Kirche und Missbrauch: Reden oder schweigen?

29. September 2018 in Kommentar


Was bleibt einem, wenn man zu einem Thema nichts mehr zu sagen hat? Nicht weil es nichts zu sagen gäbe, aber weil alles zu kurz greift? Gastkommentar von Felix Honekamp


Berlin (kath.net/Papsttreuer Blog) Lange kein Beitrag mehr auf diesem Blog? Eigentlich gibt es, wie immer, ausreichend Themen, politische, geistliche und theologische. Allerdings drängt sich mir immer wieder das Missbrauchsthema auf, an dem ich als Katholik in diesen Tagen nicht vorbei komme. Über politische Ränkespiele in Berlin mag ich, auch wenn ich eine explizite Meinung dazu habe, hier nicht schreiben. Und da stellt sich die Frage: Ist in der jetzigen Situation besser, zu schweigen? Was ist die Alternative?

Die Rolle der Bischöfe

Da kommt die Deutsche Bischofskonferenz zusammen und jeder der Teilnehmer bemüht sich, sich möglichst noch betroffener zu zeigen vom Missbrauchsbericht als sein Vorredner. Niemand möchte sich nachsagen lassen, er nehme das Thema nicht ernst. Aber wissen Sie, was mich wirklich umtreibt? Dass nach diesem Bericht bis zu 5 % Kleriker Täter waren. Die schon zu Beginn der Berichterstattung aufgeworfene Frage stellt sich direkt: Das haben die Bischöfe in dieser Form nicht wahrgenommen? Sehr unwahrscheinlich.

Und wenn doch: Sind sie dann ihrer Rolle überhaupt gerecht geworden? Wobei sich daraus kein Beweis gegen einzelne Bischöfe ergibt. Nur scheint mir eines sicher: Unter den Teilnehmern der Bischofskonferenz, die so traurig wie nur möglich geschaut haben, werden welche dabei gewesen sein, die schuldig geworden sind: Als Vertuscher oder gar als Täter.

Verantwortung

In einer derartigen Gemengelage habe ich Respekt vor den Bischöfen Chiles, die in vergleichbarer Situation dem Papst gemeinsam ihren Rücktritt angeboten haben. Die Mehrzahl von ihnen wird sich nichts zu Schulden kommen lassen haben, aber sie übernehmen die Verantwortung. Vergleich: Der Chef der Stasi-Opfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, hat gerade gekündigt aufgrund von gehäuften Fällen sexueller Belästigung … ohne, dass er selbst auch nur Anschuldigungen ausgesetzt war. Man hat ihn aus dem Amt gedrängt, vermutlich wohl auch, weil er den etablierten Stasi-Tätern von der Sorte Kahanes ein Dorn im Auge war. Aber der Unterschied zwischen ihm und den deutschen Bischöfen sticht ins Auge.

Strukturen

Wenn es – wie oft beschworen – „Strukturen“ waren, die den Missbrauch in der katholischen Kirche gefördert haben, dann sind das eben nicht Zölibat oder Morallehre sondern Seilschaften, die eine Verdrängung des Themas befördern. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, und schützt Du mich, helfe ich Dir auch. Wenn selbst die DBK heute meint, man müsse über die Morallehre, beispielsweise die Einschätzung von Homosexualität oder den Zölibat neu nachdanken, dann kann ich das als nichts anderes einordnen, als die Fortsetzung dieser Mechanismen.

Um es auf den Punkt zu bringen: Statt persönliche Verantwortung zu übernehmen, sucht man die Ursache lieber in der biblisch und der über Jahrhunderte begründeten Lehre der Kirche. Jesus hat die Schuld ja schon mal auf sich genommen, da kann er das auch noch nehmen?

„Die Menschen glauben uns nicht mehr“

Kardinal Marx hat es deutlich gesagt: „Die Menschen glauben uns nicht mehr!“ Recht hat er: Ich traue einem Kardinal Marx in dieser Sache nicht weiter als ich gucken kann! Wenn die Menschen einem Kardinal nicht mehr glauben, ist das allerdings nur halb so schlimm. Jetzt aber muss sich der Glaube an Jesus Christus plötzlich an den Missständen in der Kirchenhierarchie messen.

Die Menschen glauben nicht nur den Bischöfen nicht mehr, sie fangen an, auch ganz normalen Katholiken nicht mehr zu glauben, die versuchen, sich schützend vor die Kirche als den lebendigen Leib Jesu zu stellen. Sie glauben uns nicht mehr, wenn wir versuchen zu verdeutlichen, warum die Lehre der Kirche der einzige Weg ist, ein erfülltes und gottgemäßes Leben zu leben. Oder wiederum auf den Punkt: Wegen der zum Täter gewordenen Priester und der Undurchsichtigkeit der Bischöfe glauben die Menschen Christus nicht mehr!

Maßstäbe?

Und der Papst? Er gibt bei einem Interview zu bedenken, dass man die Vertuschung des Missbrauchs nicht mit heutigen Maßstäben messen dürfe; dass in früheren Zeiten auch anderswo vertuscht wurde. Wohlgemerkt: Es geht um die Vertuschung, also um die Verantwortung der Bischöfe, die hier relativiert werden soll.

Nach einem Bericht der „Welt“ erlaubte Franziskus auf dem Weg zurück von Tallin, auf dem genau diese Äußerung gefallen ist, einem Reporter nicht, eine Frage zu den Vorwürfen des früheren Vatikanbotschafters in den USA, Carlo Maria Viganò, zu stellen. Transparenz? Einsicht? Wille zur Besserung? Sind das wirklich die Aussagen zu einem solchen Thema, die man von einem Papst, dem Nachfolger Petri, der ein Fels sein sollte, auf den die Kirche aufgebaut ist, erwarten darf?

Schluss …

Ich gebe zu: Ich mag nicht mehr! Ich mag mich nicht mehr für meinen Blognamen rechtfertigen. Ich mag nicht mehr die Kirche verteidigen, wenn ihre weltlichen Verantwortungsträger auf breiter Front versagen. Ich mag diese Kirche aber diesen verirrten Hirten auch nicht ausliefern, sie damit alleine lassen. Ich suche noch nach meiner Rolle … und so lange, wie ich sie nicht gefunden habe, werde ich in diesem Blog zu Kirchenthemen schweigen. Es ist nicht das Ende des PAPSTTREUENBLOGs, das kann ich meinen treuen Lesern versprechen. Aber derzeit kann ich unter dieser Flagge nicht zu diesen Themen schreiben.

… aber kein Ende

Ich habe noch einige Bücher in der Pipeline, zu denen ich gerne Rezensionen veröffentlichen werde (die ich teilweise auch den Verlagen bzw. Autoren auch noch schuldig bin), in der Politik und Gesellschaft gibt es auch ausreichende Themen, die man aus der Freiheits- und der Glaubensperspektive beleuchten sollte. Aber zum Thema Missbrauch, Kirchenpolitik, Papst Franziskus‘ Pontifikat und ähnlichen Themen war es das bis auf weiteres.

Ich bete für unsere Kirche, ich bete auch für unsere Bischöfe, ich bete auch für den Papst … aber mehr kann ich ihnen derzeit nicht Gutes tun. Es ist doch so, dass auch unsere Hirten einen eigenen Hirten brauchen, und so hoffe ich, dass sie ihn (wieder-) finden und sich neu orientieren können: Neu nicht im Sinne einer anderen Kirche sondern im Sinne eines anderen Verständnisses der eigene Person innerhalb dieser Kirche.

Zu dieser Rolle werde ich wohl kaum berufen sein. Und darum schweige ich dazu.

Symbolbild: Hl. Apostel Petrus


Archivbild (c) kath.net/Petra Lorleberg


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