Politik ist eine hohe Form der Nächstenliebe!

20. April 2020 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Papst Franziskus – Montag der 2. Woche im Osterkreis, siebenunddreißigste Messe in Live-Streaming über Fernsehen und Internet aus der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“„gegen“ die Coronavirus-Pandemie.

„Christus ist vom Tod erstanden; er stirbt nicht mehr. Gebrochen ist die Macht des Todes. Halleluja“: nach der Messe am Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit in der Kirche „Santo Spirito in Sassia“ nahm Franziskus heute die Morgenmessen im Gästehaus wieder auf. In seiner Einleitung wandte er sich mit seinen Gedanken an die in der Politik Tätigen:

„Lasst uns heute für die Männer und die Frauen beten, die eine politische Berufung haben: die Politik ist eine hohe Form der Nächstenliebe. Für die politischen Parteien in den verschiedenen Ländern, damit sie in diesem Moment der Pandemie gemeinsam das Wohl des Landes und nicht das Wohl ihrer eigenen Partei anstreben“.

In seiner Predigt kommentierte der Papst das heutige Evangelium (Joh 3,1-8), in dem Jesus dem Nikodemus, einem Pharisäer, der nachts zu ihm gekommen war, sagt, dass er das Reich Gottes nicht sehen könne, wenn er nicht „von oben geboren wird“.

„Nicht alle Pharisäer waren böse“, so der Papst, „und Nikodemus war ein rechtschaffener Pharisäer, der eine Unruhe verspürte und den Herrn suchte“. Nikodemus wisse nicht, wie er diesen Sprung machen solle: aus dem Geist geboren zu werden, „denn der Geist ist unberechenbar“. Wer sich vom Geist leiten lasse, sei ein fügsamer und freier Mensch. Der Christ dürfe nicht nur die Gebote halten, sondern muss sich vom Geist leiten lassen, wohin der Geist wolle.

Franziskus ging dann auch auf die Stelle aus der Apostelgeschichte (Apg 4,23-31) ein, in der die Jünger Jesu nach der Befreiung von Petrus und Johannes gemeinsam ein Gebet zu Gott erheben, damit sie sein Wort angesichts der Schwierigkeiten und Bedrohungen mit aller Offenheit verkünden können. Dieser Mut sei die Frucht des Geistes:

„Dieser Mann, Nikodemus, ist ein führender Mann unter den Juden, ein angesehener Mann. Er spürte das Bedürfnis, zu Jesus zu gehen. Er suchte ihn in der Nacht auf, weil er ein gewisses Gleichgewicht herstellen musste, denn diejenigen, die zu Jesus gingen, um mit ihm zu reden, wurden nicht gut angeschaut. Er ist ein rechtschaffener Pharisäer, denn nicht alle Pharisäer sind schlecht: nein, nein. Es gab auch rechtschaffene Pharisäer. Dies ist ein rechtschaffener Pharisäer. Er empfand Unbehagen, weil er ein Mann ist, der die Propheten gelesen hatte und wusste, dass das, was Jesus tat, von den Propheten angekündigt worden war. Er fühlte die Unruhe und ging, um mit Jesus zu sprechen. ‚Rabbi, wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen’: es ist ein Bekenntnis, bis zu einem gewissen Punkt. ‚Denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, wenn nicht Gott mit ihm ist’. Er hält vor dem ‚also’ ein.

Wenn ich dies sage... also... Und Jesus antwortete. Er antwortete geheimnisvoll, wie er, Nikodemus, dies nicht erwartet hatte. Er antwortete mit diesem Bild der Geburt: wenn man nicht von oben geboren wird, kann man das Reich Gottes nicht sehen. Und er, Nikodemus, empfindet Verwirrung, er versteht die Antwort Jesu nicht und nimmt sie buchstäblich: ‚Wie kann ein Mensch, der schon alt ist, geboren werden? Kann er etwa in den Schoß seiner Mutter zurückkehren und noch einmal geboren werden?’. Von oben geboren werden, aus dem Geist geboren werden. Es ist der Sprung, den das Bekenntnis des Nikodemus machen muss, und er weiß nicht, wie er ihn machen soll. Weil der Geist unberechenbar ist.

Die Definition des Geistes, die Jesus hier gibt, ist interessant: ‚Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist’, also frei. Ein Mensch, der sich vom Heiligen Geist auf beiden Seiten tragen lässt: das ist die Freiheit des Geistes. Und wer immer dies tut, ist ein fügsamer Mensch, und hier sprechen wir von der Fügsamkeit gegenüber dem Geist.

Christ zu sein bedeutet nicht nur, die Gebote zu erfüllen: sie müssen erfüllt werden, das ist wahr; aber wenn man dort stehen bleibt, ist man kein guter Christ. Ein Christ zu sein bedeutet, dass man den Geist in sich eindringen lässt und dieser einen dorthin bringt, wo er einen haben will. In unserem christlichen Leben bleiben wir oft wie Nikodemus vor dem ‚also’ stehen, wir wissen nicht, welchen Schritt wir tun sollen, wir wissen nicht, wie wir ihn tun sollen, oder wir haben nicht das Vertrauen in Gott, diesen Schritt zu tun und den Geist eintreten zu lassen. Neu geboren zu werden bedeutet, den Geist in uns eintreten zu lassen, es bedeutet, das mich der Geist leitet und nicht ich, und hier, frei, mit dieser Freiheit des Geistes wirst du nie wissen, wo du am Ende sein wirst.

Die Apostel, die im Abendmahlssaal waren, als der Geist kam, gingen hinaus, um mit diesem Mut, mit dieser Offenheit zu predigen... sie wussten nicht, dass dies geschehen würde. Und sie taten es, weil der Geist sie führte. Der Christ darf nie nur bei der Erfüllung der Gebote stehen bleiben: das muss man tun, aber dann darüber hinausgehen, hin zu dieser neuen Geburt, die eine Geburt im Geist ist, die dir die Freiheit des Geistes schenkt.

So erging es dieser christlichen Gemeinde, von der in der ersten Lesung die Rede ist, nachdem Johannes und Petrus von ihrem Verhör mit den Priestern zurückgekehrt waren. Sie gingen zu ihren Brüdern in dieser Gemeinde und berichteten, was die Hohenpriester und Ältesten ihnen gesagt hatten. Und als die Gemeinde dies hörte, waren alle zusammen ein wenig erschrocken. Und was haben sie getan? Sie beteten. Sie blieben nicht bei den Vorsichtsmassnahmen stehen, ‚nein, lass uns das jetzt machen, lass uns ein bisschen leiser treten...’: nein. Beten. Der Geist soll ihnen sagen, was sie tun sollen. Sie erhoben ihre Stimme zu Gott und sagten: ‚Herr!’, und sie beten. Dieses schöne Gebet für einen dunklen Moment, für einen Moment, in dem sie Entscheidungen treffen müssen und nicht wissen, was sie tun sollen. Sie wollen aus dem Geist geboren werden, sie öffnen ihr Herz dem Geist: möge er es sagen...

Und sie beten: ‚Wahrhaftig, verbündet haben sich in dieser Stadt gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden und den Stämmen Israels, um alles auszuführen, was deine Hand und dein Wille im Voraus bestimmt haben, dass es geschehe’, sie erzählen die Geschichte und sagen: ‚Herr, tu etwas!’. ‚Doch jetzt, Herr, sieh auf ihre Drohungen (der Gruppe der Priester) und gib deinen Knechten, mit allem Freimut dein Wort zu verkünden!’ – sie bitten um die Offenheit, den Mut, keine Angst zu haben – ‚streck deine Hand aus, damit Heilungen und Zeichen und Wunder geschehen durch den Namen deines heiligen Knechtes Jesus!’. ‚Als sie gebetet hatten, bebte der Ort, an dem sie versammelt waren, und alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und sie verkündeten freimütig das Wort Gottes’. Hier fand ein zweites Pfingsten statt.

Konfrontiert mit Schwierigkeiten, vor einer verschlossenen Tür, dass sie nicht wussten, wie sie vorwärts gehen sollten, gehen sie zum Herrn, öffnen ihre Herzen, und der Geist kommt und gibt ihnen, was sie brauchen, und sie gehen hinaus, um zu predigen, mit Mut und vorwärts. Das heißt es, aus dem Geist geboren zu werden, das bleibt nicht beim ‚also’ stehen, beim ‚also’ der Dinge, die ich immer getan habe, beim ‚also’ nach den Geboten, beim ‚also’ nach den religiösen Gewohnheiten: nein! Das heißt es, neu geboren zu werden. Und wie bereitet man sich auf die Wiedergeburt vor? Durch das Gebet. Das Gebet ist es, was dem Geist die Tür öffnet und uns diese Freiheit, diese Offenheit, diesen Mut des Heiligen Geistes schenkt. Nie weißt du, wohin er dich führen wird. Doch es ist der Geist.

Möge der Herr uns helfen, immer offen für den Geist zu sein, denn er wird uns in unserem Leben des Dienstes am Herrn voranbringen“.

Der Papst beschloss die Feier wie immer mit der Anbetung und dem eucharistischen Segen und lud die Menschen zur geistlichen Kommunion ein.

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