Papst im Baltikum: Unabhängigkeit, Marienfrömmigkeit und Ökumene

20. September 2018 in Weltkirche


Selten nimmt sich Franziskus so viel Zeit für eine Europa-Reise wie bei seinem Besuch des Baltikums Ende September - Das viertägige Programm ist vielfältig und trägt der historischen wie der religiösen Entwicklung dort Rechnung


Vatikanstadt (kath.net/KAP) Papst Franziskus nimmt die Ränder in den Blick - das gilt auch, wenn er Europa bereist. So führt seine 25. Auslandsreise den 81-jährigen Papst nach Osteuropa, ins Baltikum. Vom 22. bis 25. September bereist er Litauen, Lettland und Estland. Während er bei seinen bisherigen Europareisen eher auf eintägige Stippvisiten setzte, nimmt sich Franziskus für das Baltikum vier Tage Zeit. Der letzte Papstbesuch liegt 25 Jahre zurück. 1993 war der Pole Johannes Paul II. (1978-2005) dort.

Das als Baltikum bekannte Dreiergespann wird oft als Einheit wahrgenommen. Historisch, religiös und sprachlich gibt es jedoch einige Unterschiede. So erwartet den Papst eine sehr facettenreiche Reise. Dies schlägt sich auch im Programm nieder, bei dem sich mit den Themen "Unabhängigkeit", "Marienfrömmigkeit" und "Ökumene" drei Schwerpunkte ausmachen lassen.

Ein gemeinsames Thema ist die staatliche Unabhängigkeit der Länder, die alle 1918 ausriefen. Dieses 100-Jahr-Jubiläum ist offizieller Anlass des Papstbesuchs und dürfte Thema seiner Reden vor Vertretern aus Diplomatie, Politik und Zivilgesellschaft sein. Er trifft sie jeweils in den Hauptstädten: Vilnius, Riga und Tallinn.

Die Unabhängigkeit hielt nur kurz, bis 1940; dann folgte bis 1991 die Sowjetherrschaft, die Spuren hinterließ. Auch für die katholische Kirche begann ein Leidensweg. In Vilnius besucht Franziskus das KGB-Museum, das an die Zeit der Besatzungen und Freiheitskämpfe erinnert; in Riga legt er am Freiheitsdenkmal Blumen nieder, und in Tallinn feiert er eine Messe auf dem Freiheitsplatz.

In Litauen, das ans katholische Polen grenzt, hat der Papst fast ein Heimspiel: Hier sind etwa 80 Prozent der Bevölkerung katholisch. Hingegen sind sie im eher protestantisch geprägten Lettland und in Estland in der Minderheit. Von den 1,9 Millionen Letten sind etwa ein Drittel Lutheraner, rund 21 Prozent katholisch und eine etwas kleinere Gruppe orthodox.

In Estland ist die Bevölkerungsmehrheit konfessionslos. Weniger als 30 Prozent bekennen sich zu einer christlichen Kirche, vor allem der lutherischen und der orthodoxen. Nur rund 6.000 der etwa 1,3 Millionen Esten sind katholisch.

Ein starker Glaubenspfeiler ist die Marienfrömmigkeit. Sie bildet einen weiteren Schwerpunkt des Papstprogramms. Am Tag seiner Ankunft am 22. September besucht Franziskus in Vilnius das "Tor der Morgenröte" mit der Marienikone "Muttergottes der Barmherzigkeit". Auch Johannes Paul II. betete hier bei seinem Besuch vor 25 Jahren. Noch weiter ins Zentrum rückt die Gottesmutter beim Besuch in Lettland, wo die Marienverehrung besonders verbreitet ist. Das zeigt schon das Vatikan-Logo zur Reise mit Marienbild und den Worten "Zeige dich als Mutter".

Nach dem Besuch der Hauptstadt Riga beschließt Franziskus seine eintägige Lettland-Visite (24. September) mit einem großen Gottesdienst unter freiem Himmel beim Marienheiligtum Gottesmutter von Aglona (deutsch: Aglohn). Das dortige Heiligenbild ist im Logo der Papstreise zu sehen. In das "lettische Lourdes" kommen zu Mariä Himmelfahrt jährlich rund 100.000 Pilger; beim Papstbesuch 1993 soll es eine halbe Million gewesen sein.

Dritter Schwerpunkt ist die Ökumene. Sie tritt beim Papstbesuch in Lettland und Estland in den Vordergrund. So steht im größten baltischen Gotteshaus, dem lutherischen Dom in Riga eine ökumenische Begegnung auf dem Programm. An seinem letzten Besuchstag der Reise trifft sich der Papst am 25. September außerdem mit Jugendlichen zu einer ökumenischen Begegnung in der lutherischen Karlskirche von Tallinn.

Offen bleibt, ob Franziskus auf die im Baltikum weit verbreitete Korruption eingeht oder auf die starke Abwanderung ins Ausland. Andere erhoffen sich klare Worte Richtung Russland. Die Beziehungen dorthin sind seit Beginn der Ukraine-Krise 2014 besonders angespannt. Die Erinnerungen an die Zeiten der sowjetischen Expansion sind noch lebendig.

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