Paris: Ruf nach Staatssekretariat für bedrohte Orient-Christen

20. Jänner 2019 in Weltkirche


Organisation "SOS Chretiens d'Orient" verweist auf Vorbild Ungarn - Kirchenoffizielles Hilfswerk "Ouevre d'Orient" legt Präsident Macron Maßnahmenpaket für Bewahrung des geistigen Erbes der Nahost-Christen und Ausbau der christlichen Schulen vor


Paris (kath.net/KAP) Die private französische Organisation "SOS Chretiens d'Orient" tritt für die Schaffung eines neuen Staatssekretariats im Außenministerium in Paris ein, das sich der Sorge um die Christen des Orients widmen soll. Vorbild könne Ungarn sein, wo es seit 2016 eine Staatssekretariat für die Hilfe verfolgter Christen gibt, so die Verantwortlichen der Hilfsorganisation in ihrem Appell, über den die Stiftung "Pro Oriente" am Donnerstag berichtete. Ein Staatssekretariat würde es Frankreich erlauben, seiner Berufung zur Unterstützung "unserer älterer Brüder im Glauben" treu zu sein, ohne sich in die "souveränen Entscheidungen der Völker und Nationen des Nahen Ostens einzumischen", betonten Charles de Meyer und Benjamin Blanchart, Vorsitzender bzw. Generaldirektor von "SOS Chretiens d'Orient".

Als Aufgaben eines solchen Staatssekretariats sieht "SOS Chretiens d'Orient" u.a. die Ermutigung der nahöstlichen Staaten zum schnelleren Umbau ihrer Institutionen und Gesellschaften im Sinn völliger Rechtsgleichheit für alle Bürger, unabhängig vom Religionsbekenntnis, aber etwa auch das Eintreten für eine Abschaffung der Syrien-Sanktionen, die "die Mächtigen reicher und die Armen ohnmächtig gemacht" hätten.
Außerdem könnte dadurch ein Impuls für die Rückkehr der christlichen Flüchtlinge in ihre Heimatorte in Syrien und im Irak unter "sicheren Bedingungen" gesetzt werden. Im Libanon erachtete die Organisation die Unterstützung des Gemeinwohlgedankens für eine Regierung, die "der Gesellschaft dienen muss und nicht den Partikularinteressen", aber auch der Unabhängigkeit der Zedernrepublik "gegen alle Angriffe zu Land, vom Meer oder aus der Luft" für wesentlich. Paris solle sich zudem für die Rechte der Kopten und aller Christen am Nil an der Seite der ägyptischen Regierung engagieren.

Auf diese Weise könne Frankreich an der Spitze des Kampfes für die Glaubensfreiheit stehen, "eine Ehre, die dem Land nach so vielen diplomatischen Fehlern wieder viel Sympathie bringen könnte", wie die "SOS Chretiens d'Orient"-Spitze schreibt.

Orient-Christen drohen zu verschwinden

Das kirchenoffizielle französische Hilfswerk "Ouevre d'Orient" legte Präsident Emmanuel Macron derweil unabhängig vom Appell von "SOS Chretiens d'Orient" ein Maßnahmenpaket für die Bewahrung des geistigen Erbes der Christen des Nahen Ostens und den Ausbau der christlichen Schulen vor. Wenn man jetzt nicht handle, würden in 20 Jahren alle orientalischen Christen im Exil sein, sagte Charles Personnaz, der für "Oeuvre d'Orient" die diesbezüglichen Gespräche im Elysee-Palas führte, der katholischen Zeitschrift "Le Pelerin". Auch die "Francophonie", die sich im Nahen Osten durch das Netzwerk der christlichen Schulen verbreitet habe, werde in diesem Teil der Welt dann verschwunden sein, warnte er.

Die Kosten für das vorgeschlagene Maßnahmenpaket bezifferte Personnaz als "sehr mäßig". Er würde sich wünschen, dass Präsident Macron bei seinem Staatsbesuch in Ägypten am 20. Jänner die Fragen des christlichen geistigen Erbes und der christlichen Schulen zur Sprache bringt und dann ebenso im Februar bei den Besuchen im Libanon und im Irak, sagte der "Oeuvre d'Orient"-Funktionär.

Fonds für christliche Schulen

Das geistige Erbe der orientalischen Christen habe in den Auseinandersetzungen der vergangenen Jahrzehnte schwer gelitten, den christlichen Schulen des nahöstlichen Raums fehle es an materiellen Mitteln und Lehrpersonal. "Ouevre d'Orient" trete daher für die Gründung eines Fonds ein, der die katholischen Schulen im Nahen Osten unterstützt. In diesen Fonds könnten die Regierungen von Frankreich und anderen teils französischsprachigen Ländern einzahlen, aber auch private Stiftungen und europäische Institutionen, schilderte Personnaz.

Es sei im übrigen kein Paradox, wenn das laizistische Frankreich die katholischen Schulen im Nahen Osten unterstütze, wie das schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts geschehe, betonte Personnaz: "Denn diese Schulen tragen auch die republikanischen Ideen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit in den Nahen Osten." Durch die Konfrontation mit der französischen Sprache und der französischen Kultur würden rund 400.000 junge Libanesen, Syrer, Ägypter mit kritischem Denken, der Gleichwertigkeit der Frau usw. konfrontiert. Dabei müsse man auch bedenken, dass 60 bis 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler der katholischen Schulen im Nahen Osten Muslime seien. Damit seien diese Schulen ein "Laboratorium des Miteinanderlebens".
Kulturgut-Schätze besser schützen

Für ebenso wichtig erachtet der "Oeuvre d'Orient"-Funktionär die Bewahrung des geistig-kulturellen Erbes der orientalischen Christen. Die historische Realität des orientalischen Christentums, insbesondere auch des arabischsprachigen Christentums, dürfe nicht verleugnet werden: "Die Kirchen und Klöster im Nahen Osten bezeugen der heute weitgehend islamisierten Bevölkerung ihre christlichen Wurzeln". Daher sei es essenziell, zum Beispiel bei der Rekonstruktion des Stadtzentrums von Mossul gleichzeitig Moscheen und Kirchen wiederherzustellen. Im Libanon könnte ein regionales Zentrum für die Ausbildung von Restauratoren entstehen, der Bedarf sei ungeheuer groß. Gerade Frankreich könne seine Erfahrungen in diesem Bereich für die Länder des Nahen Ostens zur Verfügung stellen.

Notwendig sei auch die Inventarisierung des Kulturguts der orientalischen Christen, betonte Personnaz. In früheren Zeiten seien die orientalischen Christen gewohnt gewesen, in "schwierigen Zeiten" Ikonen, Manuskripte usw. zu verstecken, um sie dem Zugriff der Gewalttäter zu entziehen. Heute müsse man ihnen begreiflich machen, dass die Schätze religiöser Kunst umso besser geschützt seien, je mehr sie bekanntgemacht, fotografiert, digitalisiert usw. werden. Vor allem die Manuskripte bedürften der Restaurierung. Das spezialisierte Zentrum Beit Gazo im Libanon könne hier eine Vorreiterrolle für den ganzen Nahen Osten übernehmen.

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