der Heilige verzehrte?

Heute geschieht es nicht selten, dass gerade unter dem Slogan der freien „Kirche im Aufbruch“ und des „Hinausgehens über die Kirche“ unterstrichen wird: jede "Selbstbezogenheit" muss im Namen des „integralen Ökologismus“, des „neuen Humanismus“, der „konkreten Situation“ und der „universalen Brüderlichkeit“ zugunsten eines „globalen Erziehungspaktes“ vermieden werden. Dann kann es dann schon mal passieren, dass anlässlich eines zentralen Elements im Leben der Kirche, einer Synode zum Beispiel, ein Holzpüppchen in Prozession herumgetragen wird. Gerade die nach dem Ereignis in den Vatikanischen Gärten angehoben habende Covid19-Epidemie mit ihren tragischen Folgen für das Leben der Völker und der Kirche zeigt, dass ein radikales Umdenken, dass eine radikale Entweltlichung notwenig ist: ein Abstand zu den von der Welt akzeptierten, von ihr erfundenen und durch sie aufgezwungen Denk- und Handlungsstrukturen. Dabei wird besonders wichtig sein: der Abstand von jeder Form von Anbiederung, die nur durch innere Substanzlosigkeit bedingt ist.

Wir schreiben das Jahr 1958. Ein gerade mal 31-jähriger, aber bereits vielversprechender Theologieprofessor schreibt einen Artikel, der ihm bei seinem Bischof, dem Erzbischof von München und Freising, nicht wenig Ungemach einbringt. „Die neuen Heiden und die Kirche“ titelte Joseph Ratzinger im Oktober des Jahres in der Zeitschrift „Hochland“. Als der junge Dozent schrieb, lebte Pius XII. noch. Die Kirche hatte mehr schlecht als recht die erste Liturgiereform unserer Zeit überstanden. Unter den jungen Theologen herrschte bereits ein nicht näher definierbares Verlangen nach „Neuem“, nach „Umbruch“: alte Strukturen aufbrechen, verdeckende Verkrustungen lösen, Heideggers im Jahr 1927 in „Sein und Zeit“ gesprochenes Wort von der „De-kontruktion“ und „Entkrustung“ war die Maßgabe. Karl Rahner hatte bereits über „Das eine Opfer und die vielen Messen“ nachgedacht, was dann zehn Jahre später keine unwesentliche Rolle bei der Entwicklung des sogenannten „Novus Ordo“ Pauls VI. spielen sollte.

Und da kam Ratzinger und machte sich bei seinem Bischof unbeliebt, sagte er doch Ungeheuerliches:

„Dieses dem Namen nach christliche Europa ist seit rund vierhundert Jahren zur Geburtsstätte eines neuen Heidentums geworden, das im Herzen der Kirche selbst unaufhaltsam wächst und sie von innen her auszuhöhlen droht. Das Erscheinungsbild der Kirche der Neuzeit ist wesentlich davon bestimmt, dass sie auf eine ganz neue Weise Kirche der Heiden geworden ist und noch immer mehr wird: nicht wie einst, Kirche aus den Heiden, die zu Christen geworden sind, sondern Kirche von Heiden, die sich noch Christen nennen, aber in Wahrheit zu Heiden wurden.

Das Heidentum sitzt heute in der Kirche selbst, und gerade das ist das Kennzeichnende sowohl der Kirche unserer Tage wie auch des neuen Heidentums, dass es sich um ein Heidentum in der Kirche handelt und um eine Kirche, in deren Herzen das Heidentum lebt. Der Mensch von heute kann also als Normalfall den Unglauben seines Nachbarn voraussetzen“.

Der Skandal des Heidentums in der Kirche, und dann eben diese Ungeheuerlichkeit: „Der Mensch von heute kann also als Normalfall den Unglauben seines Nachbarn voraussetzen“. Was können wir 62 Jahre später da nach verschiedensten kulturellen Katastrophen dazu sagen? Sehr viel, vor allem wenn man sich daran macht, die neuheidnischen Götzen zu beschreiben und zu analysieren sowie ihre Tempel zu suchen. Diese reichen von den Phantasien einer „neuen Weltordnung“ bis hinein in die Halten der verschiedensten „Weltorganisationen“. Dabei fällt es schwer, nicht an die von Kardinal Giacomo Biffi dem Willen Benedikts XVI. entsprechend so glänzend vorgestellte „Erzählung vom Antichrist“ Wladimir Sergejewitsch Solowjows zu denken.

Was hätte Kardinal Biffi im Zeitalter des von ihm angeklagten Pazifismus, Ökologismus und Ökumenismus auf der Welle eines Gutmenschentums mit universalem Anspruch gesagt, hätte er Pachamama-Holzpüppchen in den Vatikanischen Gärten oder in der Maria-vom-Karmel-Kirche „Traspontina“ sehen müssen? Nun denn: es dürfte kein Zweifel bestehen, was der heilige Bonifatius gesagt und getan hätte: „Und man wird zu euch sagen: Siehe, dort ist er! Siehe, hier ist er! Geht nicht hin und lauft nicht hinterher“.

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Am 11. März 2009 widmete Benedikt XVI. dieser großen Glaubensgestalt seine Katechese bei der Generalaudienz. Bonifatius – ein Missionar, Bischof und Märtyrer – hat, wie der Papst damals betonte, für das christliche Fundament Europas Bedeutendes geleistet. Papst Gregor II. hatte ihm, der Winfrid hieß, den geistlichen Namen Bonifatius gegeben und und ihn mit einem unmittelbaren Missionsauftrag betraut.

„Mich beeindruckt immer wieder sein glühender Eifer für das Evangelium“, so Benedikt XVI.: „Mit vierzig Jahren verlässt er ein schönes und fruchtbares klösterliches Leben, ein Leben als Mönch und Professor, um den einfachen Leuten, den Barbaren das Evangelium zu verkünden; als Achtzigjähriger geht er noch einmal in eine Gegend, wo er sein Martyrium voraussieht. Wenn wir diesen seinen glühenden Glauben, diesen Eifer für das Evangelium mit unserem oft so lauen und bürokratisierten Glauben vergleichen, sehen wir, was wir tun und wie wir unseren Glauben erneuern müssen, um unserer Zeit die kostbare Perle des Evangeliums zu schenken.“

Benedikt XVI.: der heilige Bonifatius. Katechese bei der Generalaudienz, 11. März 2009:

Liebe Brüder und Schwestern!

Heute verweilen wir bei einem großen Missionar des 8. Jahrhunderts, der das Christentum in Mitteleuropa, also auch in meiner Heimat, verbreitet hat: dem hl. Bonifatius, der als »Apostel der Deutschen« in die Geschichte eingegangen ist. Dank der Gründlichkeit seiner Biographen besitzen wir viele Nachrichten über sein Leben: Er wurde um das Jahr 675 in einer angelsächsischen Familie in Wessex geboren und auf den Namen Winfrid getauft. Er fühlte sich vom monastischen Ideal angezogen und trat sehr jung in ein Kloster ein. Da er bemerkenswerte intellektuelle Fähigkeiten besaß, schien für ihn eine ruhige und glänzende Gelehrtenlaufbahn vorgezeichnet zu sein: Er wurde Lehrer für lateinische Grammatik, schrieb einige Traktate und verfaßte auch Dichtungen in lateinischer Sprache.

Nachdem er im Alter von ungefähr 30 Jahren zum Priester geweiht worden war, fühlte er sich zum Apostolat unter den Heiden auf dem europäischen Festland berufen. Seine Heimat Britannien, die hundert Jahre zuvor von den Benediktinern unter der Führung des hl. Augustinus von Canterbury evangelisiert worden war, bewies einen so gefestigten Glauben und eine so glühende Liebe, daß sie Missionare nach Mitteleuropa entsandte, um dort das Evangelium zu verkünden. Im Jahr 716 begab sich Winfrid mit einigen Gefährten nach Friesland (dem heutigen Holland), stieß aber auf den Widerstand des lokalen Stammesführers und scheiterte mit seinem Evangelisierungsversuch. Er kehrte in die Heimat zurück, verlor aber nicht den Mut und reiste zwei Jahre später nach Rom, um mit Papst Gregor II. zu reden und von ihm Weisungen zu erhalten. Der Papst – so erzählt ein Biograph – empfing ihn »mit lächelndem Gesicht und einem Blick voller Güte« und führte in den folgenden Tagen mit ihm »wichtige Gespräche« (Willibald, Vita S. Bonifatii, ed. Levison, S. 13–14), und nachdem er ihm den neuen Namen Bonifatius gegeben hatte, übertrug er ihm mit offiziellem Schreiben die Mission, unter den Völkern Germaniens das Evangelium zu verkünden.

Getröstet und gestärkt durch die Unterstützung seitens des Papstes, setzte sich Bonifatius in der Verkündigung des Evangeliums in jenen Regionen ein, kämpfte gegen die heidnischen Kulte und stärkte die Grundlagen der menschlichen und christlichen Sittlichkeit. Mit großem Pflichtgefühl schrieb er in einem seiner Briefe: »Bleiben wir fest im Kampf am Tag des Herrn, da Tage voll Trübsal und Not gekommen sind… Seien wir weder stumme Hunde noch schweigende Beobachter noch Söldner, die vor den Wölfen fliehen! Seien wir hingegen eifrige Hirten, die über die Herde Christi wachen, die den wichtigen Personen und den gewöhnlichen, den Reichen und den Armen den Willen Gottes verkünden … zu gelegenen und ungelegenen Zeiten…« (Epistulae, 3,352.354: MGH).

Mit seiner unermüdlichen Tätigkeit, mit seinem Organisationstalent, mit seinem bei aller Festigkeit anpassungsfähigen und liebenswerten Charakter erreichte Bonifatius großartige Ergebnisse. Nun erklärte der Papst, »daß er ihm die Bischofswürde verleihen wollte, damit er so mit größerer Entschlossenheit die Irrenden berichtigen und wieder auf den Weg der Wahrheit bringen könnte, sich von der größeren Autorität der apostolischen Würde getragen fühlen und im Amt der Verkündigung allen um so willkommener sein würde, je klarer zutage trat, daß er eben aus diesem Grund vom apostolischen Bischof geweiht worden war« (Otloh, Vita S. Bonifatii, ed. Levison, lib. I, S. 127).

Es war der Papst selbst, der Bonifatius zum »Regionalbischof« – nämlich für ganz Germanien – weihte; danach nahm Bonifatius seine apostolischen Anstrengungen in den ihm anvertrauten Gebieten wieder auf und weitete seine Tätigkeit auch auf die Kirche von Gallien aus. Mit großer Klugheit stellte er dort die kirchliche Disziplin wieder her, berief verschiedene Synoden ein, um die Autorität der heiligen Canones zu gewährleisten, stärkte die notwendige Gemeinschaft mit dem Römischen Papst: Das lag ihm ganz besonders am Herzen.

Auch die Nachfolger von Papst Gregor II. schenkten ihm höchste Beachtung: Gregor III. ernannte ihn zum Erzbischof aller germanischen Stämme, übersandte ihm das Pallium und erteilte ihm die Befugnis, die kirchliche Hierarchie in jenen Regionen aufzubauen (vgl. Epist. 28: S. Bonifatii Epistulae, ed. Tangl, Berolini 1916); Papst Zacharias bestätigte ihn im Amt und lobte seinen Einsatz (vgl. Epist. 51, 57, 58, 60, 68, 77, 80, 86, 87, 89: op. cit.); Papst Stephan III. erhielt gleich nach seiner Wahl von ihm einen Brief, mit dem er ihm seinen kindlichen Gehorsam zum Ausdruck brachte (vgl. Epist. 108, op. cit.).

Außer dieser Arbeit zur Evangelisierung und organisatorischen Ordnung der Kirche durch die Gründung von Diözesen und die Abhaltung von Synoden versäumte es der große Bischof nicht, die Gründung verschiedener Männer- und Frauenklöster zu fördern, die gleichsam ein Leuchtturm für die Ausstrahlung des Glaubens und der menschlichen und christlichen Kultur in diesen Gebieten sein sollten. Von den Benediktinerklöstern seiner Heimat hatte er Mönche und Nonnen gerufen, die ihm bei der Aufgabe, das Evangelium zu verkünden und die Humanwissenschaften und Künste unter der Bevölkerung zu verbreiten, sehr wertvolle Hilfe leisteten. Er war nämlich mit Recht der Meinung, die Arbeit für das Evangelium sollte auch Arbeit für eine echte menschliche Kultur sein.

Vor allem das um das Jahr 743 gegründete Kloster von Fulda war das Herz und Ausstrahlungszentrum der Spiritualität und religiösen Kultur: Die Mönche dort bemühten sich in Gebet, Arbeit und Buße zur Heiligkeit zu gelangen, sie bildeten sich im Studium der sakralen und profanen Wissensdisziplinen, bereiteten sich auf die Verkündigung des Evangeliums vor, um Missionare zu sein. Durch das Verdienst des Bonifatius und seiner Mönche und Nonnen – auch die Frauen hatten einen sehr wichtigen Anteil an dieser Evangelisierungsarbeit – blühte auch jene menschliche Kultur, die nicht vom Glauben zu trennen ist und dessen Schönheit enthüllt.

Bonifatius selber hat uns bedeutende intellektuelle Werke hinterlassen. Vor allem seine umfangreiche Briefsammlung, in der sich abwechselnd Hirtenbriefe, offizielle Schreiben und Briefe privaten Charakters finden, die soziale Verhältnisse und vor allem seine reiche menschliche Willensstärke und seinen tiefen Glauben enthüllen. Er verfaßte auch den Traktat »Ars grammatica«, in dem er die Deklinationen, die Verben und die Syntax der lateinischen Sprache erklärte, der aber für ihn auch ein Werkzeug zur Verteidigung des Glaubens und der Kultur wurde. Hinzukamen auch eine »Ars metrica«, also eine Anleitung zum Verfassen von Gedichten, und verschiedene Dichtungen und schließlich eine Sammlung von fünfzehn Predigten.

Obwohl er bereits fortgeschrittenen Alters – fast 80 jährig – war, bereitete er sich auf eine neue Evangelisierungsmission vor: Mit etwa fünfzig Mönchen begab er sich wieder nach Friesland, wo er einst seine Arbeit begonnen hatte. Gleichsam in Vorausahnung seines bevorstehenden Todes schrieb er unter Anspielung auf die Lebensreise an seinen Schüler und Nachfolger auf dem Mainzer Bischofsstuhl, Bischof Lullus: »Ich möchte das Vorhaben dieser Reise zu Ende führen; ich kann keinesfalls auf den Wunsch abzureisen verzichten. Der Tag meines Endes ist nahe, und der Zeitpunkt meines Todes rückt näher; sobald der Leichnam begraben ist, werde ich aufsteigen, um den ewigen Lohn zu empfangen. Aber du, geliebter Sohn, rufe unermüdlich das Volk aus dem Wespennest des Irrtums zurück, vollende den Bau der bereits begonnenen Basilika von Fulda und bestatte dort meinen in langen Lebensjahren alt gewordenen Leib« (Willibald, Vita S. Bonifatii, ed. cit., S. 46).

Während er am 5. Juni 754 in Dokkum (im heutigen Nordholland) die heilige Messe zelebrierte, wurde er von einer Gruppe von Heiden ermordet. Nachdem er mit freundlichem Gesicht vorgetreten war, »verbat er den Seinen zu kämpfen und sagte: ›Laßt ab, liebe Söhne, von den Kämpfen, gebt den Krieg auf, denn das Zeugnis der Schrift ermahnt uns, nicht Böses mit Bösem, sondern Böses mit Gutem zu vergelten. Nun ist der seit langem ersehnte Tag, der Zeitpunkt unseres Endes gekommen; habt Mut im Herrn!‹« (ebd., S. 49–50). Das waren seine letzten Worte, bevor er unter den Schlägen der Angreifer zusammenbrach.

Die sterblichen Überreste des Märtyrerbischofs wurden dann in das Kloster nach Fulda gebracht, wo sie würdig bestattet wurden. Bereits einer seiner ersten Biographen äußerte sich über ihn mit folgendem Urteil: »Der heilige Bischof Bonifatius kann sich Vater aller Bewohner Germaniens nennen, weil er als erster sie durch das Wort seiner heiligen Verkündigung für Christus gewonnen, sie durch sein Vorbild gestärkt und schließlich sein Leben für sie hingegeben hat – eine größere Liebe kann es nicht geben« (Otloh, Vita S. Bonifatii, ed. cit., lib. I, S. 158).

Welche Botschaft können wir heute, nach Jahrhunderten, aus der Lehre und dem wunderbaren Wirken dieses großen Missionars und Märtyrers gewinnen? Für den, der sich Bonifatius nähert, zeichnet sich als ein erstes offenkundiges Merkmal ab: die zentrale Stellung des Wortes Gottes, wie es im Glauben der Kirche gelebt und ausgelegt wird, des Wortes, das er gelebt, verkündet und bis zur letzten Selbsthingabe im Martyrium bezeugt hat. Er war vom Wort Gottes derart begeistert, daß er die dringende Verpflichtung spürte, es den anderen zu bringen, auch wenn er selbst dabei in Gefahr geriet.

Auf dieses Wort stützte sich jener Glaube, zu dessen Verbreitung er sich bei seiner Bischofsweihe feierlich verpflichtet hatte: »Ich bekenne voll und ganz die Reinheit des heiligen katholischen Glaubens und will mit Gottes Hilfe in der Einheit dieses Glaubens bleiben, auf dem ohne jeden Zweifel das ganze Heil der Christen beruht« (Epist. 12, in S. Bonifatii Epistolae, ed.cit., S. 29).

Das zweite sehr wichtige Merkmal, das aus dem Leben des Bonifatius zutage tritt, ist seine treue Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl, die ein zentraler Fixpunkt seiner Arbeit als Missionar war; er bewahrte diese Gemeinschaft immer als Regel seiner Mission und hinterließ sie gleichsam als sein Testament. In einem Brief an Papst Zacharias versicherte er: »Ich höre niemals auf, diejenigen, die im katholischen Glauben und in der Einheit der römischen Kirche bleiben wollen, und alle, die mir Gott in meiner Sendung als Zuhörer und Schüler gibt, zum Gehorsam gegenüber dem Apostolischen Stuhl aufzufordern« (Epist. 50, ebd.).

Frucht dieses Engagements war der unerschütterliche Geist des Zusammenhalts rund um den Nachfolger Petri, den Bonifatius an die Kirchen seines Missionsgebiets weitergab, wodurch er England, Germanien und Frankreich mit Rom verband und so maßgeblich dazu beitrug, jene christlichen Wurzeln Europas zu legen, die in den nachfolgenden Jahrhunderten reiche Früchte hervorbringen sollten. Und noch durch ein drittes Merkmal weckt Bonifatius unsere Aufmerksamkeit: Er förderte die Begegnung zwischen der römisch-christlichen und der germanischen Kultur. Er wußte nämlich, daß die Humanisierung und Evangelisierung der Kultur integrierender Bestandteil seiner Sendung als Bischof war. Indem er das alte Erbe an christlichen Werten weitervermittelte, pflanzte er in die germanischen Völker einen neuen, menschlicheren Lebensstil ein, dank dessen die unveräußerlichen Rechte der Person besser geachtet wurden. Als echter geistlicher Sohn des hl. Benedikt wußte er Gebet und Arbeit (sowohl manuelle als auch geistige), Feder und Pflug zu verbinden.

Das mutige Zeugnis des Bonifatius ist für uns alle eine Einladung, das Wort Gottes als wesentlichen Bezugspunkt in unser Leben aufzunehmen, die Kirche leidenschaftlich zu lieben, uns für ihre Zukunft mitverantwortlich zu fühlen, ihre Einheit um den Nachfolger Petri zu suchen. Gleichzeitig erinnert er uns daran, daß das Christentum durch die Förderung der Verbreitung der Kultur den Fortschritt des Menschen fördert. Es liegt nun an uns, einem so bedeutenden Erbe gewachsen zu sein und es zum Vorteil der kommenden Generationen Früchte tragen zu lassen.

Mich beeindruckt immer wieder sein glühender Eifer für das Evangelium: Mit vierzig Jahren verläßt er ein schönes und fruchtbares klösterliches Leben, ein Leben als Mönch und Professor, um den einfachen Leuten, den Barbaren das Evangelium zu verkünden; als Achtzigjähriger geht er noch einmal in eine Gegend, wo er sein Martyrium voraussieht. Wenn wir diesen seinen glühenden Glauben, diesen Eifer für das Evangelium mit unserem oft so lauen und bürokratisierten Glauben vergleichen, sehen wir, was wir tun und wie wir unseren Glauben erneuern müssen, um unserer Zeit die kostbare Perle des Evangeliums zu schenken.

 

Papst Franziskus - Franziskusfest in den Vatikanischen Gärten - Mit Amazonasindianern - Im Mittelpunkt: Pachamama, Statue einer schwangeren nackten Frau


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