So und nicht anders geht Reform!

10. Mai 2019 in Kommentar


Der Raum, Gott zu begegnen. Er ist es, auf den ich hinauswill. Wir brauchen ihn! ALLE! Zunächst einmal wir selbst. Auch wenn wir schon lange im Glauben unterwegs sind und viel wissen und verstehen - BeneDicta am Freitag von Linda Noé


Linz (kath.net)
„Bieder... grau... Lähmend. Wozu und Wohin?“ sind meine ersten Gefühlsregungen über die Nachrichten, und als einige meiner Freundinnen, die bei der Versammlung anwesend gewesen waren, kurze Rückmeldung durch whatsapp schicken, ist der Grundtenor ebenfalls klar: „Anstrengend, gedanklich und geistlich.“

Eine sogenannte zeitgemäße Strukturreform steht an, und das nicht nur in meiner Heimatdiözese. Überall im deutschsprachigen kirchlichen Raum rudert man nach Möglichkeit zur Veränderung der gegenwärtigen Situation der Kirche. „Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche werden 2060 nur noch etwa halb so viele Mitglieder haben wie heute“., lautet die Prognose. Viel Raum für Engagement und Hoffnung lässt das nicht. Und dennoch: Pastorale Leitlinien und Leitbegriffe wie „Öffnung, Solidarität und Hoffnung“, Stichworte von territorialer und kategorialer Seelsorge, „die Kirche von morgen im Blick haben“, Missbrauchsprävention, Frauendiakonat, Maria 2.0, alles arbeitet und rennt mit zusammengebissenen Zähnen durcheinander. Und trotz der großen Betriebsamkeit mag in dieser Reform anscheinend keine rechte Aufbruchsfreude aufkommen.

600 engagierte Menschen trafen sich zu Jahresbeginn aber beispielsweise trotzdem, und das in meiner nicht so großen Diözese, in einer Messehalle, nur um das angedachte zukünftige Strukturmodell als Diskussionsgrundlage präsentiert zu bekommen. Das sind nicht wenige Menschen, finde ich, für so einen doch eher trockenen Anlass. Wenn wir also einmal kurz zurücktreten, resigniertes oder verärgertes Kopfschütteln einstellen und Gott in Ruhe um Seinen Blick auf die Herzen der Kirche und der Menschen bitten, dann müssen wir vielleicht immerhin sagen: Allerhand. Erstaunlich, dass trotz allen Schwierigkeiten, negativsten Nachrichten und dem schlechten öffentlichen Ruf immer noch so viele Menschen daran interessiert sind, sich in der Kirche zu engagieren. Wollen wir schwarzmalen, können wir sagen, dass das in vielen Fällen am finanziellen Verdienst und sozialen Betätigungsfeld liegen könnte, wir können aber auf der anderen Seite auch mit Sicherheit feststellen, dass selbst all unser persönliches und menschliches Versagen nicht den Geist auszulöschen und die Anziehungskraft Jesu im Sakrament und Wort zu zerstören vermag.

Ich ganz persönlich spüre die gesuchte Freude im Aufbruch, Hoffnung, Farben und Leben in Bewegungen wie Alpha, 24/7 Gebet, Gebetshaus Augsburg und andere Gebetshäuser, KISI, Loretto/ Home Mission Base, Stift Heiligenkreuz, Haus David, den Bethlehemschwestern, Awakening Europe... – um nur einige zu nennen, alles eher weniger auf eine Ortspfarre beschränkt. Das ist kein Geheimnis, und ich bin ja nicht die Einzige, der es so geht. Bisweilen muss man sich den Vorwurf gefallen lassen, (und es ist sicherlich auch gut, sich darin selbst zu prüfen), dass man dort mehr den persönlichen Kick, emotionale Eindrücke oder einfach etwas vom Alltag Abgehobenes (was die Begegnung mit Gott per definitionem eigentlich auch mal sein darf...) suchen würde. Ein Event, eine Show, Wunder, Gefühle, tolle Musik. Für mich lautet die zu stellende und einfach zu beantwortende Frage: was ist den genannten Orten zuinnerst gemeinsam, so unterschiedlich sie auch sein mögen?

Ja: Sie eröffnen eine Möglichkeit, einen vorbereiteten Raum, der es möglich macht, dem lebendigen Gott zu begegnen. Nicht nur dem mehr oder weniger netten Mitmenschen, dem man ohnehin überall sonst auch ganz nett begegnen kann, sondern Gott selbst. DAS ist die Farbe, der Drive, die Freude, Kreativität, Hingabe, der Aufbruch, die Gelegenheit, wo ich der Kirche Fernstehende Suchende mitbringen kann. Wo plötzlich auch ohne Kirchensteuer Geld genug da ist, Menschenleben sich verändern, frei werden von Alkohol, Pornographie und Depression. Kinder und Jugendliche sich nicht gegenseitig mobben, sondern helfen, gemeinsam singen, in der Bibel lesen. Gott spricht auch für sich selbst. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Glauben wir das noch, oder haben wir schon resigniert, weil wir zu wenig Veränderung in uns selbst oder rund herum sehen?

„Mission Manifest“ traute sich, schon mit dem Titel viele zu provozieren und auf ein großes Manko hinzuweisen. Es wundert mich überhaupt nicht, dass das Wort Mission für viele in der Kirche engagierte Menschen einen negativen Beigeschmack hat.

Um davon begeistert zu sein, Menschen Jesus bringen zu können, muss man vor allem zuerst selbst von Ihm ergriffen sein, und überzeugt, dass das neue Leben, das man bringt, etwas Großes ist. „Sind wir das???“ möchte ich ich in die Stuhlkreise hineinrufen.

Der Glaube wird immer ein Schritt aufs Wasser sein und für unsere Natur zu hoch- übernatürlich eben. „Jetzt werde mal nicht zu extrem“ heißt es schnell einmal, wenn jemand von Jesus Christus ergriffen ist. „Mission“ haben wir gedanklich abgegeben an Sekten. Wir wollen eben nicht, das uns jemand für zu extrem hält. Menschenfurcht. Gleichzeitig laufen wir wie Touristen an den Grabmälern der Apostel in Rom vorbei, die lieber das Martyrium erduldet haben als das öffentliche Predigen einzustellen, das von Zeichen und Wundern begleitet war, die bezeugten: das ewige Leben mit Jesus Christus beginnt JETZT, das Reich Gottes ist durch ihn schon mitten unter uns!

Der Raum, Gott zu begegnen. Er ist es, auf den ich hinauswill. Wir brauchen ihn! ALLE! Zunächst einmal wir selbst. Auch wenn wir schon lange im Glauben unterwegs sind und viel wissen und verstehen. Betrachten wir auch einmal unsere eigene Abgeklärtheit, die Enttäuschungen und Verhärtung, die sich vielleicht in unserem Herzen breitgemacht hat. Über die Menschen in der Kirche, die uns verletzt haben, vielleicht über fehlende Hirten- vor allem auch über uns selbst, unsere Lauheit und mangelnde Fruchtbarkeit. All das anzuschauen und in diesen Raum der Begegnung mit Gott mitzubringen, schonungslos ehrlich. Sich zu trauen, selbst ganz neu anzufangen, nicht aus Stolz, Enttäuschung oder Gewohnheit Mauern gegenüber Jesus stehen zu lassen. Auf unsere eigene Kraft zu vertrauen hat nicht funktioniert, aber auf Jesus und Seine Kraft werden wir nur vertrauen, wenn wir Ihn gut genug kennen lernen, Seine Gegenwart wirklich Realität für uns ist. Nehmen wir uns diese Zeit im Gebet, der Heiligen Messe, der Schriftlesung, jeden Tag neu. Und auch wenn möglich diese besonderen Zeiten, Exerzitien, Wallfahrten, Auszeiten, neue Impulse.

Und dann, wenn wir uns von Ihm ergreifen haben lassen, dann gehen wir unbesorgt ohne Ärger und Angst hinaus um uns in der Kirche zu engagieren und zu helfen, dass auch andere Menschen Räume vorfinden, in denen sie Jesus begegnen können, auch durch uns, weil Er mit uns ist und in uns wohnt. Es ist dann völlig unnötig, um irgendwas zu krampfen, zu buhlen, Grabenkämpfe innerhalb der Kirche zu veranstalten oder endlose Papiere über Reformen von außen nach innen herauszubringen.

Erwarten wir keine großen positiven und äußerlich sichtbaren Veränderungen, begeisterte neue Kirchgänger, tugendhaftes Verhalten oder Selbsthingabe, weder von uns selbst noch von anderen Menschen innerhalb oder außerhalb der Kirche, solange wir nicht als Priorität den Fokus auf diesen Raum der Begegnung mit Christus gelegt haben. Mt 6,33: „Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen, dann wird euch alles andere dazugegeben.“

Teresa von Avila, die große Kirchenlehrerin, sagt, dass Anfänger damit beginnen müssen, das innere Gebet zu üben, noch bevor sie sich um die Tugenden bemühen (!), der Kontemplative wiederum hat die Tugenden zu üben, wenn er in der Kontemplation Fortschritte machen will. P. Marie-Eugen Grialou schreibt in „Ich will Gott schauen“, S. 194: „Ist es nicht logisch, dass ein Anfänger, der so vielen Gefahren ausgesetzt ist, sich zuerst darum kümmern soll, Gott zu finden? Ist es nicht richtig, dass er zuerst die tiefe Begegnung mit Gott im Gebet suchen muss, bevor er den Kampf gegen seine Fehler aufnimmt?“

Ich meine: diese Richtung gilt auch für uns, jeden einzelnen, und den ganzen Leib Christi.

So und nicht anders geht Reform.

Die Heilige Teresa von Avila muss es ja schließlich wissen.



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