„Wir auch …“

5. Februar 2020 in Kommentar


Synodaler Weg – Auf dem Weg zu einer häretischen/schismatischen Kirche? Gastkommentar des Pastoraltheologen Hubert Windisch


Regensburg (kath.net) Der soeben angelaufene sogenannte Synodale Weg erregt öffentliche Aufmerksamkeit vor allem deshalb, weil auf diesem Weg katholisches Tafelsilber verscherbelt wird. Ginge es hingegen um das Festhalten an Kernthemen des Glaubens und um ihre Verkündigung in heutiger Zeit, wäre erstens die Gruppe, die sich zum sog. Synodalen Weg versammelt, nur ein kleines Grüppchen und zweitens das Interesse der Medien gering. So aber hat man sich entschieden, „sich mit theologischen Inhalten den Konjunkturen der öffentlichen Meinung zu unterwerfen“ (vgl. Christian Geyer in der FAZ vom 28. Januar). Das hat zur Folge, dass der Ansatz des sog. Synodalen Weges in Bezug auf eine Erneuerung der katholischen Kirche in Deutschland falsch ist. Stimmt aber die Diagnose für eine Behandlung nicht, kann auch die angestrebte Therapie nicht richtig sein (so Oliver Maksan in der Tagespost vom 30. Januar).

* Ein Beispiel nur: Der Ausgangspunkt für den sog. Synodalen Weg sei die Sorge um die Glaubwürdigkeit der Kirche wegen der schändlichen sexuellen Missbrauchsfälle durch Kleriker in den letzten Jahrzehnten. Natürlich ist es bitter notwendig, sich damit nicht nur für die Kirche insgesamt, sondern vor allem auch für eine Erneuerung in der theologischen und spirituellen Bildung und der moralischen Lebensführung des Klerus auseinanderzusetzen. Aber dann das Stichwort „MachtMissbrauch“ undifferenziert und tendenziös in den Ring zu werfen, um nicht nur das sakramentale Priesteramt in all seinen Facetten abzuwickeln, ist unlauter. Will man vielleicht unter dem Deckmantel der Missbrauchsfälle eine Agenda für eine Kirche umsetzen, „bei der kein Stein auf dem anderen bleibt“? Das wäre in der Tat ein Missbrauch des Missbrauchs. Bei den Missbrauchsfällen ging es doch in erster Linie um einen sündigen Missbrauch von Sexualität, natürlich auch in vielfältigen Machtkonstellationen, aber nicht primär um einen Missbrauch von Macht. Man sollte also sehr wohl gegen sexuellen Missbrauch vorgehen und sexuellem Missbrauch vorbeugen, dabei aber nicht vergessen, dass über 80% der Missbrauchsfälle im Klerus einen homosexuellen Hintergrund haben. Davon ist freilich beim sog. Synodalen Weg nicht die Rede. Vielmehr scheint man im Sinne einer falschen Therapie in sexualibus den moralischen Bock zum ethischen Gärtner machen zu wollen.

* Man frönt, wenn man die Themenbereiche auflistet, beim sog. Synodalen Weg mehrheitlich einer Haltung, die Kurt Tucholsky schon 1930 in seinem berühmten „Braut- und Sportunterricht“ als die „Wir-auch-Haltung“ der Kirche verspottet hat: „Wir auch“ bestimme Tun und Denken der Kirche gegenüber der Welt, nicht mehr wie vordem „Wir“! Also Kirche nicht mehr als Topadresse für das ewige Seelenheil, sondern ein Gemischtwarenladen für religiöses Allerlei. Der Erfolg solcher Einstellung ist ein schnell verebbender Applaus einer politisch korrekten Öffentlichkeit für eine kurzatmige Kirche, die inzwischen weithin von einer Stimmungstheologie ohne intellektuelle Kraft dominiert wird und die letztlich niemand mehr braucht.

* Was folgt daraus? Man muss zuallererst klar erkennen und auch benennen, dass mit den Vorhaben des sog. Synodalen Weges der Weg in die Protestantisierung der katholischen Kirche vorgezeichnet ist. Wer das will, könnte aber als Bischof, Theologe oder Kirchenfunktionär besser in die jeweilige evangelische Landeskirche übertreten, wo diese Vorhaben bereits bis zur Unkenntlichkeit kirchlicher Substanz verwirklicht sind. Warum also die katholische Kirche protestantisch machen? Viele, sehr viele Katholiken wollen gerne aus Überzeugung katholisch bleiben. So ist diesbezüglich die Mahnung eines befreundeten hohen Würdenträgers einer evangelischen Landeskirche ernst zu nehmen, der mir einmal schrieb: „Warum will die katholische Kirche (bzw. nicht wenige auch bischöfliche Funktionäre in ihr) partout in den letzten Wagen eines Zuges einsteigen, dessen Lokomotive schon im Abgrund hängt? Und die Lokomotive sind wir – die evangelische Kirche!“ Wo sind Bischöfe und Theologen, die nicht erst bei der Fahrt in den Abgrund, also zu spät, die Notbremse ziehen, sondern schon auf dem Bahnsteig das Stoppschild erheben?

* Was kann man tun? Es könnte durchaus bald dazu kommen, dass Priester die Namen derjenigen Bischöfe, die für die Irrwege des sog. Synodalen Weges stimmen, nicht im Hochgebet der heiligen Messe erwähnen. Und katholische Laien könnten in Anlehnung an den Weckruf von Roberto de Mattei bei der Acies Ordinata in München und unter Berufung auf Äußerungen des Kirchenrechtlers Gero Weishaupt eine Handreichung fordern, wie man dem Zwangskirchensteuersystem entgehen und trotzdem in der Glaubensgemeinschaft der Kirche bleiben kann. Würde aus dieser Forderung eine Bewegung entstehen, könnte man den Umtrieben des sog. Synodalen Weges auf effektive Weise die rote Karte zeigen.

Prof. Dr. Hubert Windisch (Foto) ist emeritierter Professor für Pastoraltheologie der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg.


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