Geschichte und Geschichten. Die zerbrochene Medaille

27. Mai 2019 in Aktuelles


Franziskus an die Leiter, Operatoren, Jungen und Mädchen des Instituts ‚der Unschuldigen’ von Florenz, einer Institution, die seit 600 Jahren Kinder aufnimmt, unterstützt und fördert. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Am Freitag, den 24. Mai, empfing Papst Franziskus die Leiter, Operatoren, Jungen und Mädchen des Instituts „der Unschuldigen“ („Istituto degli Innocent“) von Florenz. Es handelt sich dabei um ein Hospiz, das seit 600 Jahren Findlinge und verlassene Kinder aufnimmt, ihnen hilft und sie zu einer besseren Zukunft führen will.

In seinem Gruß in freier Rede, bevor er jeden einzelnen begrüßte, unterstrich der Papst die Bedeutung des Begriffs der „Kultur des Kindes“, die eine „Kultur der Überraschung“ sei, was direkt zum Gott der Überraschungen führe.

In seiner Ansprache, die er den Teilnehmern der Audienz überreichte, erinnerte Franziskus an seinen Aufenthalt in Florenz im Jahr 2015 anlässlich des V. Nationalen Kongresses der Kirche in Italien. Dort habe er über die Schönheit der Stadt gesprochen und in Erinnerung gerufen, dass viel von jener Schönheit in den Dienst der Nächstenliebe gestellt worden sei. So auch das Institut, „einer der ersten Renaissancebauten zum Dienst an den verlassenen Kindern und verzweifelten Müttern“.

Die Geschichte des „Innocenti“ sei eine Geschichte, die uns viel zu lehren habe. Zunächst stehe an dessen Anfängen die Großherzigkeit eines reichen Bankiers, Francesco Datini, der den Betrag gestiftet hätte, mit dem die Realisierung dieses Werks seinen Anfang nehmen konnte. Franziskus unterstrich: „auch heute ist die soziale und ethische Verantwortung der Finanzwelt ein unverzichtbarer Wert für den Aufbau einer gerechteren und solidarischeren Gesellschaft“.

Weiter sei auffallend, dass die Planung Filippo Brunelleschi, dem bedeutendsten Architekten seiner Zeit, anvertraut worden sei, der gerade in jenen Jahren an einem anderen Meisterwerk gearbeitet habe, das die Welt noch heute in Erstaunen versetze: der Kuppel der Kathedrale von Santa Maria del Fiore: damit dieselbe Schönheit, die dem Haus des Herrn gewidmet sei, auch dem Haus der Kinder gewidmet werde, die weniger Glück haben. Es reiche für die Kinder nicht aus, sie nur zu ernähren. Sie sollten in einer Umgebung aufwachsen, die so schön wie möglich sei.

Es müsse unterstrichen werden: „den Armen, den gebrechlichen Kreaturen, denen, die in den Peripherien leben, müssen wir das Beste anbieten, das wir haben. Und unter den gebrechlichsten Menschen, für die wir sorgen müssen, sind da gewiss viele abgelehnte Kinder, die ihrer Kindheit und ihrer Zukunft beraubt sind: Minderjährige, die sich verzweifelten Reisen gegenübersehen, um vor Hunger oder Krieg zu fliehen. Kinder, die das Licht der Welt nicht sehen, weil ihre Mütter wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Zwängen ausgesetzt sind, die sie dazu drängen, auf dieses wunderbare Geschenk, das die Geburt eines Kindes ist, zu verzichten“. So werde die Notwendigkeit einer Kultur deutlich, die den Wert des Lebens anerkenne, vor allem des schwachen, bedrohten, angegriffenen Lebens.

Neben der „großen“ Geschichte des Instituts hob Franziskus die Bedeutung der vielen kleine Geschichten hervor: „die Geschichten von Hunderttausenden von Kindern, die zwischen diesen Wänden gelebt haben“.

Der Papst rief dabei einen besonderen Aspekt in Erinnerung: die Mütter hätten oft zusammen mit den Neugeborenen die Hälfte einer zerbrochenen Medaille hinterlassen, in der Hoffnung, in besseren Zeiten ihre Kinder wiedererkennen zu können, wenn sie die andere Hälfte zeigten: „Ebenso müssen wir uns vorstellen, dass unsere Armen eine zerbrochene Medaille haben. Wir haben die andere Hälfte. Denn die Mutter Kirche in Italien hat die eine Hälfte der Medaille aller Menschen und erkennt alle ihre verlassenen, unterdrückten, erschöpften Kinder“.


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