Auch der blinde Bartimäus hat laut nach Jesus gerufen

19. Juli 2019 in Kommentar


Was nicht alles auf einmal alles dringend erscheint- oder unmerklich Zeit verschwendet, sollte man sich eine halbe Stunde Gebetszeit eingeplant haben - BeneDicta am Freitag von Linda Noé


Linz (kath.net)
Eins DER Themen des christlichen Lebens ist wohl unbestritten das Thema „Gebet“. Absolut faszinierend ist es, weil es die Grundlage unseres Lebens in der Nachfolge Jesu, unser persönlicher Kontakt zu Gott ist, und natürlich deshalb heiß umkämpft. In jeder, absolut JEDER Familie mit der ich jemals gesprochen habe, egal wie stark oder wie lange sie schon auf dem Weg des Glaubens waren, kennt man das Problem. Der ganz normale Alltagswahnsinn bricht sofort los, sollte man sich anschicken gemeinsam als Familie beten zu wollen. Das Kleinkind brüllt, der Ehepartner ist gerade furchtbar gestresst, die Größeren jammern, die unfertige Schulaufgabe fällt ein, der alte Streit vom Vormittag flammt auf. Oder man hat einfach nur das Gefühl, dass alles super zäh und anstrengend ist. Auch nur als Ehepaar und selbst ganz alleine: was nicht alles auf einmal alles dringend erscheint- oder unmerklich Zeit verschwendet, sollte man sich eine halbe Stunde Gebetszeit eingeplant haben.

Auch in den durchschnittlichen Klickzahlen auf kath.net wird es sich üblicher Weise bemerkbar machen- super spannend klingt etwas über „Gebet“ als Headline durchschnittlich nicht- da liest es sich schon viel interessanter über die Sünden und Probleme und Aufreger des Nächsten. Auch mit Freunden, von denen man weiß, dass sie Christen sind und mit denen man vielleicht auch regelmäßig über Kirchenpolitik spricht, betet es sich im ganz normalen Zusammensein oft nicht gerade selbstverständlich.

Erzählt einer ein Problem, wird man nicht in jedem Fall sehen, dass ein anderer einfach mal eben darauf antwortet: „Komm, beten wir jetzt gleich gemeinsam in diesem Anliegen!“ Eigentlich verrückt, nicht?

Ein Priester hat in einer Katechese vor über zehn Jahren einmal etwas gesagt, das ich nie vergessen habe: seine Erfahrung sei, dass viele Leute in der Beichte die ihnen sehr peinlichen Sünden- meistens die im sechsten Gebot- oft mit etwas „Unverfänglichem“ einleiten, was für sie leichter auszusprechen ist, etwas wie: „ich bin im Gebet unandächtig gewesen“. Aber gerade für diese leichthin gebeichtete Sünde, rüttelte der Priester auf, werde man am Ende vielleicht „gehenkt“, weil sie die Wurzel von alles anderem sei. Harte Worte? Durchaus. Bedenkenswert? Ich finde schon!

Spannend finde ich, dass tatsächlich JEDER Mensch betet, selbst wenn einer sich als Atheist bezeichnen würde: denn wem wäre noch nie ein „bitte lass das jetzt funktionieren..!“ heraus gerutscht? Dabei zeigt sich so schön, dass sich das Gebet immer an ein DU richtet, ganz egal welche Art und Weise zu beten wir für uns gefunden haben (und da gibt es ja unzählige…!). Diese simple Tatsache mit dem DU sollte man nie vergessen, besonders wenn man sich schon länger im Gebet übt…!

Außerdem ist interessant, dass die meisten Menschen, auch wenn sie nicht gerade überzeugte Christen sind oder mit Religion prinzipiell nicht viel am Hut haben, meiner Erfahrung nach nichts dagegen haben werden, im Gegenteil sogar dankbar sind, wenn man ihnen Fürbittgebet anbietet.

Gebet hat viele verschiedene Bedeutungen für Menschen, aber die grundlegende Erfahrung ist wohl genau diese, der Bitte. Kinder beten so, und auch Menschen, die sich ansonsten nicht viel mit dem Thema auseinandersetzen. Das ist sozusagen einfach in unserem Programm als Mensch. Auch im „Vater unser“, das uns Jesus selbst beigebracht hat, gibt es gleich einige Bitten: um Brot, Verzeihung, Schutz. Wir sind als Christen Kinder Gottes, und Ihn zu bitten, in der Erwartung, eine Antwort zu erhalten, ist unser ureigenstes Privileg.

Ich glaube, dass es eine Versuchung sein kann, dieses ganz einfache Bittgebet, für sich selbst und andere, zu vernachlässigen. Vielleicht gerade einfach weil sich schon länger im Gebet übt, oder weil man, besonders im Leiden, daran verzweifelt oder ermüdet, dass Gott doch sowieso sehen muss, was wir brauchen, und warum man nicht einfach darauf vertrauen kann, dass Sein Wille geschieht. Aber auch der blinde Bartimäus ist nicht nur still in der Menge gesessen und hat auf ein Wunder gehofft. Er hat laut nach Jesus gerufen und musste ihm dann auch die Frage beantworten, was er denn von Jesus wünsche.

Ich habe kürzlich das neueste Buch von Pete Greig gelesen, das bisher leider noch nicht auf deutsch erschienen ist. Es trägt den für mich sehr ansprechenden Titel, frei von mir übersetzt: „Wie man betet. Ein einfacher Leitfaden für normale Menschen“. Darin beschreibt der Autor drei Gründe, aus denen Gott möchte, dass wir Ihn bitten:
Weil der Akt, um etwas zu bitten, eine Beziehung beinhaltet, was beim bloßen „sich etwas Wünschen“ nicht der Fall ist. Jesus ist immer mehr an Beziehung interessiert als daran, Segen über eine gesichtslose Menschenmenge auszugießen. Er sprach mit den Menschen und sah auch ihre praktischen Bedürfnisse.

Als er ein Mädchen von den Toten erweckt hat, war sein erster ganz praktischer Auftrag, ihr etwas zum Essen zu geben.

Der zweite Grund ist, dass es Verletzlichkeit bedeutet. Wenn wir Gott bitten, geben wir damit auch zu, bedürftig zu sein. Es verlangt Vertrauen gegenüber der Person, die wir um etwas bitten. Das kann mehr oder weniger schwer wiegen- je nachdem ob wir die Verkäuferin um Kartoffeln oder den Arzt um unsere Heilung bitten.

Der dritte Grund ist, weil die Tatsache, dass wir um etwas bitten, unseren Willen und unsere Intention beinhaltet. Gott hat uns eben nicht als Roboter programmiert, die dem genetischen Code des Schöpfers nicht widerstehen können. Er möchte unseren freien Willen beteiligt haben. Er kommt, wenn er willkommen ist, und er wartet mit der Antwort darauf, gerufen zu werden. Manchmal denken wir, dass Gott der große Diktator wäre, und würden das eventuell auch ab und an vorziehen, aber in Wahrheit ist Seine göttliche Natur nicht zu dominieren, zu unterjochen und zu kontrollieren, sondern zu dienen, zuzuhören und zu befähigen.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich, besonders wenn ich momentan unter etwas leide, schon länger um etwas bete und darüber frustriert bin, oder auch einfach nur ganz generell genervt bin, in so manchem Moment schwer die Demut aufbringe um schlicht und kurz zu beten: „Bitte Jesus hilf mir. Sorge Du, ganz konkret.“ Etwas später, ja…! Aber in diesem Moment…! Auch bin ich immer mal wieder schnell geneigt, über Situationen zu lächeln, in denen Menschen um ganz kleine oder simple Dinge konkret beten, wie das Wetter oder die richtige Idee für ein Geburtstagsgeschenk. Da merke ich, dass die Sicherheit darüber, dass Gott sich nicht nur um die großen Probleme der Menschheit, sondern auch um mein ganz persönliches kleines Anliegen an diesem Tag kümmert, eventuell nicht so wahnsinnig groß ist, wie ich es gerne hätte. Aber gerade auch die Gebete um die vielen kleinen Dinge des Alltags halten uns in Beziehung zu Gott- Weinstock und Reben. Wir werden Ihm gegenüber dankbar auch für die so genannten Kleinigkeiten, geben Stolz und Kontrollsucht auf. Und wir dürfen Wunder erleben, die wir nicht erkannt hätten, hätten wir nicht um etwas gebeten!

In diesem Sinne möchte ich alle Leser mit diesem Beitrag ermutigen, heute, vielleicht auch die ganze Woche, für drei konkrete Dinge Gott zu bitten, in eigenem oder im Anliegen eines anderen.

Danke, Jesus, dass wir in Deinem Namen beten dürfen, und dass der himmlische Vater uns hört.


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