Die Gefahr, den Glauben zur Ideologie verkommen zu lassen

8. Oktober 2019 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: ‚unter der Bedingung dass’ – wer den Herrn begrenzen will, ist ein Ideologe. Gott ekelt sich vor nichts. Er ist gekommen, um zu heilen, er ist gekommen, um zu retten, nicht um zu verurteilen. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Die erste Lesung aus dem Buch Jona (Jona 3,1-10) stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von Papst Franziskus in seiner Predigt bei der heiligen Messe in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ am Dienstag der siebenundzwanzigsten Woche im Jahreskreis. Die Lesungen dieser Tage handelten von der konfliktreichen Beziehung zwischen Gott uns Jona.

Der Papst rief den vorangegangenen Abschnitt in Erinnerung, in dem wir vom ersten Ruf des Herrn lesen, der den Propheten nach Ninive senden will, um diese Stadt zur Umkehr aufzurufen. Doch Jona hatte den Befehl missachtet und war von Gott weggegangen, weil ihm diese Aufgabe zu schwer war. Er hatte sich dann nach Tarschisch eingeschifft und war während des vom Herrn verursachten Sturms ins Meer geworfen worden, „weil er an dieser Katastrophe schuld war“, aber dann wurde er von einem Wal verschluckt und nach drei Tagen und drei Nächten wieder an den Strand geworfen. „Und Jesus“, bemerkte Franziskus, „nimmt diese Gestalt von Jona drei Tage lang im Bauch des Fisches als Bild seiner eigenen Auferstehung“.

In der heutigen Lesung der zweite Ruf: Gott spreche wieder zu Jona und dieses Mal gehorche er, er gehe nach Ninive und jene Leute glaubten seinem Wort und wollten sich so sehr bekehren, dass Gott von dem Unheil absehe, das er ihnen angedroht habe. „Der störrische Jona, denn dies ist die Geschichte eines störrischen Mannes, der störrische Jona hat seine Arbeit gut gemacht“, so der Papst, „und dann ist er fortgegangen“. Morgen „werden wir sehen, wie die Geschichte endet, das heißt wie Jona böse auf den Herrn wird, weil er zu barmherzig ist und weil er das Gegenteil von dem tut, was er aus dem Mund des Propheten angedroht hatte. Jona tadelt den Herrn“:

„‚Ach Herr, habe ich das nicht schon gesagt, als ich noch daheim war? Eben darum wollte ich ja nach Tarschisch fliehen; denn ich wusste, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langmütig und reich an Huld und dass deine Drohungen dich reuen. Darum, Herr, nimm doch nun mein Leben von mir! Denn es ist besser für mich zu sterben als zu leben’. Es ist besser zu sterben, als diese Arbeit als Prophet mit dir fortzusetzen, der du am Ende das Gegenteil von dem tust, wozu du mich gesandt hast“.

Und Jona verlasse die Stadt, er baue sich eine Hütte und von dort aus warte er ab, was der Herr tun werde. Jona hoffe, dass Gott die Stadt zerstören werde. Der Herr lasse dann in der Nähe einen Rizinusstrauch emporwachsen, um ihm Schatten zu spenden. Doch bald lasse er diesen verdorren und absterben. Jona empöre sich erneut über Gott. „Du hast Mitleid mit einem Rizinusstrauch, für den du nicht gearbeitet und den du nicht großgezogen hast. Über Nacht war er da, über Nacht ist er eingegangen. Soll ich da nicht Mitleid haben mit Ninive, der großen Stadt?“, so der Herr.

Der Dialog zischen dem Herrn und Jona sei ein dichter Dialog, „zwischen zwei Dickköpfen“, so der Papst:

„Jona, stur mit seinen Überzeugungen vom Glauben, und der Herr, stur in seiner Barmherzigkeit: er verlässt uns nie, er klopft an die Tür des Herzens bis zum Ende, er ist da. Jona, stur, weil er den Glauben unter Bedingungen fasste. Jona ist das Modell jener Christen mit ihrem ‚unter der Bedingung, dass’, Christen mit Bedingungen. ‚Ich bin ein Christ, aber solange die Dinge so gemacht werden’ – ‚Nein, nein, diese Veränderungen sind nicht christlich’ – ‚Das ist Häresie’ – ‚Das ist nicht in Ordnung“ ... Christen, die Gott Bedingungen setzen, die den Glauben und das Wirken Gottes unter Bedingungen setzen“.

Franziskus betonte, dass das „unter der Bedingung, dass“ so viele Christen dazu bringe, „in ihren eigenen Ideen eingeschlossen zu sein und in der Ideologie zu enden: es ist der schlechte Weg vom Glauben zur Ideologie“. „Und heute gibt es so viele“, fuhr er fort, und diese Christen hätten Angst: „vor dem Wachsen, vor den Herausforderungen des Lebens, vor den Herausforderungen des Herrn, vor den Herausforderungen der Geschichte“. Dabei hingen sie, an „ihren Überzeugungen, an ihren ersten Überzeugungen, an ihren eigenen Ideologien“. Es seien dies die Christen, die „die Ideologie dem Glauben vorziehen“ und sich von der Gemeinschaft entfernten, „die Angst haben, sich in die Hände Gottes zu begeben und lieber alles verurteilen, doch nur nach der Kleinheit ihres Herzens“. Und Franziskus beendete seine Predigt:

„Die zwei Gestalten der Kirche heute: die Kirche jener Ideologen, die sich dort in ihre eigenen Ideologien ducken, und die Kirche, die den Herrn zeigt, der allen Realitäten nahe kommt, der sich nicht ekelt: die Dinge ekeln den Herrn nicht an, unsere Sünden ekeln ihn nicht an, er nähert sich so, wie er sich näherte, um die Aussätzigen, die Kranken zu streicheln. Denn er ist gekommen, um zu heilen, er ist gekommen, um zu retten, nicht um zu verurteilen“

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