Theologie der Aufnahme, Theologie des Dialogs, Theologie im Netz

21. Juni 2019 in Aktuelles


Franziskus in Neapel zur Tagung: ‚Die Theologie nach Veritatis gaudium im Kontext des Mittelmeerraum’. Die Theologie ‚der Kirche im Aufbruch’. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Am heutigen Freitag nahm Papst Franziskus an einer theologischen Tagung teil, die in Neapel von der Päpstlichen Theologischen Fakultät Süditaliens organisiert wurde. Diese Konferenz ist Teil einer Reihe kultureller Aktivitäten, die das Jesuitenzentrum von Posillipo anbietet und fördert, um eine Theologie zu entwickeln, die dem neuen mediterranen Kontext entspricht – dies aufgrund des unaufhaltsamen Migrationsphänomens und des daraus resultierenden Zusammenlebens verschiedener Völker, Kulturen und Religionen.

Die Tagung stand unter dem Thema: „Die Theologie nach Veritatis gaudium im Kontext des Mittelmeerraums“. In seiner breit angelegten und weit ausholenden Vorlesung legte Franziskus seine Sicht der Theologie als einer „Theologie der Kirche im Aufbruch“ und die sich daraus ergebenden neuen Herausforderungen für die Ausbildung dar. Die apostolische Konstitution „Veritatis gaudium“ stellt im Sinne des Papstes und des „Aufbruchs“ eine Erneuerung dar, die vierzig Jahre nach „Sapientia christiana“ für notwendig erachtet wurde:

„In Treue zum Geist und den Leitlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils und als seine angemessene Aktualisierung ist nach fast vierzig Jahren heute ein aggiornamento jener Apostolischen Konstitution dringend notwendig. Auch wenn sie in ihrer prophetischen Vision und mit ihrem klaren Gedankengang ihre Gültigkeit völlig beibehält, muss sie doch durch die zwischenzeitlich erlassenen normativen Bestimmungen ergänzt werden. Zugleich ist hier der Entwicklung der letzten Jahrzehnte im Bereich der akademischen Studien Rechnung zu tragen, ebenso dem weltweit gewandelten soziokulturellen Kontext wie auch den Empfehlungen auf internationaler Ebene hinsichtlich der Ausführung der verschiedenen Initiativen, denen der Heilige Stuhl beigetreten ist“.

Die Kriterien der Einleitung der apostolischen Konstitution „Veritatis gaudium“, so der Papst, seien dem Evangelium entspringende Kriterien. Es gehe um eine Theologie der Aufnahme und des Dialogs, die auf dem Prinzip der Unterscheidung basiere:

„In der Tat schließt die geistliche Unterscheidung die Hilfe der menschlichen, existentiellen, psychologischen, soziologischen oder moralischen Weisheit nicht aus. Sie transzendiert sie jedoch. Nicht einmal die weisen Normen der Kirche reichen ihr aus. Erinnern wir uns immer daran, dass die Unterscheidung eine Gnade ist. Sie schließt Vernunft und Besonnenheit mit ein, übersteigt sie aber; denn sie trachtet danach, das Geheimnis des einzigartigen und unwiederholbaren Plans zu erfassen, den Gott für jeden einzelnen Menschen hegt und der sich inmitten der unterschiedlichsten Lebensumstände und Begrenzungen verwirklicht.

Es geht nicht nur um ein zeitlich begrenztes Wohlbefinden, noch um die Befriedigung, etwas Nützliches zu tun, und nicht einmal um das Verlangen, ein ruhiges Gewissen zu haben. Es geht um den Sinngehalt meines Lebens vor dem Vater, der mich kennt und liebt; es geht um den wahren Sinn meiner Existenz, die niemand besser kennt als er. Die Unterscheidung führt letzten Endes zur Quelle des Lebens selbst, das nicht stirbt, zur Erkenntnis des Vaters, des einzigen wahren Gottes, und dessen, den er gesandt hat, Jesus Christus (vgl. Joh 17,3). Das erfordert weder besondere Fähigkeiten, noch bleibt es nur den Klugen und Gebildeten vorbehalten. Der Vater offenbart sich gerne den Demütigen (vgl. Mt 11,25)“ (Apostolische Exhortation Gaudete et exsultate,170).

Ebenso betonte der Papst die Bedeutung einer „interdisziplinären Theologe“, die sich als „Theologie im Netz“ zu gestalten habe: „Die Theologie nach Veritatis gaudium ist eine Theologie im Netz und im Kontext des Mittelmeerraumes solidarisch mit allen ‚Schiffbrüchigen“ der Geschichte.

Das Kerygma, der Dialog, die Unterscheidung, die Zusammenarbeit, das Netz „sind alles Elemente und Kriterien, die die Art und Weise, wie das Evangelium Jesu gelebt und verkündet wurde, übersetzen und mit denen es auch heute von seinen Jüngern weitergegeben werden kann“, so Franziskus abschließend.

Die Theologie nach „Veritatis gaudium“ sei eine „kerygmatische Theologie“, „eine Theologie der Unterscheidung, der Barmherzigkeit und der Aufnahme, die im Dialog mit der Gesellschaft, den Kulturen und Religionen steht, um ein friedliches Zusammenleben von Menschen und Völkern aufzubauen“.

Der Mittelmeerraum sei „die historische, geografische und kulturelle Matrix kerygmatischer Aufnahme, die mit Dialog und Barmherzigkeit praktiziert wird. Neapel ist ein Beispiel und ein spezielles Labor dieser theologischen Forschung“.


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