Gebet für die Regierenden

12. März 2020 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: die Armen nicht vergessen! Die Kultur der Adjektive führt zur Gleichgültigkeit. Trotz allem: die Flüchtlinge und Migranten nicht vergessen. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Papst Franziskus – Donnerstag der zweiten Woche der Fastenzeit, vierte Messe in Live-Streaming über Fernsehen und Internet aus der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“„gegen“ die Coronavirus-Epidemie.

In seiner Einführung lud Franziskus dazu ein ein, besonders für die Obrigkeiten und Regierenden zu beten. Am späten Abend des gestrigen Mittwochs hatte sich die italienische Regierung aufgrund der zur Pandemie mutierten Coronavirus-Epidemie zu einem totalen „Lockdown“ des Landes entschlossen. Alle Geschäfte, Bars, Restaurants, Sportanlagen usw. müssen vorerst geschlossen bleiben. Ausgenommen sind Geschäfte für notwendige primäre Güter (zum Beispiel Supermärkte, Apotheken)

„Wir beten in dieser Zeit der Pandemie weiterhin gemeinsam für die Kranken, für die Familienangehörigen, für die Eltern mit Kindern zu Hause... aber vor allem möchte ich euch bitte, für die Obrigkeiten zu beten: sie müssen entscheiden, und oft über Maßnahmen entscheiden, die den Menschen nicht gefallen. Aber es ist zu unserem eigenen Wohl. Und oft fühlen sich die Regierenden einsam und unverstanden. Lasst uns für unsere Regierenden beten, die die Entscheidung über diese Maßnahmen treffen müssen: dass sie sich vom Gebet des Volkes begleitet fühlen“.

In seinem Kommentar zum heutigen Evangelium vom reichen Mann und dem armen Lazarus (Lk 16,19-31) mahnte der Papsts, dem Drama derer, die Hunger leiden oder vor Kriegen fliehen und vor sich nur Mauern vorfinden – vor allem Kinder –, nicht gleichgültig gegenüberzustehen. Das Dikasterium für die vatikanischen Medien stellte die Abschrift der freigehaltenen Predigt zur Verfügung:

„Diese Erzählung Jesu ist sehr klar, auch wenn sie wie eine Geschichte für Kinder erscheinenmag : sie ist sehr einfach. Jesus will damit nicht nur auf eine Geschichte hinweisen, sondern auch auf die Möglichkeit, dass die ganze Menschheit so lebt, ja, dass wir alle so leben. Zwei Männer, einer davon zufrieden, der sich gut zu kleiden wusste, er suchte vielleicht die größten Modedesigner der damaligen Zeit, um sich zu kleiden. Er kleidete sich in Purpur und feines Leinen. Und dann, dass er es sich gut gehen ließ, weil er Tag für Tag glanzvolle Feste feierte. Er war auf diese Weise glücklich. Er hatte keine Sorgen, er traf ein paar Vorsichtsmaßnahmen, vielleicht ein paar Cholesterinpillen für die Bankette, aber das Leben lief gut. Er war ruhig.

Ein armer Mann stand vor seiner Tür: Lazarus war sein Name. Er wusste, dass der arme Mann dort war: er wusste es. Aber es schien ihm natürlich zu sein: ‚Mir geht es gut ... aber so ist das Leben, er soll zusehen, wie er sich durchschlägt’. Höchstens vielleicht – das Evangelium sagt das nicht – schickte manchmal etwas, ein paar Krümel. Und so verging das Leben dieser beiden. Beide sind durch das Gesetz von uns allen gegangen: sterben. Der reiche Mann starb und Lazarus starb. Das Evangelium sagt, dass Lazarus in den Himmel gebracht wurde, in Abrahams Schoß... Vom reichen Mann heißt es nur: ‚Er wurde begraben’. Punkt. Und es ist aus.

Zwei Dinge sind auffällig: die Tatsache, dass der reiche Mann wusste, dass es diesen armen Mann gab, und dass er den Namen Lazarus kannte. Aber das machte nichts, es schien ihm natürlich zu sein. Vielleicht machte der Reiche auch seine Geschäfte, die sich am Ende gegen die Armen richteten. Er wusste sehr genau, er war über diese Realität informiert. Und die zweite Sache, die mich so sehr berührt, ist das Wort ‚tiefer, unüberwindlicher Abgrund’, das Abraham zu dem reichen Mann sagt. ‚Zwischen uns ist ein tiefer, unüberwindlicher Abgrund, wir können nicht kommunizieren. Niemand kann von hier zu euch oder von dort zu uns kommen’. Es ist derselbe Abgrund, der im Leben zwischen dem reichen Mann und Lazarus bestand: der Abgrund begann nicht dort, der Abgrund begann hier.

Ich dachte darüber nach, was das Drama dieses Mannes war: das Drama, sehr, sehr informiert zu sein, aber mit verschlossenem Herzen. Die Informationen dieses reichen Mannes erreichten nicht sein Herz, er konnte nicht bewegt werden, er konnte sich angesichts des Dramas der anderen nicht bewegen. Er konnte auch nicht einen der Jungen, die am Tisch bedienten, rufen und sagen: ‚aber bring ihm dies, das andere...’ ... Das Drama der Informationen, die nicht zum Herzen vordringen.

Auch: das geschieht uns. Wir alle wissen, weil wir es in den Nachrichten gehört oder in den Zeitungen gelesen haben, wie viele Kinder heute in der Welt Hunger leiden. Wie viele Kinder nicht über die notwendigen Arzneimittel verfügen. Wie viele Kinder nicht zur Schule gehen können. Kontinente mit diesem Drama: wir wissen es. Äh, arme Dinger... und weiter geht's. Diese Information geht nicht bis zum Herzen, und viele von uns, viele Gruppen von Männern und Frauen, leben in dieser Trennung zwischen dem, was sie denken, was sie wissen und was sie fühlen: das Herz ist vom Verstand abgetrennt. Sie sind gleichgültig. Genauso wie der reiche Mann dem Schmerz des Lazarus gegenüber gleichgültig war. Da ist der Abgrund der Gleichgültigkeit.

Als ich zum ersten Mal in Lampedusa war, kam mir dieses Wort in den Sinn: die Globalisierung der Gleichgültigkeit. Vielleicht sind wir heute hier in Rom besorgt, denn ‚es scheint, dass die Geschäfte geschlossen sind, ich muss das kaufen, und es scheint, dass ich nicht jeden Tag spazieren gehen kann, und es scheint, dass...’: besorgt um meine Sachen. Und wir vergessen die hungernden Kinder, wir vergessen die armen Menschen an den Grenzen der Länder, die nach Freiheit suchen, diese Zwangsmigranten, die vor Hunger und Krieg fliehen und nur eine Mauer vorfinden, eine Mauer aus Eisen, eine Mauer aus Stacheldraht, aber eine Mauer, die sie nicht durchlässt. Wir wissen, dass es das gibt, aber zum Herzen dringt das nicht vor ... Wir leben in der Gleichgültigkeit: die Gleichgültigkeit ist dieses Drama, gut informiert zu sein, aber die Realität der anderen nicht zu spüren. Das ist der Abgrund: der Abgrund der Gleichgültigkeit.

Dann ist da noch etwas, das mir auffällt. Hier kennen wir den Namen des armen Mannes. Wir kennen ihn. Lazarus. Sogar der reiche Mann kannte ihn, denn als er in der Unterwelt war, bat er Abraham, Lazarus zu schicken: dort erkannte er ihn. ‚Aber, schick mir den’. Doch wir kennen den Namen des reichen Mannes nicht. Das Evangelium sagt uns nicht, wie dieser Herr hieß. Er hatte keinen Namen. Er hatte seinen Namen verloren, nur die Adjektive seines Lebens hatte er noch. Reich, mächtig... viele Adjektive.

Genau das macht der Egoismus in uns: er lässt uns unsere wirkliche Identität, unseren Namen verlieren und führt uns nur dazu, die Adjektive zu bewerten. Die Weltlichkeit hilft uns dabei. Wir sind in die Kultur der Adjektive verfallen, in der dein Wert darin besteht, was du hast, was du kannst... Aber nicht ‚Wie ist dein Name?’: du hast deinen Namen verloren. Die Gleichgültigkeit führt dazu. Den Namen verlieren. Wir sind nur die Reichen, wir sind dies, wir sind das andere. Wir sind die Adjektive.

Bitten wir den Herrn heute um die Gnade, nicht in Gleichgültigkeit zu verfallen, um die Gnade, dass alle Informationen über die menschlichen Schmerzen, die wir haben, in unser Herz dringen und uns dazu bewegen, etwas für die anderen zu tun.

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