„Warum man den Islam nicht kritisieren darf, es aber durchaus sollte…“

15. Juli 2019 in Kommentar


„Für das Klima wird uns ein Schreckensszenario präsentiert: Tropische Hitze in Deutschland, geschmolzene Gletscher, erhöhter Meeresspiegel. Doch wenn es um den Islam geht, hat Kassandra plötzlich Hausverbot.“ Gastkommentar von Michael Hesemann


München (kath.net) Kaum kritisierte ich Schönfärberei und Geschichtsklitterung in einer Arbeitshilfe der DBK zum Thema Rechtspopulismus, schon bekam ich ein Etikett angeheftet. Ich sei also auch ein „Islamkritiker“, hieß es. Bin ich das? Schlagworte wie dieses sind der erste Schritt zur Marginalisierung. Sie wollen sagen: „Mit dem brauche ich mich gar nicht mehr auseinanderzusetzen, der ist ohnehin pfui!“ Und genau mit solchen Etikettierungen arbeiten auch totalitäre Systeme. „Konterrevolutionär!“ hieß es im Kommunismus. Im Nationalsozialismus mussten Juden den gelben Davidstern tragen, damit man sofort wusste: Da ist er, der Erzfeind. Gebt ihm keine Chance, sich als ganz normaler Mitbürger zu erweisen. Und diese Marginalisierung ist unser größter Fehler, denn sie verhindert, dass wir uns mit ganz realen Problemen offen und vorurteilsfrei auseinandersetzen.

Dabei ist Apokalypse, ja sogar Panikmache anderswo gerade angesagt. Uns wird ein Schreckensszenario präsentiert von dem, was in 30, 40 Jahren sein würde: Tropische Hitze in Deutschland, geschmolzene Gletscher und Eisdecken, erhöhter Meeresspiegel, „Land unter“ in Hamburg, Amsterdam und Manhattan. Da haben Schwarzseher Hochkonjunktur. Wendet man als Historiker ein, dass sich solche Wärmezyklen alle tausend Jahre wiederholen und Folgen der Sonnenaktivität ist, wird man schnell als „Klimaleugner“ abgestempelt, was ganz nah an „Auschwitzleugner“ herankommt und mittlerweile eine ähnliche gesellschaftliche Ächtung bedeutet. Auch renommierte Wissenschaftler, die den Klima-Hype nicht mitmachen, werden einfach nicht angehört. Jetzt sollen die Steuern erhöht werden, um das Klima zu retten, was natürlich der allergrößte Unfug ist, denn am allerwenigsten lässt sich mit Steuergeldern das Klima beeinflussen.

Doch wenn es um den Islam geht, hat Kassandra plötzlich Hausverbot. Dabei ist es doch keine Frage: In Deutschland hat 2015 das größte und riskanteste bevölkerungspolitische Experiment unserer jüngeren Geschichte stattgefunden. Infolge der „Flüchtlingskrise“ hat man rund 2 Millionen Menschen angesiedelt, die einer anderen Kultur und anderen Religion angehören, deren Werte oft andere sind als die Unsrigen. Das ist ein Faktum, gleich, ob man das nun toll findet oder nicht so sehr. Ebenso ist keine Frage, dass das Folgen haben wird. Der Zuzug einer einzigen Familie kann eine Nachbarschaft verändern, der Zuzug von 2 Millionen natürlich ein ganzes Land. Die Frage ist nur, wie diese Menschen unser Land verändern werden; dass sie es tun werden, steht außer Frage. Auch die Politik sollte sich dafür interessieren, was uns bevorsteht, womit sie in 10, 20, 30 oder 40 Jahren rechnen muss. Natürlich kann man vom allerbesten Szenario ausgehen: Dass die alle ihre Religion als Privatsache verstehen, gutes Deutsch lernen, sich Jobs suchen und in einer Generation ganz normale Deutsche sind, die lediglich am Freitag in die Moschee gehen. So lief es ja tatsächlich bei der ersten Generation der „Gastarbeiter“, von denen ein großer Teil zu ganz normalen Deutschen geworden ist. Diese Menschen kamen allerdings auch aus eigenem Antrieb ins Land und waren sofort in den Arbeitsmarkt integriert. Umso bedenklicher ist allerdings, dass ein Teil der „Gastarbeiter“-Kinder diese positive Entwicklung wieder rückgängig machen, sich stärker auf ihre islamische Identität berufen und eine Parallelgesellschaft bilden, in der auch extremistische Tendenzen auftauchen. Dafür kann man uns Deutsche verantwortlich machen, weil wir es vielleicht versäumt haben, sie als wirklich gleichwertige Mitglieder unserer Gesellschaft zu behandeln. Aber das würde nicht erklären, warum es zeitgleich auch in ihren Heimatländern zu einem Revival des Extremismus kam. Schauen Sie sich Fotos aus dem Kairo, Kabul, Teheran oder Ankara der frühen 1970er Jahre an: Die Menschen waren westlich gekleidet, die Frauen trugen Kleider, wie man sie auch in Rom, Paris oder Madrid sah. Wir können nun viel spekulieren, was die islamistische Gegenbewegung ausgelöst hat, aber sie ist eine unbestreitbare Tatsache. Der ganze syrische Bürgerkrieg war ein Versuch islamistischer Gruppierungen – von der Türkei, Saudi Arabien oder Katar finanziert -, das laizistische Assad-Regime zu stürzen und das bislang religiös tolerante Land in einen Scharia-Staat zu verwandeln. Ägypten wäre es ähnlich ergangen, wenn Moslembruder Muhammad Mursi es nicht übertrieben hätte und vom Volk mit Hilfe des Militärs gestürzt worden wäre. Dass der Islamist und Israel-Hasser Mursi durch freie Wahlen (ob nun manipuliert oder nicht sei einmal dahingestellt) an die Macht kam, beweist, dass Extremismus in der islamischen Welt durchaus mehrheitsfähig ist. Nun kam ein Drittel unserer Flüchtlinge seit 2015 aus Syrien. Damals wurde uns von unserer Regierung gesagt, das seien alles Ärzte und Akademiker, die vor den Terrortruppen geflohen seien. Mittlerweile ist der Krieg vorbei, hat Assad auf ganzer Linie gesiegt, und jetzt heißt es, die würden vom Assad-Regime verfolgt. Das aber hieße, dass viele von ihnen Sympathisanten der islamistischen Gruppierungen sind. Und da muss die Frage erlaubt sein, ob sie wirklich integrationswillig sind.

Das aber wird die Zukunft zeigen. Ich möchte nun nicht den Teufel an die Wand malen und von einer „Zeitbombe“ sprechen, aber ein gewisses Risiko ist es halt schon. Es muss einfach erlaubt werden, zu fragen: Was macht das aus unserem Land. Und: wollen wir das?

Eines muss doch jeder sehen: Die Geburtenrate bei muslimischen Einwanderern ist höher als in der deutschen Durchschnittsfamilie. Das bedeutet, dass sich das Mehrheitsverhältnis in unserem Land unweigerlich verändern wird. Im Mai 2019 veröffentlichte das „Forschungszentrum Generationenverträge“ der Universität Freiburg eine Studie, derzufolge die Kirchen in Deutschland bis 2060 ihre Mitgliederzahlen halbieren müssen. Dann wird es in Deutschland nur noch 11 Millionen Katholiken geben, während das renommierte Pew Research Center von bis zu 17,5 Millionen Muslimen bis 2050 ausgeht. Damit ist wahrscheinlich, dass Muslime zwischen 2050 und 2060 in Deutschland die größte Religionsgemeinschaft bilden werden; lediglich die Nichtkonfessionellen stellen dann eine noch größere Gruppe dar. 17,5 Millionen Muslime sind rund 22 % der Bevölkerung und es liegt auf der Hand, dass sie in einer Demokratie auch politisch vertreten werden wollen. Es wird also eine Islam-Partei geben, die neben der CDU und den Grünen zur dritten großen Volkspartei werden könnte. Früher oder später wird man mit ihr koalieren, früher oder später wird sie stärkste Partei und den Bundeskanzler stellen. Dann wird eine zumindest teilmuslimische Bundesregierung Gesetze erlassen, deren Grundlage die Scharia ist. Wer das ausschließt, der steckt einfach den Kopf in den Sand. Ich habe größte Zweifel daran, dass Hamburg 2050 unter Wasser steht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass, wenn sich nicht groß etwas ändert, in spätestens 40 Jahren eine muslimische Partei stärkste Fraktion und wahrscheinlich sehr viel früher – vielleicht schon im nächsten Jahrzehnt – ein Moslem Bundeskanzler ist. Darauf müssen wir uns einstellen, wenn wir die Zukunft planen.

Was hat das zu bedeuten? Ich bin kein Hellseher, ich bin nur Historiker. Ich kann keine Kristallkugel befragen, sondern nur die Vergangenheit: Was hat das bislang bedeutet? Und da ich Christ bin, frage ich: Was hat das für uns Christen bedeutet? Leider oft genug nicht viel Gutes. Ich zitiere da gerne meinen Freund, den koptischen, also ägyptischen Erzbischof Anba Damian: „Wir leben Eure Zukunft“. Wenn wir wissen wollen, wie es uns in 40 Jahren gehen wird, sollten wir uns anschauen, wie die Christen heute in islamischen Ländern leben: In der Türkei, in Ägypten, in Syrien, im Irak, im Iran. Da müssen wir aber ganz ehrlich zugeben: Das ist nicht immer ganz so toll.

Daher sollte es eigentlich erlaubt sein, sich Sorgen zu machen. In einer freien Gesellschaft kann eine solche Frage offen diskutiert werden. Was müssen wir tun, um die richtigen Zuwanderer anzulocken, wie können wir die Falschen – jene, die sich nicht integrieren wollen – zur Heimkehr ermutigen? Das alles sollte in sachlicher Form, sine ira et studio, vonstatten gehen, aber eben auch ohne Denk- und Redeverbote, ohne Maulkorb.

Gerade in diesen Tagen hat eine Umfrage der Bertelsmann-Stiftung ergeben, dass über 51 % der West- und sogar 58 % der Ostdeutschen den Islam als Bedrohung wahrnehmen. Nur eine Minderheit von 35 – 24 % sieht ihn als Bereicherung. Rassismus? Keineswegs: Nur 16 % (bzw. 30 %) der Deutschen haben ein Problem mit muslimischen Nachbarn. Es geht also bei der Angst nicht um die Menschen an sich, von denen viele ganz großartig sind, sondern um eine Religion, die so politisch und so wenig transzendental wie keine andere ist. Islamkritiker sehen in ihm eher eine totalitäre Ideologie als einen Glauben, denn sein Anspruch ist an erster Stelle weltlich: der Aufbau einer islamischen Gesellschaft nach den Gesetzen der Scharia. Das unterscheidet ihn von anderen Religionen: Ein Jude grenzt sich zwar von den goyyim ab, will sie aber nicht bekehren und noch weniger beherrschen. Ein Buddhist will der Welt ohnehin entfliehen. Ein Hindu dient seinen Göttern ohne Missionsauftrag. Der Islam lehrt den Frieden in der Umma, der Gemeinschaft der Gläubigen. Um ihn zu erreichen, müssen die Ungläubigen, das „Haus des Krieges“, sich bekehren oder unterworfen werden. Ein Konzil, das die Religionsfreiheit proklamierte, gab es bei ihm nicht.

Sicher ist: Mit ihrer Flüchtlingspolitik hat Bundeskanzlerin Merkel die Deutschen gespalten. Eine Minderheit ruft nach wie vor „Refugees welcome!“ und glaubt an die regenbogenbunte schöne neue Welt der Globalisierer. Eine Mehrheit hat Angst. Angst, dass hier das größte bevölkerungspolitische Experiment unserer jüngeren Geschichte außer Kontrolle geraten könnte. Angst davor, dass die Solidargemeinschaft aller Deutschen, gleich welchen Glaubens, zerbricht und dass eine islamische Parallelgesellschaft mit anderen Werten entsteht. Angst aber auch vor jungen Muslimen, deren Werteordnung Gewalt nicht verachtet, sondern das Recht des Stärkeren und das Vorrecht der Gläubigen proklamiert.

Eine Regierung, die diese Ängste unterdrückt, die besorgten Bürgern den Mund verbietet und mit gesellschaftlicher Ächtung droht, macht einen großen Fehler. Sie erweckt damit den Eindruck, dass sie die Sorgen der Menschen nicht mehr ernst nimmt und entfremdet sich damit von ihren Wählern. Als Merkel das Unwort „alternativlos“ prägte, hob sie die AfD aus der Taufe. Ihr Mantra „Wir schaffen das“ bescherte der Protestpartei zweistellige Ergebnisse – die Stimmen jener Bürger, die daran längst nicht mehr glaubten. Die Marginalisierung von Kritikern führt selten dazu, sie auch zu überzeugen; viel mehr treibt sie diese in eine Parallelwelt, in den Untergrund. Sie führt dazu, dass immer weniger an das herrschende System glauben, ja sie raubt unserer Demokratie ihre Glaubwürdigkeit. So werden offizielle Denk- und Redeverbote zum Nährboden für Populismus jeder Couleur, im besten Fall zu Politikverdrossenheit, im schlimmsten Fall zu offenem Widerstand bis hin zum Amoklauf.

Will Deutschland demokratisch bleiben, hat es nur eine Chance: Es muss Demokratie auch praktizieren, den offenen Diskurs fördern, Kritik ernst nehmen und ergebnisoffen diskutieren. Dabei darf es keine Tabuthemen geben, keine Totschlagargumente und keine falsche Rücksicht. In einem Land, das längst keine Rücksicht mehr auf die Kirche und das Christentum nimmt, darf der Islam nicht sakrosankt sein, muss auch er Kritik ertragen. Alles andere wäre verfrühte Unterwerfung.


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