Ukraine: Konstantinopel hebt Kirchenspaltung auf

15. Oktober 2018 in Weltkirche


Entscheidung des Synods des Patriarchats von Konstantinopel: Kirchenbann gegen bisher schismatische Kirchenoberhäupter Filaret und Makarij aufgehoben - Weiterer konkreter Schritt in Richtung eigenständige ukrainische Kirche


Istanbul-Moskau (kath.net/KAP) Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel hat weitere eindeutige Schritte hin zur Gewährung der Eigenständigkeit der orthodoxen Kirche in der Ukraine unternommen. Zum Abschluss der Sitzung des Synods des Patriarchats wurde am Donnerstagabend in einem offiziellem Kommunique mitgeteilt, den bisher als schismatisch geltenden "Patriarchen" Filaret (Denisenko) des "Kiewer Patriarchats" und Metropolit Makarij (Maletytsch), Oberhaupt der bisher ebenfalls nicht anerkannten, bereits 1920 gegründeten Ukrainischen Autokephalen Orthodoxen Kirche wieder in ihre kanonischen Rechte einzusetzen. Die Aufhebung des Kirchenbanns gilt auch für den Klerus und die Gläubigen der beiden Kirchenoberhäupter.
Der Beschluss verschärft nach Einschätzung von Beobachtern den Konflikt mit dem Moskauer Patriarchat über die kirchliche Zuständigkeit für die Ukraine.

In dem insgesamt fünf Punkte umfassenden Kommunique des Ökumenischen Patriarchats wird darauf verwiesen, dass Denisenko und Maletytsch sich "nicht aus dogmatischen Gründen" im Schisma befunden hätten. In Übereinstimmung mit den kanonischen Vorrechten des Patriarchen von Konstantinopel, Einsprüche von Bischöfen und anderen Priestern aus allen autokephalen Kirchen annehmen zu können, habe man der Berufung von Denisenko und Maletytsch gegen die vom Moskauer Patriarchat verhängte Laisierung und Exkommunikation stattgegeben. Denisenko und Maletytsch seien daher kirchenrechtlich in ihren hierarchischen bzw. priesterlichen Rang wiedereingesetzt worden, die "Gemeinschaft mit der Kirche" sei wiederhergestellt.

Gegen den heute 89-jährigen Filaret war 1995 vom Bischofskonzil der Russisch-orthodoxen Kirche der Kirchenbann verhängt worden, nachdem er die Unabhängigkeit der von ihm geleiteten Kirche (Kiewer Patriarchat) vom Moskauer Patriarchat erklärt hatte. Anfang 2018 hatte Filaret an Konstantinopel als gesamtorthodoxe Höchstinstanz appelliert, die über ihn verhängten Kirchenstrafen aufzuheben. Die Einzelheiten dieser Rehabilitierung wurden im September in London besprochen, wo Filaret sich mit dem Ökumenischen Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., und dessen Ukraineexperten, Metropolit Emmanuel Adamakis von Paris, getroffen hatte.

Aus drei anerkannten Kirchen soll eine werden

Zusammen mit der bisher einzig von der Weltorthodoxie anerkannten Ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats existieren damit in der Ukraine drei kanonische orthodoxe Kirchen. Aus ihnen soll jetzt nach dem Willen Konstantinopels die gemeinsame, einheitliche Autokephalkirche errichtet werden.
Diesem Zweck dürfte auch die weiters mitgeteilte Maßnahme dienen, dass die "stavropegialen Rechte" des Ökumenischen Patriarchats in Kiew wiederhergestellt werden sollen. "Stavropegial" bedeutet, dass ein Kloster direkt unter der Autorität des Patriarchen steht. In Kiew gibt es bisher kein Konstantinopel unterstelltes Kloster. Daher wird vermutet, dass im ausgedehnten Gelände des Kiewer Höhlenklosters, wo Patriarch Filaret kürzlich einen Teil für sich reklamiert hatte, neben dem "stavropegialen" Kloster des Moskauer Patriarchats auch ein ebensolches Kloster des "Kiewer Patriarchats" entstehen soll.

Das neue Kloster soll als Zentrum des Autokephalieprozesses dienen und Sitz der beiden im September zur Vorbereitung der Unabhängigkeit entsandten Konstantinopler Exarchen Erzbischof Daniel (Zelinsky) und Bischof Hilarion (Rudnyk) werden.

Abkommen von 1686 aufgekündigt

Weiters wurde am Donnerstag bekanntgegeben, dass der Heilige Synod von Konstantinopel die Gültigkeit des Synodalbriefes von 1686 aufkündigte, der auf Grund der Zeitumstände dem Patriarchen von Moskau das Recht erteilt hatte, den Metropoliten von Kiew zu weihen. Dieser Metropolit habe aber von einer Versammlung des "Klerus und der Laien" der Kiewer Eparchie gewählt werden müssen. Zudem habe der Metropolit die Auflage gehabt, den Ökumenischen Patriarchen bei jeder Feier der Göttlichen Liturgie als "Ersthierarchen" zu nennen und damit seine kirchenrechtliche Abhängigkeit von der "Mutterkirche von Konstantinopel" zu unterstreichen.

Der Konstantinopler Synod unter dem Vorsitz von Patriarch Bartholomaios I. bekräftigte in der Erklärung zudem seine Absicht, bei der Gewährung der Autokephalie "voranzuschreiten". Die Promulgation des "Tomos" (Bulle) zur Verleihung der Eigenständigkeit (Autokephalie) an die Ukrainische Orthodoxe Kirche dürfte damit nur mehr eine Frage der Zeit sein.

Abschließend heißt es in der Erklärung des Synods freilich auch, man appelliere "an alle Beteiligten", die "Besitzergreifung von Kirchen, Klöstern und anderen Besitztümern" wie auch "alle Akte von Gewalt und Vergeltung" zu vermeiden, sodass der "Friede und die Liebe Christi obsiegen" möge.
Ukrainische Regierung jubelt

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko wertete die Entscheidungen des Synods in einer ersten Stellungnahme als "großen Sieg des von Gott geliebten ukrainischen Volkes über die Moskauer Dämonen" und "Sieg des Guten über das Böse". Und weiter wörtlich: "Das ist der Fall des dritten Roms, des ältesten Anspruchs Moskaus auf die Weltherrschaft." Russland verliere "einen der letzten Hebel des Einflusses in seiner ehemaligen Kolonie", so Poroschenko. In der Kirchenfrage gehe es um "unsere nationale Sicherheit", die ukrainische Souveränität und Geopolitik. Eine eigenständige orthodoxe Landeskirche sei Teil der "pro-europäischen und pro-ukrainischen" Strategie Kiews.
Der russischen Regierung warf er vor, einen "Religionskrieg" in der Ukraine anzetteln zu wollen. Hinter Aufrufen zur Übernahme von Klöstern und Kirchen stünden russische Agenten. Die Schaffung einer von Moskau unabhängigen Kirche sei ein "Weg zu Frieden, Ruhe und Verständigung".

Moskauer Patriarchat: "Gesetzloser Akt"

Metropolit Hilarion (Alfejew), Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats, bezeichnete die Maßnahmen Konstantinopels am späten Donnerstagabend in einer ersten Stellungnahme via Interfax als "gesetzlosen Akt". Auch in einem - vor Bekanntgabe der neuen Schritte des Patriarchats von Konstantinopel geführten - Interview mit der "Wiener Zeitung" (Freitag-Ausgabe) übte er heftige Kritik an den Proponenten der Unabhängigkeitsbewegung. "Die säkularen Autoritäten der Ukraine mischen sich in die Angelegenheiten der Kirche ein. Damit wird die Spaltung weiter vorangetrieben. Wir haben alle Beteiligten vor den möglichen Konsequenzen gewarnt", wird Hilarion darin zitiert.

Er wies zudem vehement alle Vorwürfe zurück, wonach die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats zu stark von Moskau beeinflusst sei. Hilarion wörtlich dazu: "Das ist eine Lüge. Denn diese Kirche ist selbstverwaltet." Die Kirche sei weder in Personalangelegenheiten noch in finanziellen Angelegenheiten und auch nicht in Verwaltungsfragen von Moskau abhängig. Der Metropolit von Kiew sei ein permanentes Mitglied der Synode der russisch-orthodoxen Kirche. Somit habe der Metropolit von Kiew Einfluss auf die Angelegenheiten der russisch-orthodoxen Kirche. Umgekehrt gebe es keinen einzigen Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche in der Synode der ukrainischen Kirche. Hilarion: "Die Kirche ist also zu 100 Prozent unabhängig", und sie habe auch nicht um Eigenständigkeit angesucht.

Die russische Nachrichtenagentur Interfax zitierte am Freitag den Abgeordneten Vadim Novinsky, der die Aufkündigung des kirchlichen Abkommens aus dem Jahr 1686 für nichtig erklärte. Diese hätte die gleiche Bedeutung, als wenn Großbritannien heute die Unabhängigkeit Indiens aufheben würde. Im übrigen sei auch das kleine Territorium der Kiewer Metropolie des 17. Jahrhunderts nicht zu vergleichen mit der Ukraine im 21. Jahrhundert.

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