Fall Lambert: Wachkoma-Patienten sind nicht per se Sterbende

25. Mai 2019 in Österreich


IMABE-Direktor Bonelli: Tötung durch absichtlichen Ernährungsstopp aus ethischer Sicht abzulehnen - in Österreich bis zu 800 Wachkomapatienten.


Wien (kath.net/ KAP)
Im Tauziehen um die Fortführung der Ernährung des französischen Wachkoma-Patienten Vincent Lambert, das derzeit europaweit kontrovers diskutiert wird, hat das kirchliche Wiener Bioethikinstitut IMABE notwendige Unterscheidungen eingefordert. Der bewusste Entzug von Nahrung und Flüssigkeit mit der Absicht, den Tod eines Patienten herbeizuführen, habe im konkreten Fall nichts mit einem legitimen "Sterbenlassen" zu tun, sondern richte sich direkt gegen das Leben, erklärte IMABE-Direktor Johannes Bonelli am Donnerstag gegenüber "Kathpress". Bei Vincent Lambert wäre diese Praxis eine "direkte passive Tötung durch Verhungern bzw. Verdursten" und aus ethischer Sicht abzulehnen.

Vincent Lambert liegt seit einem Motorradunfall 2008 im Wachkoma. Der 42-jährige frühere Krankenpfleger ist querschnittgelähmt in einem "vegetativen Zustand", öffnet die Augen und erhält künstliche Ernährung, die 2013 bereits einmal von den Ärzten abgebrochen wurde, bis das Gericht einschritt. Lambert überlebte damals 31 Tage ohne Nahrung und mit nur sehr wenig Wasser. Seine Familie ist tief zerstritten, zumal seine Gattin den Abbruch der Ernährung befürwortet, während seine Eltern dies verhindern wollen und ihren Sohn in ein auf Wachkoma spezialisiertes Spital verlegen wollen.

Lamberts Eltern bekamen Rückenstärkung vom UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, nachdem jedoch der Europäische Menschengerichtshof und ein französisches Ärzteteam - das laut dem sogenannten Claeys-Leonetti-Gesetz über den Behandlungsstopp entscheiden kann - das Ende der Ernährung befürwortet hatten. Am 20. Mai hatte nun ein Pariser Gericht, dass die künstliche Ernährung bis zu seiner abschließenden Behandlung mit dem Fall wieder aufgenommen werden muss.

Wie IMABE-Direktor Bonelli hervorhob, wäre es eine Gefahr für die viele Wachkomapatienten weltweit - in Österreich gibt es 600 bis 800 von ihnen - und ein "bedenklicher Schritt in Richtung Euthanasie", sollten die Gerichte in der Causa einen Nahrungsabbruch durchsetzen. Sorgen bereite zudem die "medial aufgeheizte Sprache, die offenbar nicht mehr zwischen Sterben, Töten und legitimen Behandlungsverzicht unterscheidet". Dies trage zu einer "ethischen Verwirrung" bei.

Bonellis Hauptargument: Wachkoma-Patienten seien trotz aller Tragik "nicht per se Sterbende". Auch Lambert stehe nicht zwischen Leben und Tod, sondern sei ein "schwerer Pflegefall". Die Beendigung oder der Verzicht auf eine Heilbehandlung bei Wachkoma wären aus Medizinersicht nur in fünf Fällen gerechtfertigt bzw. zu fordern: Wenn eine Therapie eher schadet als nützt, wenn keine Chance auf Heilung oder Lebensverlängerung besteht, wenn der Aufwand in keinem Verhältnis zum erwartbaren Erfolg steht, wenn der Tod unmittelbar und unausweichlich bevorsteht, oder schließlich wenn der Patient die Therapie etwa per Patientenverfügung ablehnt.

Im Fall von Lambert trifft laut Bonelli keiner der fünf Punkte zu: Der Franzose befinde sich in einem Zustand mit minimaler Kontaktaufnahme, atme selbständig und könne seit mehr als zehn Jahren die zugeführte Nahrung und Flüssigkeit offensichtlich gut verstoffwechseln, "sonst wäre er schon längst nicht mehr am Leben", unterstrich Bonelli. Die ihn versorgende PEG-Sonde sei ein "relativ unaufwändiges Mittel" und es liege keine Patientenverfügung vor.

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