Die Wut darf man vor das Kreuz bringen, nicht vor die Familie, die Ehe

14. November 2019 in Österreich


"Gott will unsere Mängel und Schattenseiten nicht eliminieren, sondern verwandeln!" - Ein Bericht von Linda Noé von der Vaterherzkonferenz in Salzburg


Salzburg (kath.net)
Am 9.11. fand bereits zum dritten Mal die jährliche und von der HOME Mission Base Salzburg (Teil der Loretto- Gemeinschaft) ins Leben gerufene „Vaterherzkonferenz“ in der gefüllten Salzburger Universitätsaula statt. Die beiden Hauptimpulse kamen von Bernadette Lang und Patrick Knittelfelder, beide Leiter der Mission Base. Am Programm standen außerdem noch Lobpreis, eine Experten- Interviewrunde mit Psychotherapeutin Dr. Dores Beckord-Datterl und dem Salzburger Bischofsvikar Gerhard Viehhauser, unterschiedliche Workshops und ein Heilungsgebet zum Abschluss.

Bernadette Lang eröffnet nach einer starken, musikalisch sehr professionellen Lobpreiszeit mit Musikern der Mission Base die Konferenz. Ihr Input behandelte die Vergebung, die immer ein Prozess auf mehreren Ebenen sei, kognitiv und emotional, aber mit einer grundsätzlichen Willensentscheidung beginnen würde. Das Gefühl würde mit der Zeit folgen, auch wenn es zu Beginn manchmal fast unvorstellbar scheine. „Der Wunsch nach Gerechtigkeit ist gut. Das Problem dabei ist: wir können nicht über andere richten. Wir handeln immer subjektiv. Endgültige Gerechtigkeit steht nur Gott zu, weil er allein der absolut Gerechte ist. Wir müssen warten bis Gott diesen Gerechtigkeitsausgleich schafft.“ Lang erwähnte das Beispiel eines jungen Mannes aus Ruanda, dessen gesamte Familie 1994 Opfer eines grausamen Genozids geworden war. Der Mörder seiner Familie wurde Bürgermeister in seinem Dorf, und selbst als der junge Mann auf dem Weg zum Priestertum und in Europa weit weg war, schnürte ihm der Wunsch nach Vergeltung sein Herz zu. Er konnte im Vaterunser „wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ nicht beten und seine Berufung war schwer geprüft, bis Gott in sein Leben hineinsprach und ein langer Prozess der Vergebung und Heilung begann.

Am Ende konnte der junge Mann Vergebung aussprechen, wurde zum Priester geweiht und ist heute so versöhnt, dass er in diesen Tagen der Tochter des Mörders seiner Familie die Ausbildung bezahlt. Eine Hilfe, um vergeben zu können, sei es, um die Umstände zu wissen und Gott um seine Ewigkeitsperspektive, seinen Blick auf diese Person zu bitten. Die grundsätzlichen Punkte zum Mitnehmen für die Besucher der Konferenz lauteten: „Es gibt keine perfekten Beziehungen, wir sehnen uns nach heilen Beziehungen, in vielen Familien fehlt Intimität. Negative Gefühle sind Warnblinker für tieferliegende Verletzungen, das revolutionäre am Christentum heißt: Vergebung, die ein wesentlicher Schlüssel für Heilung ist. Gott liebt uns nach Hause.“

In der folgenden Interviewrunde mit Psychotherapeutin Dr. Dores Beckord-Datterl und dem Pfr. Dr. Gerhard Viehhauser wurde ein kurzer Bogen zwischen dem geistlichen und dem psychischen Leben des Menschen gespannt, die beide zusammengehören. Pfr. Viehhauser, der viele Menschen seelsorglich begleitet, ermutigte dazu, eine Lebensgeschichte mit Brüchen anzunehmen, da sie wertvoll und heiliger Boden sei, den Menschen originell und liebenswürdig mache.

„Gott will unsere Mängel und Schattenseiten nicht eliminieren, sondern verwandeln!“ Gut zuzuhören sei eine Grundweisung für jeden Seelsorger, denn auch in der Heiligen Schrift beginnt alles mit einem „Höre!“. Seelsorge sei keine Therapie, nicht konfliktorientiert, sondern Begleitung und der Versuch zu zeigen, dass der Mensch ein Kind Gottes ist. Dr. Dores Beckord-Datterl erinnerte ihrerseits an die Wichtigkeit der frühkindlichen Bindung. Die erste Beziehungserfahrung bilde eine Grundinformation des Menschen darüber, wie Beziehung funktioniert. Jedes Kind sei trotzdem viel mehr als das, was seine Eltern hineingelegt hätten.

„Selbsterkenntnis des Heranwachsenden ist wichtig. Was war gut, was trägt mich? Mit diesen Schätzen müssen wir die offenen Fragen und Mängel angehen.“
Patrick Knittelfelder begann nach der Mittagspause mit einer Thematik, die ihm sichtlich am Herzen liegt, gleich mit einem klaren Statement: Persönlichkeitsentwicklung ist eine Kernkompetenz von Kirche! „Woran merkt man im alltäglichen Leben, dass du den neuen Menschen angezogen hast?“ Es sei ein Prozess, Christus ähnlicher zu werden, und die Kirche müsse sich auf diese Kompetenz dabei zu begleiten besinnen, wo bei jeder mit sich selbst anfangen müsse. Der erfolgreiche Unternehmer erzählte, dass es in weltlichen Persönlichkeitsseminaren darum ginge, sein persönliches Umfeld dahingehend auszutauschen, dass man sich nur mit Menschen abgebe, die dem persönlichen Erfolg dienen. In der Kirche ginge es jedoch darum, zu bleiben wo man sei und in seine Umgebung, in Jüngerschaft zu investieren. Knittelfelder erinnerte an Tertullian, der beeindruckt von den Christen wegen ihres Umgangs miteinander gewesen sei. „Seht wie sie einander lieben!“ Nur wer Liebe erfahren habe, könne diese auch weitergeben.

„Wir alle haben Defizite. Wir können Liebe und Familie auch übernatürlich erfahren, aber wir brauchen Leute, die sagen: ich halte das gemeinsam mit dir aus!“ dabei erwähnte Knittelfelder das Beispiel seines kleinen trotzigen Sohnes.

„Unhygienische Beziehungen können lange nachhängen, Einsamkeit und Identitätsverlust mit sich bringen.“ Manchmal gäbe es Trigger, die einen selbst nach langen Jahren und viel Arbeit an sich selbst wieder in eine alte Verhaltens- und Sichtweise bringen. „Ich mag dieses Lied aus dem Gotteslob: Hilf Herr meines Lebens, dass ich nicht zur Plage meines Nächsten bin.“

Als Tipps, wie man Liebe übernatürlich empfangen könne, nannte Knittelfelder „Sich selbst in der eigenen Not wahrnehmen, nicht wegschauen. Den äußeren Panzer kann ich aufgeben, weil ich weiß: ich berge mich in Gott. Die Wut darf man vor das Kreuz bringen, nicht vor die Familie, die Ehefrau und die Kinder.“ Dabei sei es immer von grundlegender Wichtigkeit, den eigenen inneren Garten zu bauen, das Vaterherz zu studieren, sich auch mit sich selbst zu beschäftigen- nicht als Nabelschau, sondern ganz nüchtern mit Stärken und Schwächen. Beziehungen in Ordnung zu bringen, zu bekennen und zu beichten.

Im Verlaufe des Nachmittags konnten sich die Teilnehmer der Konferenz für einen der drei Workshops zu den Themen „Identität und Selbstannahme“, „Falsche Gottesbilder ablegen“ und „Was wir von unseren Kindern lernen können“ entscheiden.

Abschließend fanden sich alle wieder in der großen Universitätsaula zusammen, wo in der letzten Stunde ein allgemeines Heilungsgebet mit der Möglichkeit, von Gebetsteams auch einzeln für sich beten zu lassen, sowie Lobpreis stattfanden. Exklusiv dürfen wir im Folgenden einen Mitschnitt vom Workshop „Falsche Gottesbilder“ mit Sabine Rödinger veröffentlichen.


Vortrag von Sabine bei der Vater-Herz-Konferenz 2019 from kath.net on Vimeo.


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