Zusammenhang zwischen Verhütungsmentalität und Gender-Ideologie

15. November 2019 in Weltkirche


Kardinal Sarah: Verhütung ermöglicht eine Trennung zwischen Sexualität und Fruchtbarkeit. Diese Trennung hat die Auffassung von menschlicher Sexualität, Ehe, Abstammung und Erziehung radikal verändert.


Madrid (kath.net/lifesitenews/jg)
Robert Kardinal Sarah, der Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, hat bei einer Konferenz in Madrid die LGBT-Ideologie scharf kritisiert und ihre Ursprünge auf die weitgehende gesellschaftliche Akzeptanz von Verhütungsmitteln zurückgeführt, die vor etwa siebzig Jahren begonnen hat.

Die Gender-Ideologie, gegen die Papst Franziskus wiederholt klare Worte gefunden habe, sei die Folge einer Veränderung im praktischen Verhalten, sagte der Kurienkardinal. Die „Verhütungsmentalität“, die sich seit den 1950er-Jahren weit verbreitet habe, hätte eine Trennung zwischen der Frau und ihrem Körper möglich gemacht. Diese Trennung habe die Auffassung von menschlicher Sexualität, Ehe, Abstammung und Erziehung radikal verändert.

Die französische Philosophin Simone de Beauvoir (1908-1986) habe in dem berühmten Satz: „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ die Gendertheorie auf den Punkt gebracht. Für de Beauvoir seien Familie, Ehe und Mutterschaft Quellen weiblicher Unterdrückung und Abhängigkeit gewesen. Die Pille habe die Frauen „befreit“, weil sie ihnen hinsichtlich der Fruchtbarkeit Kontrolle über ihren Körper gegeben habe und die Möglichkeit, frei darüber zu verfügen.

Das feministische Motto „Mein Körper gehört mir“ verberge eine tiefe Entfremdung eines Menschen von seinem Körper. Hinter der Proklamation von Freiheit liege eine Instrumentalisierung des Leibes als Material, welches für unbestimmte Wünsche verfügbar sei.

Anschließend erklärte Kardinal Sarah den Zusammenhang zwischen der Verhütung der Trennung der Person von ihrem männlichen oder weiblichen Leib.

Die Verhütungsmentalität habe einen Dualismus zwischen individueller, als unbegrenzt und allmächtig verstandener Freiheit einerseits und dem Leib als Instrument des Genusses andererseits hervorgebracht. In dieser Perspektive könne der Leib nicht mehr als Zeichen und Instrument der Schenkung des Selbst sein, deren Sinn in der Gemeinschaft der Eheleute bestehe. Die innere Verbindung der beiden Bedeutungen des ehelichen Aktes, die Weitergabe des Lebens und die Vereinigung der Eheleute, sei aufgelöst. Die Verbindung werde optional, daher werde die Sexualität häufig auf die Dimension der Beziehung und des Genusses reduziert.

Eine der Wirkungen sei die soziale Legitimation der Homosexualität. Wenn die Sexualität nicht mehr im Licht der Weitergabe des Lebens gesehen werde, könne Homosexualität nicht mehr als abnormal betrachtet werden.

Eine logische Folge dieser Veränderungen sei die Neudefinition der Geschlechtsidentität entsprechend der je eigenen Vorstellungen. „Wenn der innere Zusammenhang zwischen den beiden Bedeutungen des ehelichen Aktes geleugnet wird, verliert der Unterschied zwischen den Geschlechtern die erste Grundlage seiner Erkennbarkeit“, sagte Kardinal Sarah wörtlich. Der Körper könne mehr oder weniger als „Material“ gesehen werden, das nach individuellen Vorstellungen gestaltbar sei.

So genannte „sexuelle Minderheiten“ hätten diese Auffassungen dazu verwendet, um „Gleichheit“ und „Freiheit“ für ein Leben nach ihren angenommenen geschlechtlichen Identitäten zu fordern.

Im Namen des Kampfes gegen Diskriminierung seien die öffentlichen Stellen in die Pflicht genommen worden. Im Namen von „Gleichheit“ und „Freiheit“ würden sie verlangen, dass der öffentliche Diskurs, insbesondere in Schulen und Medien „respektvoll“ zu verlaufen habe.

Jeder könne heute öffentlich behaupten, dass er seine geschlechtliche Identität selbst gewählt habe und sagen, er habe seine Entscheidung selbst getroffen und sei stolz darauf. Er lasse sich von niemand anderem oder der Gesellschaft sagen, wer er sei. Die Gesellschaft müsse diese Entscheidung akzeptieren.

Unschuldige Opfer dieser Entwicklung seien in erster Linie Kinder, deren von den Slogans der Zeit geblendete Eltern ihnen weder den Weg zu wahrhaft menschlichem Wachstums noch zu einer reifen Sexualität zeigen würden. „All das setzt einen falschen Begriff von Freiheit voraus, verstanden als der Umstand, dass man nicht davon abgehalten wird, seinen unmittelbaren Wünschen zu folgen“, sagte der Kardinal wörtlich. Wahre Freiheit bestehe darin, mit dem freien Willen die Wahrheit zu suchen und das wahrhaft Gute zu wählen.

Die „anthropologische Revolution“ zerstöre die intellektuelle und moralische Erziehung, weil sie geistige und soziale Einstellungen schaffe, die den Menschen von sich selbst entfremden würde.

Die Aufgabe der Kirche bestehe darin, die falschen Ideologien zu entlarven. Identität sei nicht etwas, das wir uns selbst geben könnten. Sie komme von Gott. Indem der Westen sich weigere diese Identität anzunehmen, lehne er auch Gott ab. Die Kirche müsse die „anthropologische und moralische Krise“ unserer Zeit erkennen. In einer Situation, in der weltliche Institutionen versagen, wiege ihre Verantwortung noch schwerer, Lehre und Moral in klarer, eindeutiger und bestimmter Weise zu verkünden, betonte Kardinal Sarah.


© Foto: Paul Badde



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