Wahl 2019: Wie die ÖVP zu kirchlichen Positionen steht

19. September 2019 in Österreich


ÖVP-Nationalrätin Kugler: "Es ist in einigen Ländern bereits möglich, depressive Menschen oder auch Kinder und Jugendliche zu 'euthanasieren', und ein hoher Prozentsatz der Menschen wird gar nicht gefragt" - Mehr Einsatz gegen Christenverfolgung


St. Pölten (kath.net/KAP) Die Katholische Aktion (KA) der Diözese St. Pölten hat im Vorfeld der Nationalratswahlen am 29. September die Aktion "Mit der KA im Gespräch" ins Leben gerufen. KA-Präsident Armin Haiderer befragt dazu wöchentlich einen Parteienvertreter zu Themen rund um Religion und Glaube, aber auch zu sozialen Fragen oder zum Thema Umwelt. Medienpartner ist die St. Pöltner Kirchenzeitung "Kirche bunt", die jede Woche Auszüge aus den Interviews bringt. Diese Woche stellte sich die Nationalratsabgeordnete Gudrun Kugler von der ÖVP den Fragen. Den Vorwurf - auch von Theologen - die ÖVP hätte ihre Wurzeln verloren und verdiene das Prädikat "christlich-sozial" nicht mehr, wies Kugler dabei zurück: "Christlich-sozial ist unsere Identität."
Die Volkspartei sei dem christlich-sozialen Menschenbild verpflichtet. Der ÖVP sei es wichtig, "den arbeitenden Menschen zu entlasten, damit sich Arbeit lohnt", betonte die Nationalratsabgeordnete. Dass in der Arbeit Würde liegt, sei auch ein christlich-soziales Prinzip, Ähnliches gelte auch beim Thema Flucht. Kugler: "Wir schicken niemanden ins Elend aber wir wollen, dass die Menschen motiviert sind, sich selbst zu helfen und Verantwortung zu übernehmen." In der Flüchtlingsfrage halte sich die ÖVP an die Genfer Flüchtlingskonvention, wie Kugler erklärte. Qualifizierte Zuwanderung solle möglich sein, "unkontrollierte Migration wollen wir aber nicht zulassen."

Die Politikerin sprach sich weiters für den Schutz des arbeitsfreien Sonntags aus. In der Diskussion müsse man zwar die Anliegen des Handels und der Wirtschaft verstehen, die einem großen Druck von Seiten des Online-Bereichs ausgesetzt sei. Die Aufgabe des freien Sonntags sei jedoch keine Lösung, so Kugler.

Die Abgeordnete bekräftigte indessen auch die ÖVP-Forderung eines verpflichtenden Ethikunterrichts für all jene, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen. "Seine Einführung wird den Religionsunterricht unterstützen, weil dieser dann nicht mehr mit einer Freistunde konkurriert", so Kugler. Nachsatz: "Wenn die ÖVP gewählt wird und wieder mitgestalten kann, kommt der Ethikunterricht rasch."

Kugler bekräftigte auch den Einsatz der Volkspartei für das Kreuz in öffentlichen Räumen und Schulklassen: "Das Kreuz ist gewissermaßen das Logo Europas und steht auch für Österreichs Identität." Wenn man ein Kreuz entferne, stelle die weiße Wand dahinter auch ein politisches Statement dar, betonte Kugler: "Es gibt keine Antwort für euch, kein Woher, kein Wohin, keine Hoffnung, nichts das über das Jetzt hinausgeht."

Ideologiefreier Aufklärungsunterricht

Der Initiative "Fakten helfen", die die Einführung einer anonymen Statistik und freiwilligen Motiverforschung über Schwangerschaftsabbrüche fordert, um Schwangeren besser helfen zu können, steht Kugler positiv gegenüber. "Wenn man alle zwei Jahre einen entsprechenden Bericht dem Parlament vorlegen könnte, dann könnte das Parlament Maßnahmen überlegen, um die Menschen konkret zu unterstützen", erklärte die ÖVP-Politikerin.

Handlungsbedarf ortete die Politikerin auch beim Thema eugenische Indikation, also der derzeit bestehenden Möglichkeit einer Abtreibung bis knapp vor der Geburt bei vermeintlicher Behinderung eines Kindes. Kugler: "Wir haben in Österreich ein Gesetz, das seit 40 Jahren niemals evaluiert worden ist und doch viele Menschen in dramatischen Situationen betrifft". Antidiskriminierung werde heute großgeschrieben "und es ist nicht mehr zeitgemäß zwischen ungeborenen Menschen mit oder ohne Beeinträchtigungen zu unterscheiden". Wer einem ungeborenen Menschen das Leben aufgrund einer Behinderung abspricht, tue es indirekt auch beim Geborenen.

Meistens denke man bei der eugenischen Indikation an extreme Beispiele von Lebensunfähigkeit. Tatsächlich bestehe aber die Möglichkeit zur Spätabtreibung bis zur Geburt auch bei Diagnosen, mit denen man recht gut leben könnte, wie Kugler meinte, wie Blindheit oder bei Down-Syndrom. Kugler: "Es gibt heute in Österreich fast keine Menschen mehr mit Down-Syndrom, erfahrungsgemäß trifft man sie am ehesten noch in gläubigen Familien an. Da muss man sich schon die Frage stellen, wie genau wir es damit nehmen, dass niemand aufgrund einer Behinderung schlechter gestellt werden, also nicht diskriminiert werden soll."

Zum Thema Aufklärungsunterricht sagte die Politikerin, dass ein solcher die großen Fragen des Lebens und der Liebe ideologiefrei aufgreifen müsse. Sexualkunde sollte nicht mit politischen Agenden vermischt werden. Beim Thema Familie ortete Kugler noch Nachholbedarf, da dieses im herkömmlichen Sexualkundeunterricht oft nicht vorkomme, "geschweige denn, was man selbst dazu beitragen kann, dass Familie gelingt."
Zum VP-Familienbild befragt antwortete die Abgeordnete: "Wir haben ein Familien-Leitbild, nämlich jenes von Mann und Frau mit Kindern. Durch ein Leitbild schließen wir aber gleichzeitig niemanden aus, der anders lebt."
Zur Sterbehilfe-Diskussion bekräftigte Kugler die ablehnende Position der ÖVP. In Ländern, in denen die Sterbehilfe erlaubt ist, etwa in Belgien, Holland oder Kanada, sei der Dammbruch deutlich sichtbar: "Es ist in einigen Ländern bereits möglich, depressive Menschen oder auch Kinder und Jugendliche zu 'euthanasieren', und ein hoher Prozentsatz der Menschen wird gar nicht gefragt." Wo Euthanasie möglich ist, würden Krankenkasse, Staat und Versicherungen viel Geld sparen. Forschung im Palliativbereich werde weniger wichtig und dadurch mit weniger finanziellen Mittel ausgestattet, warnte Kugler: "Das sind Zustände die wir in Österreich nicht haben wollen."

Gutes Modell Staat-Kirche

Ihr Verständnis der Trennung von Kirche und Staat bestehe darin, so Kugler weiter, dass es eine institutionelle Trennung, "also, dass etwa der Kardinal von Wien nicht den Bundeskanzler bestätigt, Gesetze freigibt oder der Bundespräsident die Bischöfe einsetzt". Das bedeute aber nicht, dass es keine Berührung zwischen Staat und Kirche geben sollte. "In Österreich haben wir uns für ein Modell des Miteinanders mit den Religionsgemeinschaften, allen voran mit der Katholischen Kirche, entschieden. Das ist ein sehr gutes Modell. Dazu zählt auch das Konkordat", meinte Kugler.

Würde man die Katholische Kirche aus dem Freiwilligensektor, aus dem Sozial- und Bildungsbereich wegdenken, würde vieles sofort zusammenbrechen. Dies müsse von der Politik wahrgenommen und auch geschätzt werden. Auch die Positionen der Religionen und der Katholischen Kirche seien für die Politik sehr wichtig. "eine gute Gesprächsbasis zwischen Kirche und Parteien" sei darum essentiell.

Mehr Einsatz gegen Christenverfolgung

Als ein großes Anliegen erklärte Kugler den Einsatz gegen die weltweite Christenverfolgung. Für dieses Thema brauche es auch mehr öffentliche Aufmerksamkeit. Kugler kritisierte, dass es aktuell politisch nicht korrekt wäre, sich für Christen einzusetzen. Kugler: "Man muss die Reaktionen von Politikern auf die Anschläge auf Moscheen in Christchurch und auf katholische Kirchen in Sri Lanka vergleichen: Sehr viele Politiker - so wie auch ich - haben auf Facebook die Anschläge Christchurch verurteilt. Auf Sri Lanka hat nahezu niemand reagiert." Der fehlende Aufschrei des Westens habe die Christen vor Ort ziemlich verstört.

Kugler sprach sich dafür aus, "dass vor allem die Europäische Union das Thema vielmehr in ihrer Außenpolitik aufnehmen würde". So sollte bei Handelsverträgen, bei denen immer wieder politische Bedienungen geäußert werden, Religionsfreiheit als Bedingung vorkommen.

Zum Thema Klimaschutz verwies die Politikerin auf ein breites ÖVP-Konzept für die CO2-Reduktion und die Förderung von erneuerbaren Energien. "Wir wollen in die Forschung rund um den Wasserstoff investieren. Höhere Steuern wollen wir nicht einführen, denn höhere Steuern auf CO2 belasten selbst bei einem Ökobonus vermehrt sozial Schwache, die sich z.B. eine moderne Heizung nicht leisten können, oder Pendler, die ohne Auto nicht in die Arbeit fahren können." Klimaschutz brauche jedenfalls eine Verhaltensänderung hin zu mehr Bescheidenheit.

Kugler nimmt Kurz in Schutz

Auf die Turbulenzen rund um den Auftritt von Sebastian Kurz im Juni beim christlichen Ökumene-Großevent "Awakening Austria" in der Wiener Stadthalle angesprochen, nahm die Abgeordnete ihren Parteichef in Schutz: "Ich finde es gut, wenn Politiker an christlichen Großevents teilnehmen. Denn dort sind Menschen mit wichtigen Anliegen." In fast jeder katholischen Messe bete man in den Fürbitten für Politiker, erinnerte Kugler: "Was mich verwundert ist, dass sich jene Leute, die sich so darüber aufregen, gerade jene sind, die mit dem Christentum am wenigsten zu tun haben." Dass bei einem überkonfessionellen Event anders gebetet wird als traditionell bekannt, "damit müssen wir umgehen lernen". Gerade hier wäre Toleranz, die sonst überall eingefordert wird, auch angebracht.


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Foto (c) Gudrun Kugler


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