Jesus wird in deinem Leben Dinge erschüttern...

24. Juli 2018 in Interview


...damit du dich fokussierst auf das, was das Wahre ist. Die katholische Kirche hat ein Grundproblem: Sie hat mit der Jüngerschaft aufgehört - Interview mit Patrick Knittelfelder und Lisa Perwein von der HOME MISSION Base in Salzburg - Von Linda Noe


Linz (kath.net)
KATH.NET: Im Zuge der „Holy Spirit Night“, einer Gebetstagung Ende Juni in Salzburg, habt ihr als katholische Loretto Gemeinschaft mit mehreren freikirchlichen Gemeinden zusammengearbeitet. Wie kam es dazu?

Patrick Knittelfelder: Wir müssen die Schrift einfach ernst nehmen, und das heißt, dass wir um Einheit ringen müssen. Ich glaube es gibt unterschiedliche Ansätze von Einheit. Die offizielle, amtliche Ökumene, ist super, wunderbar, aber hat mit unserem täglichen Leben eigentlich überhaupt nichts zu tun. Und dann gibt es eine andere Ökumene, Prof. Winkler auf der Universität Salzburg nennt sie spirituelle Ökumene. Die passiert einfach, wenn sich Christen von jedwedem Hintergrund treffen und sagen: Ja, wir wissen, aus welchem Lager wir kommen, wir werden uns nicht ändern. Ich bin katholisch, ich war noch nie in meinem Leben so katholisch, wie ich heute bin. Ein anderer ist Baptist, ein anderer ist Freichrist, ein anderer ist Pfinglster. Ein jeder soll dort bleiben wo er ist, aber wir können ganz vieles gemeinsam machen. Ich glaube, es ist wirklich wie im Psalm 133, wie an diesem Bart des Aarons, an dem das Salböl herunter rinnt, wenn Christen etwas gemeinsam machen. Und so haben wir vor Jahren schon begonnen, im Kleineren, Dinge einfach gemeinsam zu machen, Gebetsabende zum Beispiel. Und die waren unheimlich stark. Ich kann mich noch erinnern, ganz am Anfang haben wir uns getroffen, als Leitungsteam, und haben uns überlegt, wie wir das machen. Es waren größte theologische Bedenken da, wie dieser Gebetsabend ablaufe könnte.

Dann haben wir den ersten Gebetsabend gemacht, und der Himmel war offen! Da gibt’s keine großen Diskussionen über irgend etwas. Gott die Ehre zu geben und in Fürbitte zu gehen, Wächter auf der Mauer zu sein und vieles andere, sollte eigentlich für jeden Christen selbstverständlich sein. Aber ich glaube, für diese spirituelle Ökumene braucht es eines, und das ist dieses wohlwollende Herz. Wenn Du kein wohlwollendes Herz hast, sondern eine Krämerseele in Dir drinnen ist, dann kann Ökumene nie funktionieren. Weil du nur das Schlechte siehst, weil du nur siehst, was am anderen nicht passt.

Wenn du ein wohlwollendes Herz hast, dann ist so viel möglich, und das erleben wir in Salzburg, und wir erleben die Präsenz Gottes in einer ganz außergewöhnliche Form hier. Ich bin mir sicher und ich weiß, das ist erst der Anfang.

Lisa Perwein: Was ich sehr schön gefunden habe an der Zusammenarbeit, das von Anfang an eine große Wertschätzung da war, großer Respekt und eigentlich auch eine große Liebe. In einem Gebetsvorbereitungstreffen haben wir um Einheit gebetet, es war so, dass wir in kleinen Teams zusammen waren. Ich war war mit Pastoren von einer Freikirche zusammen und sie haben dann gesagt: „Wir lieben euch von ganzem Herzen, wir ehren und schätzen euch, ihr als katholische Loretto Gemeinschaft seid für uns eine echte Gebetserhörung. Wir beten schon so lange für die katholische Kirche.“ Sie waren beim Pfingstfest der Lorettos in Salzburg dabei, und so weiter, sie wissen auch genau, was bei uns läuft. Das ist eine Ebene, die eine Riesenfreude macht. Dass wir so gemeinsam beten können, und man merkt, dass das, was im Psalm 133 steht, stimmt. Dass Gott dorthin seinen Segen befiehlt, wo Brüder in Eintracht beten, und dieser Segen ist spürbar.

KATH.NET: Ganz konkret, wer hat wen angesprochen mitzumachen, die Holy Spirit Night gemeinsam zu organisieren?

Lisa Perwein: Der Initiator war der Helmut Gehmacher von der Life Church. Er hat uns angesprochen, weil wir bereits ein Jahr davor ein Konzert von „Jesus Revolution“ gemeinsam gemacht hatten. Das ist so gut gegangen. Er brennt für diese Holy Spirit Night und hat uns gefragt, ob wir dabei sind. Dann ist die dritte und vierte Gemeinde dazu gekommen, dann ist das weiter gegangen, bis es elf Gemeinden waren.

Patrick Knittelfelder: Wobei man vielleicht noch ergänzen kann zu dieser spirituellen Ökumene und zu dem, was wir da machen, dass es erstaunlich ist, wie viele Leiter aus freichristlichen Gemeinden mit so einem großen Wohlwollen auf Katholiken schauen und sagen, dass sie bereit sind, da rein zu investieren.

Warum? Weil sie wissen, dass Erweckung nicht gehen wird, ohne die katholische Kirche. Manche sagen auch, die katholische Kirche ist ein Schlüssel der Erweckung. Es ist so schön zu sehen, wie Menschen unter Tränen für die katholische Kirche beten, aber nicht dieses „Herr, rette diese Kirche“, sondern „Herr, bitte verwende diese Kirche, die Du so wunderbar geschaffen hast“. Pete Greig von 24/7, Nicky Gumble, Leiter wie Jean-Luc Trachsel, auch Bruce Clewett muss da erwähnt werden, überhaupt „Jugend mit einer Mission“´, die so viel schenken, damit Erweckung über die katholische Kirche gehen kann, bis zu IHOP, ICF und Bethel. Da heißt es bei ICF: „Patrick, wenn du irgend etwas brauchst, dann ruf mich an. Wir lieben es, euch zu dienen, weil unser Herz für die katholische Kirche schlägt.“

Das ist die Basis. Mit einer Krämerseele wirst du nur Krämer züchten, und mit einem offenen Herzen kannst Du Reich Gottes bauen und kann Reich Gottes Kultur beginnen.

KATH.NET: Johannes Hartl hat in seinem Impuls bei der Holy Spirit Night aber auch gesagt, dass diese Einheit zu den am meisten angefochtenen Dingen gehört. Ist das etwas, was ihr auch spürt? Was kann man tun?

Patrick Knittelfelder: Es kostet sehr viel. Das Rezept dagegen ist, sich nicht verunsichern lassen. Gott ist so groß. Ich bin erlöst, Jesus ist mit mir, Nase im Wind lassen. Ein bisschen das Elia Pinzip. Das trifft bei jeder großen geistigen Leiterschaft zu. Es ist erstaunlich, ganz egal, mit welchem Leiter ich spreche. Wie Elia: er hat die ganzen Baalspriester hingeschlachtet, und dann kommt so eine kleine Isebel, und Elia denkt, jetzt ist alles aus. Mir geht’s ganz oft so: da ist ein Riesending irgendwo am Laufen, dann kommst Du nach Hause und verlierst jede Kraft und jede Energie wegen einer Kleinigkeit, und man denkt sich, das kann´s ja jetzt nicht sein. Dann heißt es: langsamer machen.

Lisa Perwein: Mein Herz brennt schon lange für die Einheit, weil ich persönlich einen großen Schmerz in die Richtung erfahren habe, wo ich verurteilt wurde als Katholikin. Ich muss sagen, dass ich unglaublich viel Heilung jetzt erfahre, durch diese Zusammenarbeit im Rahmen der Holy Spirit Night. Für mich ist es also eher so, dass es sehr viel Positives, sehr viel Heilung bedeutet. Natürlich kostet alles etwas, das ist aber immer so, wenn man sich für das Reich Gottes einsetzt.

KATH.NET: Ihr habt eine Jüngerschaftsschule auf der so genannten HOME Mission Base in Salzburg. Jüngerschaft ist ein Begriff, den ich persönlich auf meinem katholischen Werdegang nicht so viel gehört habe, etwas, was mir durch Freichristen neu entgegen gekommen ist. Was bedeutet das für euch?

Patrick Knittelfelder: Meine geliebte katholische Kirche hat ein Grundproblem, und das ist, dass wir 300 nach Christus aufgehört haben mit Jüngerschaft, bis auf wenige Ausnahmen. In Jüngerschaft liegt allerdings der Schlüssel, sie ist die Grundlage. Wir finden, viele Menschen führen ein super religiöses Leben, die leben in den Sakramenten, sind hoch praktizierende Christen, gehen einmal im Monat beichten, gehen mehrfach in der Woche zur Eucharistie, machen alle denkbaren Frömmigkeitsübungen, und dann passiert das, was Jesus sagt: „ich werde alles erschüttern“. Also: wenn in deinem Leben noch nicht alles erschüttert worden ist, ich kann dir sagen: es WIRD alles erschüttert werden. Jesus sagt, dass das passieren wird, damit das bleibt, was Bestand hat. Er wird in deinem Leben Dinge erschüttern, damit du dich fokussierst auf das, was das Wahre ist. Ich habe das so oft in meinem Leben miterlebt, von katholischen Freunden, die ein sehr religiöses Leben geführt haben, und dann eine große Erschütterung gekommen ist, wie Krankheit, Jobverlust, damit Identitätsverlust oder Ähnliches, dann bricht das ganze Gebäude zusammen, und heute kannst du die oft gar nicht mehr fragen, was sie mit dem Glauben am Hut haben, denn sie sagen: nichts mehr. Das Problem ist, das der Unterbau gefehlt hat, und das ist Jüngerschaft.

Die Jüngerschaftsthemen sind in unserer Kirche nicht vorhanden, das ist ein ganz, ganz großes Problem.
Diese Themen sind Fundamente, die Basis auf der wir stehen.

KATH.NET: Was meinst du mit „Jüngerschaftsthemen“?

Patrick Knittelfelder: Erstens das Vaterherz Gottes. Ich bin erschrocken, wie wenig Katholiken über das Vaterherz Gottes wissen, was der generelle Wille Gottes für ihr Leben ist, wie Reich Gottes Kultur funktioniert. Wenn du Menschen bittest: sag mir fünf bis sieben Reich-Gottes Prinzipien, dann hörst du irgendwas von Liebe und vom Teilen. Das ist nichts. Wenn du den neuen Menschen anziehst, wenn du getauft bist, lebst du nach anderen Gesetzen, nicht mehr nach den Gesetzen der Welt. Niemand kann dir solche Prinzipien aufzählen. Das Vaterherz kennen geht nur mit viel stiller Zeit, mit Intimität, Autorität, Signifikanz, du musst die Schrift kennen. Wenn du die Schrift nicht kennst und dich nicht hinein versenkst, wie willst du Gottes Willen für dein Leben erkennen?

Zweite wichtige Säule, vielleicht die am meisten vernachlässigte, ist Selbstannahme und Identität. Jetzt sagst du zu mir: wo findest du Selbstannahme und Identität in der Heiligen Schrift? Da darf ich dir antworten: von der Genesis bis in die Apostelgeschichte ist es das große Thema, das sich durchzieht. Wer bin ich eigentlich als Kind Gottes, was ist eigentlich wirklich meine Identität, und aus dieser Identität heraus handeln. Die gesamte Kirche hat einen Identitätsverlust.

Ganz viele aufrichtigste Gläubige wissen nicht um ihre Identität. Selbstannahme: ganz viele Leute glauben, Gott hat einen Fehler gemacht, weil meine Nase zu groß ist. Aber Gott ist der, der dich gewoben hat im Schoße deiner Mutter, der dich perfekt gemacht hat, er hat keine Fehler gemacht. Wenn du deine Identität hast, dann hast du deine Selbstannahme, dann relativieren sich all diese Dinge wie „was soll ich in meinem Leben machen, wie soll ich mit meiner Menschenfurcht umgehen, was soll ich tun in dieser oder jener schwierigen Situation......?“ All das relativiert sich, wenn du deine Identität in Christus gründest. Das klingt so leicht, aber das ist ein Riesenprozess, und über diesen Prozess lernst du in unserer Kirche nichts.

Dritter ganz großer Punkt ist: Gottes Stimme hören und die Unterscheidung der Geister. Du wirst selten irgendwo gelehrt, wie du Gottes Stimme hören kannst. Es kommen Menschen daher, die sagen, ich hab jetzt den Eindruck, dass das und das ist, und wenn du näher hinschaust, sind es emotionsgetriebene Menschen, die ihre Emotionen nicht kultiviert haben und aus Emotionen heraus handeln, weil sie glauben, dass das der Eindruck Gottes ist, das ist es aber meistens nicht. Es braucht eine Kultivierung, damit man lernt die Stimme Gottes zu hören. Das fängt mit ganz einfachen Punkten an, die kein Mensch hören will.

Der vierte Punkt ist der schwierigste Punkt: Jesus, Herr über mein Leben. Das klingt so gut, aber das ist die große Herausforderung. Wenn Jesus wirklich Herr über mein Leben ist, was spielt das für eine Rolle in welchem Land, in welcher Stadt ich arbeite, welchen Beruf ich habe, wo ich bin und was ich tue? Ich tue das, wo ich die größte Frucht bringen kann. Das ist wie beim werdenden Jünger. Der werdende Jünger tut alles, um spirituell zu wachsen,er fragt sich: „Wo habe ich auftanken können, wo habe ich neue Erkenntnisse sammeln können...?“

Der fortgeschrittene Jünger denkt: „Du sitzt mir jetzt gegenüber, wie sieht eigentlich Gott dich, und was kann ich dir zusprechen was du noch gar nicht siehst in deinem Leben. Mit anderen Worten: was kann ich tun damit du größer wirst als ich selbst?“

Von diesen Säulen hören wir beinahe nirgends. Ich spreche ganz oft vor Priestern. Nie wird so viel mitgeschrieben und die Flipcharts fotografiert wie bei diesem Vortrag über die Grundlagen der Jüngerschaft.

Lisa Perwein: Mir ist es auch so gegangen, das ich den Begriff der Jüngerschaft früher nicht so gekannt habe, aber mir ist das in den letzten Jahren immer mehr bewusst geworden, natürlich auch durch die Arbeit auf der HOME Mission Base. Mein persönliches Beispiel ist genau das, was der Patrick gesagt hat. Jesus hat mein Leben erschüttert, und durch diesen Prozess, der eine lange und schmerzvolle Erfahrung für mich war, bin ich aber tatsächlich drauf gekommen, dass ich lange Zeit meinen Weg gegangen bin und froh war, dass Jesus ihn mit mir gegangen ist. Jüngerschaft bedeutet aber, dass Jesus voraus geht und ich folge ihm nach. Und das ist dieses schwierige Thema, diese Herrschaft Jesu in meinem Leben. Ich gebe ihm alles. Das ist, glaube ich, so ein Wechsel, der im Christsein stattfinden muss.

KATH.NET: Ich habe vorhin gesagt, dass ich persönlich dieses Prinzip der Jüngerschaft von freichristlichen Freunden kennen gelernt habe. Ist es umgekehrt auch so, dass Christen aus diesen Gemeinden zu euch kommen und sagen, das lerne ich von euch Katholiken, von der Katholischen Kirche? Was nennen sie da als Beispiele?

Lisa Perwein: Bei uns sind immer wieder Freichristen auf der Mission Base. Patrick sagt immer, wir haben die Füße fest in der Katholischen Kirche, wir stehen mit beiden Beinen in der katholischen Kirche, aber wir haben unsere Arme weit ausgebreitet. Und deswegen denke ich ist es auch anziehend für andere Konfessionen, Freichristen und so weiter. Die schauen ganz genau, was wir machen. Die so genannte J9 ist eine katholische Jüngerschaftsschule, und wir haben natürlich die katholischen Elemente eingebaut, und es schauen viele da drauf.

Patrick Knittelfelder: Das, was Freikirchen an Katholiken schätzen, ist, das wir so eine aufwändige Liturgie machen, das wir so eine Ehrfurcht in unsere Eucharistiefeier hineinlegen. Wir haben ganz oft Freichristen, die mit uns zur Hl. Messe mitgehen, die staunen über diese Ehrfurcht. Sie staunen über eucharistische Anbetung, und ich höre immer wieder von freichristlichen Freunden, die mitgehen in die Anbetung, die berührt sind und sagen, sie spüren so eine Präsenz Gottes.

Was sie noch schätzen ist die Schönheit, die die Kirche eigentlich an den Tag legt und welche Mühen die Kirche unternimmt, in ihren liturgischen Handlungen und in ihrem Sein, letztlich. Was ich auch oft höre, betrifft den Erfahrungsschatz der katholischen Kirche. Das klingt jetzt ein bisschen komisch, aber wenn man zum Beispiel in den Bookstore des IHOP, dieses House of prayer in Kansas City, reinschaut, dann findest du alle großen Mystiker, alle großen Kirchenlehrer. Wenn du Nicky Gumbel anschaust oder Pete Greig, die ständig Cantalamessa zitieren oder Kirchenlehrer aus längst vergangenen Jahren. Dieser Schatz, der da ist, wird dankbar angenommen. Oder die Ernsthaftigkeit in unserer Sukzession, dass wir so beharren auf die Überlieferung der Tradition. Was auf der einen Seite sehr herausfordernd ist, auf der anderen Seite jedoch zeigt es, was es für einen großen Wert hat, diese viele Jahrhunderte, Jahrtausende alte Geschichte. In diese mit einzusteigen, diese zu aktualisieren.

KATH.NET: Danke Euch, für das Gespräch!








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