Gynäkologe: Geschlechtsbedingte Abtreibungen auch in Österreich

15. Oktober 2018 in Prolife


AKH-Oberarzt Langer bei Wiener Podiumsdiskussion zur Bürgerinitiative "#fairändern": Eugenische Indikation eine "offene Wunde"


Wien (kath.net/KAP) Auch in Österreich gab es bereits Fälle von "Selektion aufgrund des Geschlechts": Das sei eine der Folgen der immer präziser werdenden Pränataldiagnostik, mit der als "Nebenwirkung" auch das Geschlecht des Embryos immer früher bestimmt werden kann, hat der Oberarzt der Frauenklinik am Wiener AKH, Martin Langer, bestätigt. Langer zufolge seien die Ärzte daher dazu übergegangen, den Eltern innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen - in welchen Abtreibungen straffrei sind - keine diesbezüglichen Auskünfte mehr zu geben.

Langer äußerte sich am Freitagabend bei einer Wiener Podiumsdiskussion, zu der die Evangelische Allianz Wien in das Veranstaltungszentrum "Novum" beim Hauptbahnhof geladen hatte. Im Zentrum standen Forderungen der derzeit laufenden Bürgerinitiative "#fairändern", darunter die anonymisierte Statistik und Motivforschung für Abtreibungen, die verpflichtende dreitägige Bedenkzeit vor diesen, der Ausbau von Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangeboten samt ärztlicher Hinweispflicht darauf sowie die Abschaffung der "eugenischen Indikation", derzufolge Kinder bei schwerer gesundheitlicher Beeinträchtigung derzeit bis zur Geburt abgetrieben werden dürfen.

Schätzungen zufolge gibt es 35.000 Abtreibungen in Österreich pro Jahr, im Vergleich zur Schweiz (10.000) und Deutschland (100.000) eine sehr hohe Zahl. "Wenn das stimmt, dann liegen wir in Europa an der traurigen Spitze. Wir möchten wissen, warum das so ist und wie wir den betroffenen Frauen besser helfen können", sagte Petra Plonner, Erstunterzeichnerin und stellvertretende Vorsitzende von #fairändern. Sie selbst habe als junge Frau abgetrieben und lange unter dem Tabu gelitten. Daher wünsche sie sich bessere Begleitung und Beratung für Frauen, damit diese Entscheidungen treffen, mit der sie gut leben können.

Dass Pränataldiagnostik zur "Selektion" missbraucht werde, kritisierte neben Plonner auch der Präsident des Österreichischen Behindertenrats, Herbert Pichler. Er wolle nicht das Recht auf Selbstbestimmung oder die Fristenlösung in Frage stellen, doch dürfe das Leben eines nichtbehinderten Kindes nicht mehr wert sein als das eines behinderten Kindes. "Wir stellen fest: Das Kind hat eine Behinderung. Wie viel Zeit bleibt, es zu töten?", formulierte Pichler das Problem überspitzt und forderte ein gesellschaftliches Umdenken.

Frauen unter Druck

Den großen Druck, unter dem Frauen stünden, beschrieb Hebamme und Trauerbegleiterin Renate Mitterhuber. Für Frauen, die oft sehnlichst ein Kind erwartet hatten, breche eine Welt zusammen, wenn sich bei den vorgeburtlichen Untersuchungen Auffälligkeiten zeigen. Zwar habe sich die psychologische Begleitung verbessert, dennoch fühlen sich viele Frauen in ihrer Not alleine gelassen. "Es ist menschenunwürdig, über Leben und Tod in der Schwangerschaft entscheiden zu müssen", so die Hebamme im Blick auf die in der Menschheitsgeschichte erstmalige Situation, dass beispielsweise das Down-Syndrom vor der Geburt entdeckt werden könne.

Viele Frauen könnten es sich in ihrer derzeitigen Lebenssituation einfach nicht vorstellen, mit einem Kind mit Down-Syndrom zu leben, so Mitterhuber weiter. "Die Unbefangenheit fehlt, dass man sich in das Kind verliebt, wenn es da ist", erklärte die Hebamme fehlende Bonding-Erfahrungen zwischen Mutter und Kind vor der Geburt. Wünschenswert seien
gut funktionierende Netzwerke für betroffene Frauen, wie es diese bereits in der Schweiz gebe; auch solle für die Begleitung der Frauen ebensoviel Geld in die Hand genommen werde wie für die Pränataldiagnostik. Für Hebammen selbst forderte Mitterhuber mehr Schulung und Beratung, denn diese würden oft damit "zwangsbeglückt", die Geburt nach einem Schwangerschaftsabbruch zu begleiten zu müssen

Suche nach "pragmatischen Lösungen"

Unter hohem Druck stünden auch die Ärzte, unterstrich AKH-Oberarzt Langer; mit religiösen Vorstellungen seien die Probleme nicht zu lösen. Lehne die Frauenklinik des AKH einen Fetozid ab, erfahre er oft, dass die betroffenen Frauen ins Ausland fahren, um dort den Abbruch vorzunehmen. Die Klinik verstehe sich daher als "lernende Institution", die versuche, gute und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen - und oft auch, "pragmatische Lösungen" zu finden.
Dass Ärzte und Ärztinnen Druck auf Patientinnen ausübten, verneinte der Wiener Gynäkologe; so gäbe es beispielsweise keine Verpflichtung zur Nackenfaltenmessung, und immer wieder würden sich Paare doch dafür entscheiden, Kinder mit schweren Beeinträchtigungen zu bekommen. Dennoch müsse man von einer "offenen Wunde" und einem "großen Problem" sprechen angesichts der Tatsache, dass fast ein Viertel aller Schwangerschaftsabbrüche mit "eugenischer Indikation" auf das Down-Syndrom entfallen.

Initiative läuft bis 24. November

Die Bürgerinitiative #fairändern, die sich für mehr Hilfe für Frauen im Schwangerschaftskonflikt einsetzt, liegt noch bis 24. November zur Unterschrift auf. Prominente Unterzeichner sind etwa die "Miss Earth 2016" Kimberly Budinsky, die Moderatorin Nora Kahn oder der Thai-Boxweltmeister Fadi Merza. Neben katholischen Würdenträgern wie Kardinal Christoph Schönborn und Erzbischof Franz Lackner unterstützt auch der frühere niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll die Anliegen der Bürgerinitiative. (Infos: https://fairaendern.at)

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