„Hier soll eine Agenda durchgebracht werden“

2. Jänner 2020 in Interview


Kölner Weihbischof Schwaderlapp im kath.net-Interview zum Synodalen Weg: „Mit Kardinal Woelki mache ich mir Sorgen, dass wir dabei sind, in der Kirche in Deutschland einen Sonderweg zu gehen, der uns von der Weltkirche trennt.“ Von Petra Lorleberg


Köln (kath.net/pl) „Papst Franziskus hat uns völlig zu Recht den ‚Primat der Evangelisierung‘ ins Stammbuch geschrieben.“ Darauf weist der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp im KATH.NET-Interview hin. Der Weihbischof teilt die mehrfach geäußerte Grundsatzkritik des Kölner Erzbischofs Rainer Maria Kardinal Woelki am Synodalen Weg, kath.net hat berichtet.

kath.net: Herr Weihbischof Schwaderlapp, für Basel lässt die Statistik vermuten, dass dort 2050 praktisch keine Christen mehr leben werden, wenn der bisherige Schwund des Christentums dort so weitergeht wie bisher. Nun liegt Basel zwar in der Schweiz, aber auch in Deutschland schreibt das Christentum derzeit wohl eher keine Erfolgsgeschichte. Papst Franziskus hat uns deutschen Katholiken den „Primat der Neuevangelisierung“ ins Stammbuch geschrieben. Was halten Sie davon?

Schwaderlapp: Gott sei Dank folgen Glaubensverkündigung und Evangelisierung nicht den Gesetzen der Demoskopie und Statistik. Wie die Zukunft des Christentums in Europa aussieht, das hängt von der Kraft des Heiligen Geistes ab, und die ist unerschöpflich.

Aber der Heilige Geist arbeitet nicht über unsere Köpfe hinweg, sondern in uns und durch uns. Insofern kommt es auf unser Mittun an.

Deshalb hat uns Papst Franziskus völlig zu Recht den „Primat der Evangelisierung“ ins Stammbuch geschrieben.

Evangelisierung, das ist aber nicht irgendeine äußere – gar lästige – Verpflichtung. Wenn Christsein wesentlich Freundschaft mit Christus bedeutet, dann kann ich unmöglich diese Freundschaft verschweigen. Was wäre das wohl für eine Freundschaft, die wir verschweigen würden? Sie würde den Namen nicht verdienen.

Wir können nicht wirklich Christen sein, wenn wir nicht in unserem Inneren den Drang verspüren, diese Botschaft mit anderen zu teilen.

kath.net: Zölibatsaufweichung, Frauenweihe, Strukturänderungen… Wir diskutieren in der katholischen Kirche in Deutschland derzeit über vieles. Wo sehen Sie im Synodalen Weg geeignete Ansätze für das von Papst Franziskus geforderte Engagement für den Primat der Neuevangelisierung und wo nicht?

Schwaderlapp: Manfred Lütz schlug vor Jahren einmal vor, bezüglich mancher diskutierter Themen – und die waren damals dieselben wie heute – die „Sterbebettprobe“ zu machen. Das heißt, sich die Frage zu stellen, welche dieser Themen sind für mich noch relevant, wenn ich auf dem Sterbebett liege. Ich halte die Anregung für gut, denn sie scheidet die wirklich existentiellen Themen von anderen, die zwar bedeutsam sind, aber nicht entscheidend für mein persönliches Glauben und Leben.

Ich befürchte, dass viele Themen, die wir auf dem sogenannten „Synodalen Weg“ bearbeiten, diese „Sterbebettprobe“ nicht bestehen.

Ich habe ohnehin Sorge, dass wir uns in unserer katholischen Gremienwelt längst von den tatsächlichen alltäglichen Glaubens- und Lebenssorgen der Menschen entfernt haben. Zu viele Themen dienen der kirchlichen Selbstbeschäftigung.

In Gesprächen mit Jugendlichen werden mir dagegen häufig ganz andere Fragen gestellt. So wurde ich einmal von einer Jugendlichen, einem Firmling, gefragt: „Wie würden Sie in aller Kürze Ihren Glauben jemandem erklären, der keine Ahnung davon hat?“ Eine kluge Frage, die mich immer wieder beschäftigt.

kath.net: Und welche Antwort haben Sie der Jugendlichen gegeben?

Schwaderlapp: Ich habe ihr in etwa gesagt: „Gott lässt die Welt nicht allein. Er hat uns seinen Sohn gesandt, der Immanuel, der Gott-mit-uns, der uns die Hand seiner Freundschaft reicht. Und Jesus Christus ist der Freund deines Lebens, auf den du dich immer verlassen kannst, der dich niemals im Stich lässt, der dich auch dann noch trägt, wenn dich nichts mehr trägt.“

Von diesem Kern unseres Glaubens her, lässt sich alles andere erst erklären und verstehen. Der Schlüssel für den gesamten Glauben der katholischen Kirche ist nach meiner Überzeugung die Freundschaft mit Christus.

kath.net: Wie erfolgsversprechend wäre denn die Einführung von verheirateten Geistlichen, von weiblichen Geistlichen, von weniger Hierarchie zugunsten von stärker demokratischen Strukturen. Würden solche Maßnahmen Ihrer Einschätzung nach überhaupt erbringen, was man sich von ihnen verspricht, nämlich neuen Schwung und bessere Mitgliedszahlen? Was folgern Sie, wenn Sie dazu auf unsere christlichen Geschwister in den evangelischen Landeskirchen blicken?

Schwaderlapp: Nun ja: „Schlimmer geht immer.“, Es wäre meines Erachtens zu billig, auf andere Kirchen und kirchliche Gemeinschaften hinzuweisen, in denen der Glaubensschwund noch größer ist. Das bleibt an der Oberfläche und führt uns nicht weiter.

Im Hintergrund vieler sogenannter heißer Themen steht doch die Frage: „Was ist die Kirche?“. Wenn ich der Meinung bin, dass die Kirche eine Veranstaltung von Menschen für Menschen ist, dann haben die Kritiker recht. Denn dann sollte die Kirche der Logik menschlicher Organisationen folgen, und die sind in unserer Zeit selbstverständlich demokratisch, und das ist auch gut so.

Nun ist die Kirche aber Bestandteil des Credos: „Ich glaube … die eine, heilige katholische und apostolische Kirche“. Die Kirche ist nicht Menschenwerk, sondern Gottesstiftung. Sie folgt seinen Gesetzen und nicht unseren. Die Kirche lebt von Voraussetzungen, die sie sich nicht selbst gegeben hat. Wort, Weisung und Handeln Christi sind für uns verbindlich – auch da wo sie scheinbar nicht in die Zeit passen.

Die Kirche ist weniger eine Organisation als ein Organismus, der von Christus her belebt wird. Ansonsten wäre sie schon längst untergegangen. Und in diesem Organismus sind alle Glieder aufeinander verwiesen und angewiesen. Das Amt steht im Dienst der Gläubigen, im Dienst ihres Glaubens. Und das Amt ist angewiesen auf das Zeugnis aller Getauften. Die „Expertise“ der sogenannten Laien ist daher auch für das Amt unverzichtbar. Daher ist Beratung in der Kirche auf allen Ebenen unverzichtbar.

kath.net: Kardinal Woelki hat vor wenigen Wochen gemahnt: „Wir sind und bleiben Teil der Weltkirche und können keinen deutschen Sonderweg initiieren.“ Teilen Sie die Sorge Ihres Erzbischofs über die Gefahr eines deutsch-katholischen Sonderwegs (und wie bewerten Sie dies)?

Schwaderlapp: Ich teile voll und ganz die Haltung unseres Erzbischofs. Mit ihm und anderen mache auch ich mir Sorgen, dass wir dabei sind, in der Kirche in Deutschland einen Sonderweg zu gehen, der uns von der Weltkirche trennt.

Jedenfalls sind die Fragen, die im Zentrum des „Synodalen Weges“ diskutiert werden, Fragen weltkirchlicher Natur. Sie sind keine deutschen Spezialfragen, ob Zölibat, Frauenpriestertum, Sexualmoral oder Strukturfragen.

Und wenn zudem, bevor dieser Weg überhaupt begonnen hat, das ZdK mit überwältigender Mehrheit, die Segnung homosexueller Paare fordert, dann verstärkt dies den Eindruck: Hier geht es nicht um ein Aufeinander-Hören. Hier soll eine Agenda durchgebracht werden.

Ich glaube allen Beteiligten, wenn sie sagen, sie wolle keine Spaltung der Kirche.

Dennoch bleibt in mir die Sorge, dass am Ende die bereits jetzt vorhandene innere Spaltung vertieft wird, und bei denen, die sich eine quasi neue Kirche erhoffen, viel Frust und Enttäuschung entstehen werden.

Bei allen Differenzen und Gegensätzen: Lassen wir uns nicht in ein Freund-Feind-Schema pressen! Wir sind alle Glieder des einen Leibes Christi. Nur in der Einheit dieses Leibes könne wir wirksam sein.

kath.net: Herr Weihbischof, Sie haben Ihr eigenes Leben in den Dienst der Kirche gestellt, deshalb können die aktuellen innerkirchlichen Konflikte nicht spurlos an Ihnen abperlen. Wo schöpfen Sie persönlich wieder neuen Mut?

Schwaderlapp: Für mich ist die entscheidende Kraftquelle die Feier der hl. Eucharistie, in der Christus auf unnachahmliche Weise sein Versprechen einlöst: „Ich bleibe bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ Das Gebetsleben auch außerhalb der hl. Eucharistie fortzusetzen, ist Herausforderung und Auftrag, aber ebenso eine unerschöpfliche Quelle der Freude.

Zudem: Als Weihbischof darf ich – ob bei Visitationen oder anderen Gelegenheiten – immer wieder feststellen, wie viele gute, treue Katholiken es gibt, die sich mit Herzblut täglich bemühen, ihren Glauben zu leben. Auch unter jenen, mit denen ich mich zuweilen auseinandersetzen muss. Ich erlebe die vielen Begegnungen für mich immer wieder als Geschenk.

kath.net: Was wünschen Sie den Katholiken in Deutschland für das Jahr 2020?

Schwaderlapp: Ich wünsche uns allen das, was der Apostel Paulus den Römern geschrieben hat und ich mir als Lebensmotto gewählt habe: „Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet!“ (Röm 12,12)

Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp/Predigt im Kölner Dom: ´Es ist Aufgabe der Kirche, auf die goldenen Kälber unserer Zeit hinzuweisen´


Fotos Weihbischof Schwaderlapp (c) Erzbistum Köln


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