Missbrauch und Kinderschutz erneut Thema beim "K9"-Kardinalsrat

10. September 2018 in Weltkirche


Seit fünf Jahren arbeitet der engste Beraterkreis von Papst Franziskus an der Erneuerung der Kurie - Der Umgang mit dem Kinderschutz ist dabei ein Prüfstein und ein Schatten - Hintergrundbericht von Kathpress-Korrespondent Burkhard Jürgens


Vatikanstadt (kath.net/KAP) Der kirchliche Missbrauchsskandal wird wieder auf der Tagesordnung stehen, wenn Anfang dieser Woche im Vatikan der Kardinalsrat ("K9-Rat") mit Papst Franziskus hinter verschlossenen Türen berät. Eigentlich zur Reform des Kurienapparats berufen, befasste sich das kleine, namhaft besetzte Gremium seit seiner ersten Sitzung vor ziemlich genau fünf Jahren fortlaufend auch mit dem Thema Kinderschutz. Wie es auf diesem Feld in der katholischen Kirche steht, gilt auch als ein Maßstab für den Erfolg des Beraterkreises.

So geht die päpstliche Kinderschutzkommission auf eine der ersten Initiativen der ursprünglich acht, inzwischen neun Kardinäle zurück. Im Dezember 2013, wohl nur zufällig in zeitlicher Nähe zu dem Kinderschutzbericht, den der Vatikanstaat den UN vorzulegen hatte, entwickelte das Gremium diese Idee.

Zum Vorsitzenden der Kinderschutzkommission ernannte Franziskus den US-Vertreter im K9-Rats, Kardinal Sean O'Malley. Dieser brachte als Erzbischof von Boston eine zehnjährige Erfahrung als Aufräumer nach dem dortigen Skandal unter Kardinal Bernard Law (1931-2017) mit. Die Kommission, im März 2014 gegründet, zeigte wiederholt keine Scheu, ihr Wort auch gegen Papst Franziskus selbst zu erheben, etwa als der die körperliche Züchtigung von Kindern bagatellisierte.

Zwei Opfervertreter indessen - die Irin Marie Collins und der Brite Peter Saunders - verließen den Ausschuss im Eklat, weil die Kurie aus ihrer Sicht nur schleppend oder gar nicht mitzog. Zum Hintergrund ihrer Verstimmung gehört das vatikanische Vorgehen gegen Kirchenobere, die sich gegenüber Missbrauch in ihrem Verantwortungsbereich zu nachlässig zeigten. Die Kinderschutzkommission und der Kardinalsrat sprachen sich beide im Juni 2015 für eigene kirchliche Justizinstrumente zur Ahndung von Aufsichtsvergehen aus - ohne dass davon etwas deutlich sichtbar wurde.

Das Thema Missbrauch beschäftigt den Kardinalsrat nicht nur in den regelmäßigen Rechenschaftsberichten O'Malleys, sondern auch persönlich. Von den neun Mitgliedern des Rates stehen zwei unter besonderem öffentlichen Druck: Während sich George Pell (77) vor Gericht in seinem Heimatland Australien gegen Missbrauchsvorwürfe verteidigt, hängt dem Chilenen Francisco Javier Errazuriz (85) die Beschuldigung an, als Erzbischof von Santiago die Strafverfolgung von Sexualvergehen behindert zu haben. Beide Kardinäle bestreiten ein Fehlverhalten.

Pell, als Leiter des vatikanischen Wirtschaftssekretariates auf einem der einflussreichsten Kurienposten, ist seit Juni 2017 beurlaubt. Ihm wird von australischen Ermittlern vorgeworfen, vor Jahrzehnten gegen männliche Teenager sexuell übergriffig geworden zu sein. Als Erzbischof von Melbourne (1996-2001) erließ er ein eigenes strenges Regelwerk zum Vorgehen gegen Missbrauch - wenngleich ohne Abstimmung mit der übrigen Bischofskonferenz.

Errazuriz soll nach Darstellung von Missbrauchsopfern in Chile über Jahre hinweg die Strafverfolgung von Sexualvergehen in der Erzdiözese Santiago unterbunden haben. In Teilen der chilenischen Öffentlichkeit gilt er gemeinsam mit seinem Nachfolger Kardinal Ricardo Ezzati (76) als Exponent eines Systems der Vertuschung. Prominente Opfer schilderten dem Papst Ende April persönlich ihre Sicht, die an Errazuriz wenig Gutes ließ. Dennoch nahm er an der folgenden Kardinalsratssitzung im Juni teil.

Zeitweise versuchten Medien, den Koordinator des Rates, den honduranischen Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga (75), in eine angebliche Sex- und Korruptionsaffäre um seinen inzwischen zurückgetretenen Weihbischof Juan Pineda hineinzuziehen; Maradiaga wurden finanzielle Unkorrektheiten nachgesagt. In beiden Fällen verpuffte die Aufregung bald. Inzwischen steht auch O'Malley (74) unter schärferer Beobachtung konservativer Kreise, die ihm, dem Chef der Kinderschutzkommission, Versäumnisse daheim in Boston nachweisen wollen.

Aus dem Vatikan heißt es, die Mitgliedschaften im Kardinalsrat sollten über die übliche Amtszeit von fünf Jahren hinaus bestehen bleiben. Aber ein paar kleinere Reformen, scheint es, hat das Reformgremium selbst nötig.

Copyright 2018 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich
Alle Rechte vorbehalten


© 2018 www.kath.net