Ungarn: Mehr Missbrauchsfälle gäbe es in Ländern mit "liberalem Geist"

9. April 2019 in Weltkirche


Ungarischer Bischofskonferenz-Vorsitzender Veres: In Ungarn weniger Missbrauch als anderswo


Budapest (kath.net/KAP) Auch die katholische Kirche in Ungarn stehe zur "Null Toleranz"-Politik gegenüber Missbrauch und werde ihre Präventionsarbeit verstärken - gleichzeitig sei offensichtlich, dass in Ungarn der Anteil an Missbrauchsfällen in der Kirche sehr klein sei. Das betonte der Vorsitzende der Ungarischen Bischofskonferenz, Andras Veres, in einem aktuellen Interview für die in Budapest erscheinende Zeitung Nepszava. "Wir haben nichts verschwiegen, denn es gibt keinen Grund dafür. Bei uns ist wahrscheinlich weniger Missbrauch passiert als in anderen Ländern", antwortete der Bischof von Györ darin auf eine Journalistenfrage, warum in Ungarn "Stillschweigen" herrsche, während die Weltkirche von Berichten über sexuellen Missbrauch durch Kirchenvertreter erschüttert werde.

Mehr Fälle von Kindesmissbrauch gebe es in Ländern mit einem gesellschaftlich "liberalem Geist" in der Bevölkerung, meinte Veres, der in dem Interview auch zwei weitere persönliche Thesen äußerte: So trage in Ungarn eine in der Bevölkerung verbreitete Familien- und Kinderfreundlichkeit dazu bei, derartige Verbrechen zu verhindern. Eine weitere "Hypothese" sei, so der Bischof, dass es wegen dem kommunistischen System in der Vergangenheit weniger Missbrauchsfälle gegeben habe. "Zur Zeit des Kommunismus ging die politische Polizei streng gegen Gewalttaten gegen Minderjährige vor, auch in Kirchengemeinschaften", meinte Veres wörtlich.

Bei einer für kommendes Monat von der Kirche in Budapest geplanten Tagung zum Kinderschutz stünden Möglichkeiten zur Prävention von Missbrauch im Zentrum, kündigte der Bischofskonferenz-Vorsitzende an. Nicht nur die Kirche, auch die Politik müsse sich gegen Missbrauch in der Gesellschaft einsetzen, zumal dieser vor allem ein "weltliches Phänomen" sei. Den Anteil von in kirchlichem Umfeld begangenen Gewalttaten beziffert Veres mit 0,4 bis 0,5 Prozent. Gleichzeitig betonte der Bischof, dass jeder Missbrauchsfall in der Kirche einer zu viel ist.

Die Ungarische Bischofskonferenz habe 2012 Leitlinien zum Umgang mit Missbrauchsfällen in der Kirche aufgestellt, so Veres weiter. Eine landesweite Statistik zu seither bekannt gewordenen Fällen gebe es nicht. Er selbst wisse aber von elf Fällen in diesem Zeitraum.

"Dem Christentum verpflichtete Regierung wichtig"

Weiteres Schwerpunktthema des Interviews war die Bewertung der Kirchenpolitik der aktuellen Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban. Auf die Frage, wie er als Bischofskonferenz-Vorsitzender die gegenwärtige politische Richtung in Ungarn bewerte, erklärte Veres: "Von meiner Warte aus halte ich es für wichtig, dass Ungarn von einer patriotischen, den Kirchen und dem Christentum verpflichteten Regierung geführt werden soll. So eine Regierung betreibt eine andere Politik, als ihre Vorgänger." Kritik an der Regierung wolle er nicht öffentlich über Medien äußern, sondern artikuliere sie bei immer wieder stattfindenden persönlichen Begegnungen, fügte der Bischof hinzu.

"Es ist wahr, dass wir und auch andere Kirchen mehr Förderung erhalten, als zur Zeit der vorherigen Regierungen", antwortete Veres auf eine entsprechende Interviewfrage. Er verwies auf die zuletzt verbesserten finanziellen Subventionen für katholische Privatschulen in Ungarn. In früheren Zeiten seien kirchliche Schulen im Vergleich zu anderen benachteiligt worden: "Jetzt gibt es kein solches Problem."

Auf eine Frage zu den Anti-Migratonskampagnen der Regierung in Budapest ging Veres nicht direkt ein. Er betonte stattdessen, dass Bischöfe aus Syrien und anderen Ländern der Nahostregion darum bitten, den Christen vor Ort zu helfen, damit diese in ihrer Heimat bleiben können. "Ziel ist, dass jeder in seinem eigenen Land leben kann", sagte Veres. Die Ungarische Bischofskonferenz habe mehrfach Spendensammlungen organisiert, um die christlichen Gemeinschaften im Nahen Osten zu stärken. Europa habe in der Region "viele Sünden" begangen, "es ist unsere Pflicht zu helfen", betonte Veres.

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