Kardinal Barbarin sieht sich weiterhin nicht "schuldig"

3. Dezember 2019 in Chronik


Berufungsverfahren nach erstinstanzlicher Verurteilung wegen Nichtanzeige sexuellen Missbrauchs eröffnet - Erzbischof von Lyon räumt "Irrtümer" ein, sieht aber keine Schuld im juristischen Sinne


Paris (kath.net/KAP) Der wegen Nichtanzeige eines Geistlichen verurteilte französische Kardinal Philippe Barbarin (69) sieht sich weiter als nicht "schuldig" an. In seinem am Donnerstag begonnenen Berufungsverfahren habe er zwar "Irrtümer" eingeräumt, berichtete die deutsche Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) unter Berufung auf französische Medien. Barbarin, der seit dem ersten Schuldspruch im März sein Amt als Erzbischof von Lyon ruhen lässt, sehe aber keine Schuld im juristischen Sinne.

Barbarin war im März zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Die Justiz verurteilte ihn, weil er 2014/15 einen Priester nicht angezeigt hatte, der zwischen 1970 und 1991 zahlreiche Minderjährige sexuell missbraucht haben soll. Die Strafe für Barbarin war für Prozessbeobachter überraschend gekommen. Die Staatsanwaltschaft hatte sich zuvor gegen eine Verurteilung des Kardinals ausgesprochen.

In Frankreich besteht eine strafbewehrte Pflicht, Verdachtsfälle von Kindesmissbrauch der Justiz zu melden. Barbarin beteuerte in dem Verfahren mehrmals seine Unschuld. Er habe nicht gedacht, dass er sich an die Justiz wenden müsse, da die gemeldeten Fälle verjährt gewesen seien und das zum Zeitpunkt der Mitteilung volljährige Opfer selbst keinen Wert auf eine Anzeige gelegt habe, sagte er schon beim ersten Prozess zu Jahresbeginn.

Im Berufungsverfahren sagte Barbarin nun am Donnerstag aus, den beschuldigten Priester nie mit der Frage konfrontiert zu haben, was genau er den Kindern angetan habe. Dies fragte er jedoch eines der Opfer, Alexandre Hezez, der sich ihm offenbarte. Barbarin charakterisierte den Fall des beschuldigten Priesters in der Anhörung als "monströsen" Sonderfall. Opferverbände werfen Barbarin, der seit 2002 als Erzbischof von Lyon amtierte, vor schon lange von dem Fall gewusst aber nichts unternommen zu haben.

Vor der Anhörung äußerte sich Barbarins Anwalt gegenüber französischen Medien zuversichtlich, einen Freispruch für seinen Klienten erwirken zu können. Seit dem Schuldspruch lässt Barbarin sein Amt als Erzbischof von Lyon ruhen. Papst Franziskus hatte ein Rücktrittsangebot unter Verweis auf die angesichts des laufenden Berufungsverfahrens weiter bestehende "Unschuldsvermutung" abgelehnt. Er setzte aber den früheren Bischof von Evry-Corbeille-Essonnes, Michel Dubost, als Übergangsleiter der Erzdiözese Lyon ein.

Bernard Preynat, jener Priester, dessen Taten aus den Jahren 1970 und 1991 Barbarin nicht angezeigt hatte, wurde im Juli aus dem Klerikerstand entlassen. Dies ist die höchste Strafe, die das Kirchenrecht für Geistliche vorsieht. Ein so bestrafter Priester darf weder geistliche Kleidung tragen noch als Seelsorger tätig sein oder die Sakramente spenden. Am 13. Jänner 2020 beginnt der staatliche Gerichtsprozess gegen den Mann, der in Lyon unter Aufsicht der Justizbehörden lebt.

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