Geld regiert die Kirchenwelt

11. Jänner 2019 in Kommentar


Die Kirche in Österreich macht einen Werbespot für Kinos. Es geht um den Kirchenbeitrag, nicht um Jesus. Ein kath.net Kommentar von Johannes Graf


Wien (kath.net/jg)
Papst Benedikt XVI. hat im September 2011 im Freiburger Konzerthaus eine kurze und sehr prägnante Ansprache an die „in Kirche und Gesellschaft engagierten Katholiken“ gehalten. Er hat dabei vor der Gefahr gewarnt, dass die Kirche sich in der Welt einrichtet und den Maßstäben der Welt angleicht. Als Gegenmittel hat er unter dem Stichwort „Entweltlichung“ eine tiefe Hinwendung zur Liebe Gottes empfohlen, aus der das Engagement der Kirche in der Welt gespeist werden soll.

Die österreichische Bischofskonferenz hat vor wenigen Tagen einige statistische Daten für das Jahr 2018 veröffentlicht. Die Zahl der Katholiken ist im Jahresvergleich erneut zurückgegangen. Mit Ende 2018 gehören knapp über 5 Millionen Menschen zur katholischen Kirche in Österreich. Die Mittel aus dem Kirchenbeitrag fließen hingegen weiter reichlich.

Die neuesten Daten liegen für 2017 vor. Mit 461 Millionen Euro ist ein neuer Höchststand erreicht worden. Rechnet man aber die offizielle Inflationsrate von 2 Prozent heraus, stagniert der Kirchenbeitrag im Vergleich zu 2016. Vor diesem Hintergrund wird eine neue Initiative der Finanzkammern der Diözesen Österreichs nachvollziehbar, da der Kirchenbeitrag mit knapp 76 Prozent den Löwenanteil der Gesamteinnahmen der Kirche in Österreich ausmacht.

Im Januar wird ein eigens produzierter Werbefilm in 70 österreichischen Kinos gezeigt. Unter dem Titel „Dein Beitrag macht den Unterschied“ sollen rund 270.000 Kinobesucher erreicht werden. Der Werbespot will „das vielfältige Wirken der Kirche in unserer Gesellschaft“ zeigen, das durch den Kirchenbeitrag möglich ist.

Das Wirken der Kirche in der Gesellschaft wird durch die Bekämpfung von Armut und Not durch die Caritas sowie Pflege und Fürsorge durch kirchliche Alten- und Pflegeeinrichtungen dargestellt. Die seelsorglichen Angebote werden durch eine kirchliche Trauung symbolisiert. Das alles ist nur so lange möglich, so lange der Kirchenbeitrag rollt. Im Werbespot wird das bildlich durch eine Musikbox dargestellt. Nur so lange Münzen eingeworfen werden, können die Dienste erhalten werden. Ob die Macher dabei an das österreichische Sprichwort „Kein Geld – keine Musik“ (auf österreichisch „Ka Göd – ka Musi“) gedacht haben?

Unter Voraussetzung der einleitenden Überlegungen von Papst Benedikt XVI. drängen sich hier einige Fragen auf. Der Werbespot und die dazugehörige Internetseite kirchenbeitrag.at richten sich offenbar primär an die Mehrheit von 4,5 Millionen Katholiken, die am Sonntag nicht in die Messe geht. Ihre Verbindung zur Kirche beschränkt sich häufig auf die Zahlung des Kirchenbeitrags, der nun einer Rechtfertigung bedarf. Dabei wird an das soziale Gewissen appelliert. Und eine kirchliche Trauung wollen ja auch viele Paare haben, die sonst nichts mit der Kirche zu tun haben. Die Internetseite weist darüber hinaus auf kulturelle Leistungen und Bildungsaufgaben hin, die von der Kirche zum Wohl der Gesellschaft erbracht werden. Der Hinweis auf die 60.000 hauptamtlichen Mitarbeiter, welche die Kirche zu einem der größten Arbeitgeber des Landes machen, fehlt ebenfalls nicht.

So sehr diese Argumentation aus Sicht der Hauptamtlichen verständlich und nachvollziehbar ist, so deutlich ist die Warnung von Benedikt XVI., ebenfalls aus der Freiburger Ansprache zitiert: „Sie (die Kirche, Anm.) gibt nicht selten Organisation und Institutionalisierung größeres Gewicht als ihrer Berufung zu der Offenheit auf Gott hin, zur Öffnung der Welt auf den Anderen hin.“

Damit soll keinem Rückzug der Kirche aus dem sozialen und kulturellen Engagement oder gar aus der Welt das Wort geredet werden. Auch Benedikt XVI. lehnt dies ab. Aber gerade die Stoßrichtung des Werbespots für den Kirchenbeitrag weist auf eine gewaltige Aufgabe für die Kirche in Österreich hin: Die Verkündigung des Glaubens, die „apostolische Sendung“, wie Papst Benedikt es nennt.

Anders gesagt: Wenn die Kirche erkannt hat, dass sie ihren eigenen Mitgliedern den „Mitgliedsbeitrag“ mit ihrem sozialen und kulturellen Engagement schmackhaft machen muss, weil mehr als achtzig Prozent am Evangelium und den Sakramenten kaum mehr interessiert sind, dann müssen sich die Verantwortlichen die Frage stellen, wo sie in Zukunft ihre Präferenzen setzen wollen, was sie als die eigentliche Aufgabe der Kirche sehen. Sie müssen sich auch die kritische Frage gefallen lassen, ob in der Vergangenheit nicht einiges in die falsche Richtung gelaufen ist.

In der Enzyklika „Deus caritas est“ charakterisiert Papst Benedikt XVI. die dreifache Aufgabe der Kirche: Verkündigung des Wortes Gottes, Feier der Sakramente und Dienst der Liebe (DCE 25). Niemand wird bestreiten, dass die Kirche Österreichs im letztgenannten Bereich, der Diakonie, großartige Arbeit leistet. In anderen beiden Bereichen war sie offenbar nicht so erfolgreich, wie der Rückgang der Zahl der Katholiken, aber noch viel mehr der Rückgang der Messbesucher, der Taufen und Firmungen und vor allem der Beichte zeigen.

Ist es angesichts dieser Entwicklung tatsächlich sinnvoll, Zeit und Geld in die Entwicklung eines Werbespots für den Kirchenbeitrag zu investieren, der die sozialen Aktivitäten der Kirche in den Vordergrund stellt? Die drei genannten Aufgaben der Kirche stehen in einem inneren Verhältnis, dessen Anfang Gott ist. Gott aber ist die Liebe (1 Joh 4,16) und Gott hat den Menschen aus Liebe erschaffen und erlöst. Aus der Gottesliebe folgt die Nächstenliebe, die sich unter anderem in der Diakonie ausdrückt. Papst Benedikt XVI. sagt es so: „Allerdings haben sich auch die karitativen Werke der Kirche immer neu dem Anspruch einer angemessenen Entweltlichung zu stellen, sollen ihr nicht angesichts der zunehmenden Entkirchlichung ihre Wurzeln vertrocknen. Nur die tiefe Beziehung zu Gott ermöglicht eine vollwertige Zuwendung zum Mitmenschen, so wie ohne Zuwendung zum Nächsten die Beziehung zu Gott verkümmert.“

Diese Mahnung gilt für alle Getauften. Zu Beginn der Freiburger Ansprache hat Papst Benedikt XVI. Mutter Teresa zitiert. Auf die Frage eines Journalisten, was sich als erstes in der Kirche ändern müsse, sagte sie: „Sie und ich!“ Das ist bei aller Kritik an den Zuständen in der Kirche immer im Auge zu behalten. Entweltlichung ist ein Thema, das uns alle angeht.

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