„Aufgabe der Kirche ist, auf goldene Kälber unserer Zeit hinzuweisen“

19. September 2019 in Spirituelles


Weihbischof Schwaderlapp zitiert in Predigt Kard. Höffner, „die Anderen mögen ihre Leibesfrucht verstoßen, wir dagegen nicht!... In anderen Konfessionen gibt es keinen Zölibat“, aber Höffner mahnte: „Wir dagegen!“


Köln (kath.net) kath.net dokumentiert die Predigt von Weihbischof Dominikus Schwaderlapp im Hohen Dom zu Köln am 15.9.2019 in voller Länge (leicht überarbeitete Verschriftlichung einer frei gehaltenen Predigt) und dankt für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung.

Veni, sancte spiritus!

I.
Verehrte liebe Schwestern und Brüder in Christus dem Herrn!

Die Texte des heutigen Sonntags aus der heiligen Schrift führen uns hinein in das Urdrama der Menschheit. Protagonisten dieses Dramas sind auf der einen Seite Gott der Schöpfer, der Retter, der Gütige, der Barmherzige und auf der anderen Seite der Mensch, der sich all zu leicht vom Versucher versuchen und verführen lässt, der sich all zu leicht in seine eigene Welt flüchtet, seines eigenes Glückes Schmied sein möchte und sich von Gott trennt. Doch Gott lässt den Menschen nicht allein. Es ist ein Kampf um Gut und Böse.

Liebe Schwestern und Brüder, das ist nicht irgendein Drama, sondern dieses Drama spielt sich in Ihrem und in meinem Leben genauso ab. Denn auch in unserem Inneren geht es immer darum, den Ruf des guten Gottes zu hören und den Versuchungen, die uns manchmal auch umgeben, zu widerstehen. Es lohnt sich also ein wenig tiefer in dieses Drama einzusteigen und es zu betrachten. Das Drama umfasst 3 Akte.

II.

1. Akt: Versuchung

Sündigen macht Spaß – zumindest im ersten Augenblick, sonst würde keiner sündigen. Und der Mensch lässt sich leicht dazu verführen ohne an den „Kater“ am nächsten Tag zu denken. Die katastrophalen Folgen werden ausgeblendet.

Schauen wir in das Buch Exodus, aus dem wir eben gehört haben. Da ist Mose auf dem Berg Sinai und empfängt gerade die Bundesurkunde, die Grundlage des Bundes Gottes mit seinem Volk; und sein Volk fängt an eine Kuh anzubeten und wendet sich ab. Was ist die Versuchung? Nicht warten bis endlich dieser Mose aus der Wolke zurückkehrt, sondern etwas Eigenes machen und zwar sofort – und das anbeten – einen Gott nach eigener Vorstellung. Die anderen Völker haben ja auch solche Standbilder, die sie anbeten; warum sollen wir das nicht auch haben? Und so erliegen sie der Versuchung.

Kardinal Höffner hat auch immer wieder von der Versuchung gesprochen, so sein zu wollen wie die Anderen. Und in seiner prägnanten Art sagte er dann gerne: „Die Apostel haben gesagt, die Heiden beten andere Götter an, wir dagegen nicht. Die Anderen mögen ihre Leibesfrucht verstoßen, wir dagegen nicht!“ Unsere Versuchung ist es, uns anzupassen. „Die anderen müssen doch nicht zur Kirche gehen, zum Sonntagsgottesdienst: Wir auch nicht! Die Anderen müssen doch nicht zur Beichte gehen: Wir auch nicht! In den anderen Konfessionen gibt es doch keinen Zölibat: Wir wollen ihn auch nicht: Kardinal Höffner mahnt uns hingegen zu sagen: „Wir dagegen!“

Der verlorene Sohn, er hat eigentlich alles, was er braucht, ein geborgenes Zuhause in Wohlstand und Wohlergehen. Aber irgendwie möchte er jetzt und sofort den Spaß haben, den er sich erträumt ohne an die Folgen zu denken. Der Versucher arbeitet immer mit der Zeit. Er verspricht uns Glück im Hier und Jetzt. Das „Kleingedruckte“ lässt er uns vergessen. Wie können wir dieser Versuchung entgehen? Respice finem! Achte auf das Ende! Wenn wir vor Entscheidungen stehen, fragen wir nicht nach dem Moment, sondern was bedeutet das dauerhaft? Wohin führt denn dieser Weg, den ich beschreite?

Und dafür, liebe Schwestern und Brüder, gibt es einen kleinen Trick. Wenn wir uns gute Vorsätze nehmen, nehmen wir uns die gerne für morgen, nicht für heute. Der Versucher hingegen fordert: Jetzt und sofort musst du mir zustimmen. Drehen wir den Spieß um. Sagen wir dem Versucher: Morgen! Und zum guten Vorsatz: Jetzt! Und die Erfahrung zeigt, dass sich dann die Versuchung oft in Luft auflöst.

2. Akt: Rettung

Gott lässt den Menschen nicht in der Versuchung allein. Und selbst wenn er der Versuchung nachgibt, lässt Er den Menschen nicht allein. Er ist bei Seinem Volk. Und Mose ist es, der die Versöhnung, die Rettung durch Gott vermittelt. Er tritt vor Gott für sein Volk ein und „erinnert“ Gott – menschlich gesprochen – an seine Barmherzigkeit. Aber er tritt auch vor seinem Volk für Gott ein und erinnert sein Volk an die eigene Untreue und die Treue Gottes. Der langjährige Chefredakteur unserer Kirchenzeitung, Erich Läufer, kommentierte einmal zu dieser Stelle aus dem Buch Exodus: „Hätte damals Mose auf das Volk gehört, würden wir heute noch ein Kalb anbeten.“ Ja, es ist auch Aufgabe der Kirche, auf die „goldenen Kälber“ unserer Zeit hinzuweisen, auch, wenn das unbeliebt ist. Beten wir, darum bitte ich Sie dringend und herzlich, für alle Glieder der Kirche und besonders auch für uns Bischöfe, dass wir dieser Sendung gerecht werden, sie annehmen, nicht aus Furcht schweigen, sondern zur Wahrheit stehen.

Schauen wir auf den verlorenen Sohn. Er rechnet eigentlich gar nicht damit, dass er wieder in seine Sohneswürde eingesetzt wird. Aber er weiß, dass es den Tagelöhnern seines Vaters besser ergeht als ihm, und so kehrt er heim. Und mit offenen Armen wird er erwartet. Liebe Schwestern und Brüder, Gott ist groß! Aber seine Barmherzigkeit ist noch größer! Vertrauen wir dieser Barmherzigkeit, denn Gottes Barmherzigkeit kennt keine Grenzen.

Ich habe mich dieser Tage ein wenig mit der heiligen Schwester Faustyna Kowalska auseinandergesetzt, jener polnischen Mystikerin, die 1938 in Krakau gestorben ist. Zu ihr sprach Christus immer wieder, und sie schrieb das auf. Und eines dieser Worte Jesu berührte mich sehr. Dort sagt Er ihr: „Oh, wie sehr mich das Misstrauen einer Seele verletzt. Eine solche Seele bekennt, dass ich heilig und gerecht bin. Doch glaubt sie nicht, dass ich die Barmherzigkeit bin. Sie glaubt meiner Güte nicht.“

Liebe Schwestern und Brüder, vertrauen wir der Barmherzigkeit Gottes. Nirgendwo ist diese Güte und Barmherzigkeit Gottes so erlebbar wie in der Feier des Bußsakramentes. Lassen wir uns doch dort von dieser Güte Gottes in den Arm nehmen.

3. Akt: Versöhnung

Versöhnung bedeutet mehr als Rettung. Es ist ja nicht so, dass der verlorene Sohn jetzt zu Hause nur irgendwie überlebt hat – nein: Er erhält Ring, Sandalen und Gewand. Er wird wieder in die Sohneswürde eingesetzt. In Versöhnung steckt ja das Wort Sohn. Er wird erhoben.

Denken wir an den Apostel Paulus: Er, der Christus und die Christen verfolgt hat, der ein Mörder war, er wird zum Völkerapostel! Christus erhebt ihn und macht ihn zu seinem besonderen Werkzeug. Und darüber jubiliert der Apostel dankbar.

Liebe Schwestern und Brüder, haben wir keine Angst vor der Umkehr! Haben wir keine Angst vor der Versöhnung. Gott kann uns groß machen, egal, was wir gemacht haben. Schauen wir nach vorne! Gehen wir zu Ihm, stehen wir auf, immer wieder. Und Gott wird uns so formen, wie Er es will. Das ist die göttliche Wendung dieses menschlichen Dramas! „O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast Du gefunden“, so singen wir im Exsultet am Osterfest. Es gibt keine verlorenen Seelen auf Erden. Gottes Stärke ist größer als alle menschliche Schwäche. Das einzige, was wir nötig haben, ist Ehrlichkeit, Umkehr und Vertrauen in Gottes Barmherzigkeit.

Liebe Schwestern und Brüder, das sind die wesentlichen Akte dieses Urdramas, welche sich in jeder Seele abspielen: die Versuchung, die Rettung, die Versöhnung. Nehmen wir das Wort des Apostels Paulus an, und nehmen wir es mit in den Alltag hinein, der uns zuruft: „Wir sind also Gesandte an Christi Statt und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi statt: Lasst Euch mit Gott versöhnen“ (2Kor 5,20).

AMEN

+Dominikus Schwaderlapp
Weihbischof in Köln

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Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp/Predigt im Kölner Dom: ´Es ist Aufgabe der Kirche, auf die goldenen Kälber unserer Zeit hinzuweisen´


Archivfoto Weihbischof Schwaderlapp (c) Erzbistum Köln


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