Franziskus: Todesstrafe ist unzulässig und gehört abgeschafft

2. August 2018 in Aktuelles


Todesstrafe - Papst Franziskus lässt Katechismus abändern - Neue Passage im Wortlaut auf kath.net


Rom (kath.net)
Der Vatikan hat am Donnerstag mitgeteilt, dass Papst Franziskus die Passage über die Todesstrafe im Weltkatechismus geändert hat und die alte Passage durch eine neue ersetzen hat lassen. Franziskus hat schon 2017 bei einer Veranstaltung mitgeteilt, dass die Verurteilung der Todesstrafe im Katechismus "angemessener und konsequenter" einen Ausdruck finden müsse.

Die neue Passage im WORTLAUT:

Todesstrafe

2267. Lange Zeit wurde der Rückgriff auf die Todesstrafe durch die rechtmäßige Autorität – nach einem ordentlichen Gerichtsverfahren – als eine angemessene Antwort auf die Schwere einiger Verbrechen und als ein annehmbares, wenn auch extremes Mittel zur Wahrung des Gemeinwohls angesehen.

Heute gibt es ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass die Würde der Person auch dann nicht verloren geht, wenn jemand schwerste Verbrechen begangen hat. Hinzu kommt, dass sich ein neues Verständnis vom Sinn der Strafsanktionen durch den Staat verbreitet hat. Schließlich wurden wirksamere Haftsysteme entwickelt, welche die pflichtgemäße Verteidigung der Bürger garantieren, zugleich aber dem Täter nicht endgültig die Möglichkeit der Besserung nehmen.

Deshalb lehrt die Kirche im Licht des Evangeliums, dass „die Todesstrafe unzulässig ist, weil sie gegen die Unantastbarkeit und Würde der Person verstößt“ [[1]], und setzt sich mit Entschiedenheit für deren Abschaffung in der ganzen Welt ein.


KATH.NET dokumentiert auch einen Brief der Glaubenskongregation:

KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE

Schreiben an die Bischöfe

über die neue Formulierung der Nr. 2267

des Katechismus der Katholischen Kirche

bezüglich der Todesstrafe

1. In der Ansprache zum 25. Jahrestag der Veröffentlichung der Apostolischen Konstitution Fidei depositum, mit der Johannes Paul II. den Katechismus der Katholischen Kirche promulgierte, hat Papst Franziskus dazu aufgerufen, die Lehre über die Todesstrafe neu zu formulieren, um die in jüngster Zeit erfolgte Entwicklung der Lehre zu diesem Thema besser zusammenzufassen.[1] Diese Entwicklung beruht hauptsächlich darauf, dass es in der Kirche ein immer klareres Bewusstsein der Achtung gibt, die jedem menschlichen Leben geschuldet wird. In diesem Sinn stellte Johannes Paul II. fest: «Nicht einmal der Mörder verliert seine Personwürde, und Gott selber leistet dafür Gewähr».[2]

2. In diesem Licht ist die Haltung zur Todesstrafe zu verstehen, die sich in der Lehre der Hirten und im Empfinden des Volkes Gottes immer mehr durchgesetzt hat. Wenn nämlich die politische und soziale Lage früherer Zeiten die Todesstrafe zu einem annehmbaren Mittel für die Wahrung des Gemeinwohls machte, so haben heute die wachsende Einsicht, dass die Menschenwürde auch durch das Begehen schwerster Verbrechen nicht verloren geht, ein vertieftes Verständnis vom Sinn der Strafsanktionen durch den Staat sowie das Vorhandensein von wirksameren Haftsystemen, die den erforderlichen Schutz der Bürger sicherstellen, zu einem neuen Bewusstsein geführt, das die Unzulässigkeit der Todesstrafe anerkennt und deshalb ihre Abschaffung fordert.

3. In dieser Entwicklung ist die Lehre der Enzyklika Evangelium vitae von Johannes Paul II. von großer Bedeutung. Dieser Papst erwähnte unter den Hoffnungszeichen für eine neue Zivilisation des Lebens «die immer weiter verbreitete Abneigung der öffentlichen Meinung gegen die Todesstrafe selbst als Mittel sozialer „Notwehr“, in Anbetracht der Möglichkeiten, über die eine moderne Gesellschaft verfügt, um das Verbrechen wirksam mit Methoden zu unterdrücken, die zwar den Täter unschädlich machen, ihm aber nicht endgültig die Möglichkeit der Besserung nehmen».[3] Die Lehre von Evangelium vitae wurde in der editio typica des Katechismus der Katholischen Kirche aufgegriffen. Darin ist die Todesstrafe nicht als eine der Schwere des Verbrechens entsprechende Strafe dargestellt, sondern wird nur dann gerechtfertigt, wenn sie «der einzig gangbare Weg wäre, um das Leben von Menschen wirksam gegen einen ungerechten Angreifer zu verteidigen», auch wenn heute «die Fälle, in denen die Beseitigung des Schuldigen absolut notwendig ist, schon sehr selten oder praktisch überhaupt nicht mehr gegeben» sind (Nr. 2267).

4. Johannes Paul II. äußerte sich auch bei anderen Gelegenheiten gegen die Todesstrafe und berief sich dabei auf die Achtung vor der Würde der Person wie auch auf die Mittel der modernen Gesellschaft, um sich vor Verbrechern zu schützen. So brachte er in der Weihnachtsbotschaft 1998 den Wunsch zum Ausdruck, dass «in der Welt der Konsens über dringende und angemessene Maßnahmen erhalten (bleibe) mit dem Ziel , die Todesstrafe abzuschaffen».[4] Im darauf folgenden Monat wiederholte er in den Vereinigten Staaten: «Ein Zeichen der Hoffnung ist die zunehmende Einsicht, dass die Würde des menschlichen Lebens niemals in Abrede gestellt werden darf, auch dann nicht, wenn jemand ein Verbrechen begangen hat. Die moderne Gesellschaft hat die Mittel, sich selbst zu schützen, ohne Verbrechern die Möglichkeit der Besserung endgültig zu nehmen. Ich rufe erneut dazu auf, wie ich es kürzlich an Weihnachten getan habe, zu einer Übereinstimmung bezüglich der Abschaffung der Todesstrafe, die grausam und unnötig ist, zu kommen».[5]

5. Der entschiedene Einsatz für die Abschaffung der Todesstrafe ging unter den nachfolgenden Päpsten weiter. Benedikt XVI. machte «die Verantwortlichen der Gesellschaft … auf die Notwendigkeit aufmerksam, alles im Bereich des Möglichen zu tun, um die Abschaffung der Todesstrafe zu erlangen».[6] Später brachte er vor einer Gruppe von Gläubigen den Wunsch zum Ausdruck, dass «eure Entscheidungen die politischen und gesetzgeberischen Initiativen fördern, die in einer wachsenden Zahl von Ländern vorangetrieben werden, um die Todesstrafe abzuschaffen und wesentliche Fortschritte zu unterstützen, damit das Strafrecht den Ansprüchen der Menschenwürde der Gefangenen wie auch der wirksamen Erhaltung der öffentlichen Ordnung angeglichen werden».[7]

6. Auf derselben Linie bekräftigte Papst Franziskus: «In der heutigen Zeit ist die Todesstrafe unzulässig, so schwer das Verbrechen des Verurteilten auch sein mag».[8] Auf welche Weise die Todesstrafe auch vollzogen wird, immer schließt sie «eine grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung» ein.[9] Sie ist auch «wegen der mangelhaften Selektivität des Strafrechtssystems und angesichts der Möglichkeit des Justizirrtums» abzulehnen.[10] In diesem Licht rief Papst Franziskus dazu auf, den Abschnitt über die Todesstrafe im Katechismus der Katholischen Kirche neu zu formulieren, um zu betonen, «dass, egal wie schwer das begangene Verbrechen auch war, die Todesstrafe unzulässig ist, weil sie gegen die Unverletzbarkeit und Würde des Menschen verstößt».[11]

7. Die neue Formulierung der Nr. 2267 des Katechismus der Katholischen Kirche, die Papst Franziskus approbiert hat, liegt auf der Linie des vorausgehenden Lehramts und führt eine konsequente Entwicklung der katholische Lehre weiter.[12] Der neue Text folgt den Spuren der Lehre von Johannes Paul II. in Evangelium vitae und bekräftigt, dass die Unterdrückung des Lebens eines Verbrechers als Strafe für ein Vergehen unzulässig ist, weil sie gegen die Würde der Person verstößt, eine Würde, die auch dann nicht verloren geht, wenn jemand schwerste Verbrechen begangen hat. Zu diesem Schluss gelangt man auch, wenn man die vom modernen Staat angewandten Strafsanktionen in Betracht zieht, die vor allem auf die Besserung und soziale Wiedereingliederung des Verbrechers abzielen müssen. Schließlich ist die Todesstrafe unter Berücksichtigung der wirksameren Haftsysteme der modernen Gesellschaft nicht notwendig, um das Leben unschuldiger Personen zu schützen. Selbstverständlich bleibt die Pflicht der öffentlichen Autorität bestehen, das Leben der Bürger zu verteidigen, wie das Lehramt immer bestätigt hat und wie der Katechismus der Katholischen Kirche in den Nummern 2265 und 2266 bekräftigt.

8. All das zeigt, dass die neue Formulierung der Nr. 2267 des Katechismus eine authentische Entwicklung der Lehre ausdrückt, die nicht im Widerspruch zu früheren Aussagen des Lehramts steht. Diese Aussagen können nämlich im Licht der vorrangigen Verantwortung der öffentlichen Autorität für die Wahrung des Gemeinwohls in einem sozialen Umfeld verstanden werden, in dem die Strafsanktionen eine andere Bedeutung hatten und in einem Milieu erfolgten, in dem es schwerer war zu garantieren, dass der Verbrecher sein Vergehen nicht mehr wiederholen kann.

9. In der neuen Formulierung wird hinzugefügt, dass das Bewusstsein über die Unzulässigkeit der Todesstrafe «im Licht des Evangeliums»[13] gewachsen ist. Das Evangelium trägt nämlich zu einem besseren Verständnis der geschaffenen Ordnung bei, die der Sohn Gottes angenommen, gereinigt und zur Fülle gebracht hat. Es lädt uns auch ein, die Barmherzigkeit und die Geduld des Herrn zu üben, der jedem Zeit schenkt, sich zu bekehren.

10. Die neue Formulierung der Nr. 2267 des Katechismus der Katholischen Kirche möchte, auch durch einen respektvollen Dialog mit den politischen Autoritäten, zu einem entschiedenen Einsatz dafür anspornen, dass eine Mentalität gefördert wird, welche die Würde jedes menschlichen Lebens anerkannt, und die Bedingungen entstehen können, um die Todesstrafe heute abzuschaffen, wo sie noch in Kraft ist.

Papst Franziskus hat in der dem unterzeichneten Sekretär am 28. Juni 2018 gewährten Audienz das vorliegende Schreiben, das von der Ordentlichen Versammlung dieser Kongregation am 13. Juni 2018 beschlossen worden war, gutgeheißen und seine Veröffentlichung angeordnet.

Gegeben zu Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, am 1. August 2018, dem Gedenktag des heiligen Alfons Maria von Liguori.

Luis F. Card. Ladaria, S.I.

Präfekt

+ Giacomo Morandi

Titularerzbischof von Cerveteri

Sekretär


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