Das Staunen der Kleinen

23. Jänner 2019 in Jugend


Je mehr wir meinen die Welt zu verstehen, desto weniger scheinen wir zu sehen wie Er sie gedacht hat - Die Jugendkolumne von kath.net - Diese Woche ein Beitrag von Dubravka Križić


Linz (kath.net)
In einer Kirche im Süd-Osten der Herzegowina, in der Stadt Tomislavgrad (Duvno) hängt ein Gemälde. Es ist die Kirche vom Heiligen Nikola Tavelić des Franziskanischen Klosters, in dem dieses bewundernswerte Gemälde nach langem Weg seinen Platz gefunden hat: Jesus der Freund der Kleinen (orig. kroat. Isus prijatelj malenih). Gemalt von Vlaho Bukovac (*1855-†1922), einer der bedeutendsten kroatischen Maler im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert. Das Gemälde entstand im Jahre 1888 zur Zeit seines Wirkens in Paris.

Jesus steht in weißem Gewand, die Stufe herunterlaufend, vor einer unruhigen Menschenmenge. Er trägt ein Kind im Arm. Eine Frau fällt zu seinen Füßen nieder, eine andere möchte ihr Kind zu Ihm bringen. Wieder andere halten die Kinder zurück, maßregeln jene, die ihre Kinder Ihm zeigen wollen. Im Hintergrund wird ein Kind einfach in die Höhe gehoben, in der Hoffnung gesehen zu werden. Jesus streckt seinen Arm aus als würde Er die Menschen beruhigen wollen. So viel Bewegung, Spannung und Unruhe liegt in dieser Szene und nur Christus ist der Ruhepol. Zu Seinen Füßen sitzen Kinder, staunend, sich fragend wer da wohl vor ihnen stehe. Ein Kind streckt seine Arme zu Ihm aus – es möchte auch in Seinen Armen liegen. Wer möchte das nicht.

Auf die Frage der Jünger wer der Größte im Himmelreich sei, lässt Jesus ein Kind zu sich bringen und stellt es in ihre Mitte: „Wer so klein sein kann wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der Größte.“ (Mt 18, 3-5) Und doch als hätten sie es noch nicht verstanden, weisen die Jünger die Kinder zurück. Und Jesus erklärt erneut: „Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes. Amen ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.“ (Mk 10,13-16; Lk 18,15-17; Mt 19, 13-15)
In den Kleinen erkennen wir, wie Gott uns eigentlich erschaffen hat. Diese Unbekümmertheit des einfach nur Daseins ist den Kindern ins Herz geschrieben. Sie verlangen nicht viel, um dich liebzugewinnen. Kleine Dinge bringen ihnen Freude. Sie wollen einfach nur in den Arm genommen werden. Als würde das Reifen des Verstandes uns Menschen dazu bringen, diese Unbekümmertheit zu verlieren. Je mehr wir meinen die Welt zu verstehen, desto weniger scheinen wir zu sehen wie Er sie gedacht hat. Wie wunderschön Er die Welt erschuf, das sehen die Kleinsten von uns. Sie sehen die Herrlichkeit seines Werkes in allen Dingen ohne zu verstehen wie und weshalb. Das heißt nicht wir sollen in unserem Verstand nicht reifen, sondern Jesus sagt das Himmelreich sollen wir annehmen, ja erkennen wie die Kinder. Wie das Kind seine Arme zu Ihm ausstreckt und einfach nur in den Arm genommen werden will. Wie unbefangen ein Kind nach Liebe fragt. Wie einfach es Liebe annimmt.

Es ist das Staunen dieser Kleinen, das wir in der Unruhe dieser Welt verloren haben. Im Staunen sahen die ersten Philosophen den Beginn des Strebens nach Weisheit. Es ist das Bewundern dieser Welt, das den Menschen dazu bringt Fragen zu stellen. Wir wollen wissen was es auf sich hat mit dieser Welt gerade weil sie so bewundernswert ist. Die Kinder sehen das Bewundernswerte bevor sie die Frage stellen können, warum es ist und woher es kommt. Das sind Fragen des Verstandes, doch im Keim des kindlichen Staunens blühen sie auf.

In dem wiedererzählten Mythos „Du selbst bist die Antwort“ (orig. Till we have Faces) von C. S. Lewis, ist die Protagonistin Oruel auf der Suche nach ihrer Schwester Psyche, die angeblich sich selbst verloren hat und gefangen ist in ihren Wahnvorstellungen. Auf dem Weg zu ihr, spürt Oruel auf einmal das Gefühl einer unbeschreiblichen Freude, das sie selbst nicht versteht: „´Warum sollte dein Herz nicht tanzen?´ Es zeigt das Maß meiner Torheit, dass mein Herz beinahe antwortete: `Warum nicht?` Ich musste mir immer wieder, wie eine Lektion, die unendlichen Gründe dafür erklären, warum es nicht tanzen sollte. Mein Herz soll wirklich tanzen?“ (9. Kapitel)
Menschen finden immer wieder unendliche Gründe nicht zu staunen, sich nicht zu freuen, nicht zu tanzen. Doch die Schöpfung trägt es in sich bestaunt und bewundert zu werden, und dem Menschen als Ebenbild Gottes ist es ins Herz geschrieben zu staunen. Als Kinder bewegt alles unser Herz zum Tanzen.

Auch wenn wir nichts wirklich verstehen, wir spüren doch was wahr ist, wie auf dem Gemälde das kleine rotlockige Kind vor den Füßen Jesu. Es kann wohl kaum auf zwei Beinen stehen, und doch streckt es seinen Arm zu Ihm aus, weil es versteht: ich möchte getragen werden von Christus.




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