Zur Freiheit erkoren

25. September 2019 in Jugend


Die Liebe Gottes scheint wie die Kuppel des Petersdoms, mächtig und gewaltig, überall am Horizont zu erblicken - Die Jugendkolumne von kath.net - Diese Woche ein Beitrag von Dubravka Križić


Rom (kath.net)
In Rom gibt es eine Straße (Via Niccolo Piccolomini) mit einem wunderschönen und doch irrealen Blick auf die Kuppel des Petersdoms: wenn man sich der Kuppel nähert wird sie kleiner, wenn man sich von ihr entfernt wird sie größer. Es handelt sich um eine optische Täuschung, die dadurch entsteht, dass die Straße in Richtung Kuppel immer weiter wird, was die Kuppel kleiner erscheinen lässt. In die entgegengesetzte Richtung wird die Straße immer enger und kleiner und so wirkt die Kuppel umso größer, wenn man sich von ihr entfernt.

So sieht es wohl auch oft im Leben aus. Wenn man schon in die richtige Richtung läuft, warum wird das Ziel dann immer kleiner? Und läuft man dann doch in die andere Richtung wirkt das Ziel zwar greifbarer aber erreichen kann man es trotzdem nicht. Das Leben wirkt selbst wie eine optische Täuschung, ohne dass wir es merken. Wenn wir uns nur erheben würden und vom Himmel aus die Wege betrachten könnten; alles würde ganz klar und einfach werden, keine falschen Wirklichkeiten würden uns mehr von unserem Wege abbringen können, denn der Weg und das Ziel ist nur Einer.

Doch inmitten dieser Straße sieht man oft den Himmel nicht und die ganze Qual des irdischen Lebens verdeckt eine klare und freie Sicht auf die Dinge. Warum sollte der Mensch in dem ganzen Leid auch auf Gott vertrauen? Wenn Gott aber gut ist, ist dann nicht auch Sein Tun uns gegenüber gut?

In einem ihrer Briefe schreibt Flannery O´Connor: „Die ganze menschliche Natur sträubt sich hartnäckig gegen Gnade, denn Gnade verwandelt uns von Grund auf und es ist dieser Wandel, der schmerzhaft ist.“ (The Habit of Being: Letters of Flannery O´Connor)

Der Mensch gewöhnt sich an seinen Schmerz, seine Wunden, seine Schwächen und sein scheinbares Wohl. Er versteckt sich hinter jenen Dingen, denn er weiß nicht wer er ohne sie ist. Wenn man sein ganzes Leben lang Wunden in sich trägt, erkennt man sich selbst nicht mehr ohne sie. Wandel wirkt dann als würde unser ganzes Sein – wer und was wir sind – zunichte gehen, als würde uns unser Selbst genommen werden, als würden wir durch Gottes Gnade unseren freien Willen verlieren. Und doch, der Mensch allein weiß nicht frei zu sein. Wir lassen uns täuschen und werden blind für das was eigentlich wirklich ist. Gottes Gnade steht mitten vor unserer Tür und wir wollen das Klopfen nicht hören.
In einer von O´Connors Geschichten (The Violent Bear It Away) hört der junge Protagonist Tarwater eine Stimme, den Fremden, der später zu seinem Freund wird. Die Stimme sagt zu ihm, er müsse endlich eine Entscheidung treffen, woraufhin Tarwater antwortet: „Ja, entscheiden...zwischen Christus und dem Teufel.“ Die Stimme erwidert darauf: „Nein! Die Entscheidung liegt nie zwischen Christus und dem Teufel, sondern zwischen Christus und dir selbst.“

Es ist die Stimme des Bösen, die uns einflößen möchte, dass der Weg mit Christus eine Entscheidung gegen uns selbst ist. Gott aber hat uns nicht erschaffen um nicht zu sein. Er hat uns nicht geformt um formlos zu sein. In ihren Geschichten beschreibt O´Connor den Menschen in seiner äußersten und abscheulichsten Empörung Gott gegenüber. Es sind düstere und unheimliche Erzählungen, denn der Mensch, der Gott nicht will und Ihn auslässt, verfällt in die Hände des Bösen. Durch diese schaurige Darstellung des Falls des Menschen zeigt O´Connor, dass wir ohne Gott nicht frei sein können und dass wir, gerade um Mensch zu sein, Gott brauchen.

Die Liebe Gottes scheint wie die Kuppel des Petersdoms, mächtig und gewaltig, überall am Horizont zu erblicken. Wir jedoch laufen auf der Straße und meinen sie nie erreichen zu können. Hierin sind wir nicht frei. Alleine schaffen wir es nicht, uns zu erheben. Jesus sagt: „Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wahrhaft meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch befreien.“ (Joh 8,32)
Christus ist Weisheit, Er selbst ist die Wahrheit, die uns aus diesen Fesseln befreit und uns erhebt damit wir sehen wer wir wirklich sind, ohne all den Schmerz und die Bürden.

Er lässt uns in dem unendlichen Ozean Seiner Liebe versinken und hier sind wir wirklich frei, denn indem wir uns in Ihm verlieren, finden wir uns selbst.



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