Hörende Kirche?!

27. September 2019 in Spirituelles


„Die scharfen Ermahnungen etwa der hl. Katharina von Siena forderten nicht, dass Hirten und Papst ihr zuhören mögen, sondern dass die lehrende Kirche glaubhaft vorgelebt und unüberhörbar das Evanglium verkünde.“ Gastbeitrag von Angela Kirsch


Bonn (kath.net) „Hörende Kirche“ ist ebenso wie der „Dialog auf Augenhöhe“ zum vermeintlichen „must have“ der modernen und glaubwürdigen Kirche geworden. Kaum eine bischöfliche Äußerung, gleich auf welcher Ebene, erfolgt noch ohne das Signal, zum ebenbürtigen Dialog und grenzenlosem Zuhören bereit zu sein. Umgekehrt fordern viele Laienbewegungen zur Durchsetzung ihrer angeblichen Rechte das Zuhören des Klerus und meinen damit nicht eine Aufstockung der Beichtgelegenheiten. Schließlich vermengt sich alles, wenn kirchliche Gremien beanspruchen, Teil der hörenden Kirche zu sein und in den traurigen Zeiten der Mißbrauchskrise eine Veranstaltung nach der anderen aus dem Ärmel schütteln, um die Opfer zu hören. Nur dort, wo Kirche zuhört, scheint man ihr noch einen Restbestand ihres Anspruches zu gewähren, als verkündende Institution gehört zu werden.

Bei alledem scheint in Vergessenheit zu geraten, dass über Jahrhunderte die 'hörende' von der 'lehrenden Kirche' unterschieden wurde; letztere verkörpert durch die Hierarchie, erstere durch das Volk der Gläubigen. „Höre Israel, den Herrn deinen Gott! Es heißt nicht 'rede', sondern 'höre'“, hält der Heilige Ambrosius fest und kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass die Erbsünde auf mangelnde Hörfähigkeit zurückzuführen ist, da „Eva zu ihrem Mann etwas redete, was sie von Gott nicht gehört hatte. Die lateinische Vokabel für gehorchen – obaudire – verdeutlicht den hier unauflösbaren Zusammenhang zwischen Hören und Gehorsam.

Es ging bei der hörenden Kirche immer darum, das von der Kirche verkündete Wort Gottes zu hören und ihm gläubig und gehorsam zu folgen, niemals aber um die Verkehrung dessen und noch weniger ging es darum, dass mehr oder weniger Gläubige sich gegenseitig zuhörten. Die scharfen Ermahnungen der Heiligen Katharina von Siena zielten nicht darauf, dass die Hirten bis hin zum Papst ihr zuhören mögen. Im Gegenteil: Sie forderte, dass die lehrende Kirche glaubhaft vorgelebt und unnachgiebig und unüberhörbar das Evanglium verkündete.

Nicht einmal das 60er Jahre Konzil hat das Bezugsobjekt der hörenden Kirche ausgetauscht – auch wenn immer wieder versucht wird, dies mit dem dort hochgehaltenen Laienapostolat zu begründen. „Apostolicam actuositatem“, das Dekret über das Laienapostolat betont durchgehend, dass die apostolische Kraft der Laien von ihrer Gleichförmigkeit mit den Zielen der Kirche, ihrem christlichen Zeugnis und ihrem evangelischen Geist abhänge. Aber in den Evangelien findet sich keine „Dschieses“- Figur a la 70er Jahre, die schwermütig statt tiefsinnig ein „Sit-in“ mit seinen Freunden abhält und hierbei jeder mal von „seinen Problemen so“ berichten kann. Die Evangelien sind Botschaft, unzweideutige Ansagen, absolute Wahrheit, die Bergpredigt der bedeutendste Gesellschaftsentwurf, der jemals verkündet wurde. Und an keiner Stelle fragt Jesus die Anwesenden, was sie denn von seinen Ideen so hielten, nicht einmal bietet er auch nur an, eventuelle Änderungsvorschläge sich anzuhören.

Freilich: Seelsorger und ein jeder, der sich liebevoll kümmert, müssen zuhören können. Bedürftige, Zurückgesetzte, Einsame und Opfer der schlimmsten Verbrechen innerhalb der Kirche müssen gehört werden, Gräueltaten dürfen nicht vertuscht, die Täter nicht gedeckt werden. Aber für all dies gibt es ein gängiges Vokabular - Zuwendung, Barmherzigkeit, Aufklärung, Strafverfolgung. Die „hörende Kirche“ greift hier nicht. Änderungswünsche bezüglich der kirchlichen Lehre können vorgebracht werden. Sie aber mit dem Rekurs auf die „hörende Kirche“ durchsetzen und damit Volkes über Gottes Stimme stellen zu wollen, ist beinahe infam.

Eine Kirche, die sich zunehmend in die Rolle der Hörenden drängen läßt, verliert auf Dauer ihren eigentlichen Auftrag der Verkündigung. Evangelisierung müsste ganz oben auf der To do-Liste der Bischöfe stehen – kann doch ein Hirte, der auf jedes blökende Schaf hört und ihm in Aussicht stellt, selbst in die Rolle des Schäfers zu schlüpfen, seine Herde nicht dauerhaft zusammenhalten.


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