Die schwere Sünde des ideologisierten Klerikalismus

13. März 2020 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: das Geschenk Gottes darf nicht in den Käfig einer moralistischen Lehre gesteckt werden. Dies verdeckt die Erwählung, die Verheißung und den Bund. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) In seiner Predigt bei der heiligen Messe in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ am siebten Jahrestag seiner Wahl auf den Stuhl Petri kommentierte Papst Franziskus die Lesungen vom Freitag der zweiten Woche der Fastenzeit und dabei insbesondere das Gleichnis von den mörderischen Winzern. Er ging auf die Untreue derer ein, die Gottes Geschenk, das Reichtum, Offenheit und Segen sei, in Besitz nähmen und in den Käfig einer Lehre setzten (Mt 21,33-43,45):

„Beide Lesungen sind eine Prophezeiung der Passion des Herrn. Joseph wurde als Sklave für zwanzig Silberstücke verkauft und an die Heiden ausgeliefert. Und das Gleichnis Jesu, das deutlich symbolisch von der Tötung des Sohnes spricht. Diese Geschichte: ‚Es war ein Gutsbesitzer, der legte einen Weinberg an – die Sorgfalt, mit der er das getan hatte –, zog ringsherum einen Zaun, hob eine Kelter aus und baute einen Turm – er hatte es gut gemacht. Dann verpachtete er den Weinberg an Winzer und reiste in ein anderes Land.

Das ist das Volk Gottes. Der Herr hat jenes Volk auserwählt, es ist da eine Erwählung dieser Menschen. Sie sind das auserwählte Volk. Es gibt auch eine Verheißung: ‚Geht weiter. Ihr seid mein Volk’, eine Verheißung an Abraham. Und mit dem Volk wird auch auf dem Sinai ein Bund geschlossen. Das Volk muss die Wahl, dass es ein erwähltes Volk ist, stets in der Erinnerung bewahren, die Verheißung, mit Hoffnung nach vorn zu blicken, und den Bund, um jeden Tag die Treue zu leben.

Aber in diesem Gleichnis kommt es dazu, dass diese Leute, als die Zeit kam, die Früchte zu ernten, vergessen hatten, dass sie nicht die Herren waren: ‚Die Winzer aber packten seine Knechte; den einen prügelten sie, den andern brachten sie um, wieder einen anderen steinigten sie. Darauf schickte er andere Knechte, mehr als das erste Mal; mit ihnen machten sie es genauso’. Sicherlich zeigt Jesus hier – er spricht zu den Gesetzeslehrern – wie die Gesetzeslehrer die Propheten behandelten. ‚Zuletzt sandte er seinen Sohn zu ihnen’; denn er dachte: ‚Vor meinem Sohn werden sie Achtung haben’. ‚Als die Winzer den Sohn sahen, sagten sie zueinander: Das ist der Erbe. Auf, wir wollen ihn umbringen, damit wir sein Erbe in Besitz nehmen.

Sie haben das Erbe gestohlen, das ein anderes war. Eine Geschichte der Untreue, der Untreue gegenüber der Erwählung, der Untreue gegenüber der Verheißung, der Untreue gegenüber dem Bund, der ein Geschenk ist. Die Erwählung, die Verheißung und der Bund sind ein Geschenk Gottes. Treulosigkeit gegenüber Gottes Geschenk. Nicht verstehen, dass es ein Geschenk war, und es als Eigentum nehmen. Diese Leute eigneten sich das Geschenk an und nahmen es weg, um es in ‚mein’ Eigentum zu verwandeln.

Und das Geschenk, das Reichtum ist, Offenheit, Segen wurde verschlossen, in den Käfig einer Lehre von vielen Gesetzen gesteckt. Es ist ideologisiert worden. Und so hat das Geschenk sein Wesen als Geschenk verloren, es ist in einer Ideologie gelandet. Vor allem in ein moralistischen Ideologie voller Vorschriften, die sogar lächerlich ist, weil sie für alles auf die Kasuistik zurückgreift. Sie eigneten sich das Geschenk an.

Das ist die große Sünde. Es ist die Sünde des Vergessens, dass Gott sich selbst für uns geschenkt hat, dass Gott uns dies als Geschenk gegeben hat und, indem man dies vergisst, zu Herren zu werden. Und die Verheißung ist nicht schon Verheißung, die Erwählung ist nicht schon Erwählung: ‚Der Bund muss nach meiner Meinung interpretiert, ideologisiert werden’. Hier, in dieser Haltung, sehe ich vielleicht im Evangelium den Anfang des Klerikalismus, der eine Perversion ist, der immer die unentgeltliche Erwählung durch Gott, den freien Bund Gottes, die freie Verheißung Gottes leugnet. Er vergisst die Unentgeltlichkeit der Offenbarung, er vergisst, dass Gott sich als Geschenk offenbart hat, er hat sich für uns zum Geschenk gemacht, und wir müssen es geben, es die anderen als Geschenk, nicht als unseren Besitz sehen lassen.

Der Klerikalismus ist keine Sache dieser Tage, die Rigidität ist keine Sache dieser Tage, das war schon zu Jesu Zeiten da. Und dann wird Jesus die Gleichnisse weiter erklären – dies ist Kapitel 21 –, er wird im Kapitel 23 zur Verurteilung übergehen, wo wir Gottes Zorn gegen diejenigen sehen, die das Geschenk als Eigentum nehmen und seinen Reichtum auf die ideologischen Launen ihres Geistes reduzieren.

Bitten wir den Herrn heute um die Gnade, die Gabe als Geschenk zu empfangen und sie als Geschenk weiterzugeben, nicht als Eigentum, nicht auf sektiererische Weise, nicht auf rigide Weise, nicht auf ‚klerikalistische’ Weise“.

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