Die Kultur der Gleichgültigkeit – das Gegenteil zur Liebe Gottes

8. Jänner 2019 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: lass mein Herz von dieser Krankheit, von der Kultur der Gleichgültigkeit genesen. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Gott macht den ersten Schritt und liebt die Menschheit, die nicht zu lieben weiß, weil er Mitleid und Erbarmen hat, während wir, auch wenn wir gut sind, so oft die Bedürfnisse der anderen nicht verstehen und gleichgültig bleiben, vielleicht weil die Liebe Gottes nicht in unsere Herzen eingedrungen ist. Dies erklärte Papst Franziskus in seiner Predigt bei der heiligen Messe in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ am 8. Januar. Der Papst ging von der heutigen Liturgie aus: von der Ermahnung zur Liebe im ersten Brief des Apostels Johannes (1 Joh 4,7-10) hin zum Evangelium nach Markus (Mk 6,34-44) über die Brotvermehrung.

„Geliebte, wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott“, so Johannes (V. 7). Der Apostel erkläre, warum wir das Leben durch ihn hätten. „Das ist das Geheimnis der Liebe“, so Franziskus, „Gott hat uns zuerst geliebt. Er hat den ersten Schritt gemacht. Einen Schritt auf die Menschheit zu, die nicht zu lieben weiߓ, die „der Liebkosungen Gottes bedarf, um zu lieben“, des Zeugnisses Gottes. Und „dieser erste Schritt, den Gott gemacht hat, ist sein Sohn: er hat ihn gesandt, um uns zu retten und dem Leben einen Sinn zu geben, um uns zu erneuern, um uns neu schaffen“.

Dann betrachtete der Papst den Abschnitt aus dem Markusevangelium über die Vermehrung der Brote und der Fische. „Warum hat Gott das getan?“, fragte er sich: „aus Mitleid. Mitleid mit der großen Menschenmenge, die er sehe, als er aus dem Boot am Ufer des Sees Tiberias sehe, denn sie seien alleine gewesen: „sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben“:

„Das Herz Gottes, das Herz Jesu wurde gerührt und sieht, es sieht diese Menschen und kann nicht gleichgültig bleiben. Die Liebe ist unruhig. Die Liebe toleriert keine Gleichgültigkeit. Die Liebe hat Mitleid. Mitleid aber bedeutet, das Herz ins Spiel zu bringen. Es bedeutet Barmherzigkeit. Sein Herz anderen gegenüber ins Spiel zu bringen: das ist die Liebe. Die Liebe bedeutet, das Herz für andere ins Spiel zu bringen“.

Dann beschrieb der Papst die Szene, in der Jesus die Menschen „viele Dinge“ gelehrt habe, und die Jünger hätten sich schließlich gelangweilt, „weil Jesus immer dieselben Dinge sagte“. Und während Jesus mit Liebe und Mitleid lehre, hätten sie vielleicht angefangen, untereinander zu reden. Am Ende hätten sie auf die Uhr geschaut: „Aber es ist spät...“. Franziskus zitierte erneut den Evangelisten Markus: „Der Ort ist abgelegen und es ist schon spät. Schick sie weg, damit sie in die umliegenden Gehöfte und Dörfer gehen und sich etwas zu essen kaufen können“. Sie sagten praktisch: „dass sie selbst zurechtkommen und sich ihr Brot kaufen!“. „Aber wir können sicher sein“, kommentierte der Papst: „sie wussten, dass sie Brot für sie hatten, und sie wollten das behalten. Das ist die Gleichgültigkeit“:

„Die Jünger interessierten sich nicht für die Leute: sie interessierte Jesus, weil sie ihn liebten. Sie waren nicht schlecht: sie waren gleichgültig. Sie wussten nicht, was lieben heißt. Sie wussten nicht, was Mitleid war. Sie wussten nicht, was Gleichgültigkeit war. Sie mussten sündigen, den Meister verraten, den Meister im Stich lassen, um den Kern von Mitleid und Barmherzigkeit zu verstehen. Und Jesus – die Antwort ist scharf: ‚Gebt ihr ihnen zu essen!’. Übernimm die Verantwortung für sie. Das ist der Kampf zwischen dem Mitleid Jesu und der Gleichgültigkeit, der Gleichgültigkeit, die sich in der Geschichte immer und immer wiederholt... Viele Menschen, die gut sind, die aber die Bedürfnisse der anderen nicht verstehen, die nicht zum Mitleid fähig sind. Sie sind gute Menschen, vielleicht weil Gottes Liebe nicht in ihr Herz eingedrungen ist oder sie sie nicht eintreten lassen haben“.

An dieser Stelle beschrieb Franziskus ein Foto, das sich an den Wänden des Apostolischen Almosenamtes befindet: „Ein spontaner Schnappschuss, den ein guter römischer Junge machte“. Es habe sich um Daniele Garofani gehandelt, heute ein Fotograf des „L'Osservatore Romano, als er mit Kardinal Krajewski von einer Essensverteilung bei Obdachlosen zurückgekehrt sei: „Es ist eine Winternacht, das sieht man daran, wie die Leute angezogen sind“. Jemand komme aus einem Restaurant, die Leute seien warm gekleidet und zufrieden: „sie hatten gegessen, sie waren unter Freunden“.

Franziskus fuhr mit der Beschreibung des Fotos fort: „Dort war ein Obdachloser auf dem Boden, der das tut...“, und der Papst ahmte die Geste der Hand nach, die zum Betteln ausgestreckt worden sei. Der Fotograf sei fähig gewesen „in dem Moment abdrücken, in dem die Leute wegschauen, weil sich die Blicke nicht kreuzen“. Dies „ist die Kultur der Gleichgültigkeit. Das haben die Apostel getan: Schick sie weg, damit sie in die umliegenden Gehöfte und Dörfer gehen und sich etwas zu essen kaufen können. Dass sie sich selbst arrangieren: es ist ihr Problem. Wir haben: fünf Brote und zwei Fische für uns“.

„Die Liebe Gottes kommt immer zuerst“, so der Papst, „sie ist Liebe aus Mitleid, aus Barmherzigkeit“. Es sei wahr, dass das Gegenteil von Liebe Hass sei, aber bei so vielen Menschen gebe es keinen bewussten Hass:

„Das alltäglichste Gegenteil zur Liebe Gottes, zum Mitleid Gottes, ist die Gleichgültigkeit: die Gleichgültigkeit. ‚Ich bin zufrieden, ich vermisse nichts. Ich habe alles, ich habe dieses Leben in Sicherheit, und auch das ewige, weil ich jeden Sonntag zur Messe gehe und ich ein guter Christ bin’. ‚Aber wenn ich das Restaurant verlasse, schaue ich woanders hin’. Denken wir daran: dieser Gott, der den ersten Schritt macht, der Mitleid hat, der Erbarmen hat, und so oft wir, unsere Haltung ist die Gleichgültigkeit. Beten wir zum Herrn, dass er die Menschheit heile, beginnend mit uns: lass mein Herz von dieser Krankheit, von der Kultur der Gleichgültigkeit genesen“.

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