„Die Krippe für das Baby, das Kreuz für den Mann“

23. Dezember 2018 in Spirituelles


„Was für ein König ist das? Wer sagt, er sei ein Gott, wird verlacht“ – „Keine Seide. Kein Lammfell. Kein Armreif aus Elfenbein“ – „Der die Zeit durchschreitet, erlernt das Krabbeln“ Gastbeitrag von Julia Beylouny


Paderborn (kath.net) Es ist bitterkalt.
Der Frost überhaucht Gipfel und Wipfel, Gräser und Gewässer mit klirrendem Atem.
Eiskristalle glitzern im Mondschein.
Er hat sich gelegt, der Lärm des Tages. Still ist es geworden unter den Menschen.
Ein Esel schnaubt unter der Last einer Frau, die er trägt.
Ein Mann begleitet sie durch die Nacht.
Niemand ist dort, sie aufzunehmen, sie zu empfangen, sie zu begrüßen.
Das ist der Einzug des Königs.
Keine Pauken. Keine Trompeten. Keine Vorhut. Keine Rosse und Wagen. Kein Gold. Keine Krone.
Ein Unterstand aus Holz, gezimmert für einen Esel und einen Ochsen.
Zwischen Mist und Staub steht ein Futtertrog.
Spinnenweben flattern im Wind.
Stroh ragt aus dem Trog heraus. Stroh, an dem das Vieh kaut, an dem der Speichel der Tiere klebt.
Das ist das Bettchen des Königs.
Keine Seide. Kein Lammfell. Keine Glöckchen. Keine Amme. Kein Armreif aus Elfenbein.

Was für ein König ist das?
Wer sagt, er sei ein Gott, wird verlacht.
Wer sagt, er sei ein Herrscher, wird verspottet.
Wer sagt, er sei der Retter, wird gesteinigt.
Ein Mann und eine Frau werden Eltern in dieser Nacht.
Der König bekommt, was er ist, denn Liebe nährt Liebe.

Er steigt herab von seinem Thron, legt ab sein goldenes Kleid und das Zepter.
Seinen allwissenden Verstand, seine Unsterblichkeit tauscht er ein gegen kaltes, vergängliches Fleisch.
Er will sein wie wir und wird zu Staub.
Er will fühlen wie wir und spürt den Tod.
Er will mit uns leiden und hat Zweifel und Angst.
Der die Zeit durchschreitet, erlernt das Krabbeln.
Der Speise und Quelle ist, hat Hunger und Durst.
Der auffängt und rettet, sucht hilflos nach Halt.
Der heilt und tröstet, schlägt zu Boden und blutet.
Der lebt, er stirbt.
Das Wort, es wird sprachlos.
Die Weisheit, sie wird Kind.

Das ist die Nacht der Nächte. Das ist die Logik der Liebe.
Die Krippe für das Baby, das Kreuz für den Mann.
Er ist das Licht dieser Welt.

Julia Beylouny ist Romanautorin. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Paderborn.


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