Das Kreuz ist unser Schlüssel zur Heiligkeit

13. Juli 2018 in Kommentar


Heiligkeit gibt unserem Leben eine edle Würde und Erhabenheit zurück, die unsere Stammeltern einst verloren haben - BeneDicta am Freitag von Isabella Gräfin Kageneck


Linz (kath.net)
Als junges Mädchen hatte ich so allerlei Pläne und Vorstellungen, was ich im Leben alles erreichen und werden wollte. Fernsehmoderatorin fand ich als 8-Jährige so toll, dass ich mit selbstgebastelten Moderationskarten auf der großelterlichen Terrasse vor einem imaginären Publikum zur allgemeinen Erheiterung der Nachbarschaft fleißig übte. Tierärztin stand auch eine Zeit lang ganz hoch im Kurs, bis ich einem Tierarzt bei einer kleiner OP am Pferd assistieren musste und dabei merkte, dass sich der liebe Gott doch wohl etwas anderes für mich ausgedacht haben musste ...

Natürlich hinterließen auch die mir vorgelesenen oder selbst gelesenen Märchenbücher ihre Spuren: Irgendwann würde auch an meinem Turmfenster ein Prinz auf einem Schimmel Halt und mich zu seiner Königin machen (kurzer Realitätscheck: nach Monaten des Übens habe ich meinen Mann zumindest schon mal soweit, dass er einem Pferd ein Leckerchen geben kann!). So weit, so normal, so unspektakulär.

Jeder von uns versucht einer bestimmten Berufung nachzugehen. Woran habe ich Freude? Welche Talente habe ich, was kann ich gut; was eher schlecht? Was ist mir wichtig im Leben? Das sind alles ganz normale Fragen, die Christen wie Nicht-Christen haben. Doch das ist nicht das letzte Ziel, sondern allenfalls ein Mittel, das eigentliche Ziel unseres Lebens zu erreichen: heilig zu werden. Als ich zum ersten Mal hörte, dass jeder einzelne Mensch von Gott dazu berufen ist, heilig zu werden, reagierte ich wenig enthusiastisch.

Irgendwie klang das total langweilig. Heilig werden? Ich stellte mir sofort ein Bild von Kräutertee-trinkenden Engeln vor, die auf Wölkchen-Sesseln bis in alle Ewigkeit sitzen und froh sind, mit dem „Laden“ hier unten nichts mehr zu tun und dort oben endlich ihre Ruhe zu haben.

Kurzum: damit konnte ich irgendwie nicht so recht etwas anfangen. Also fragte ich Gott, was es denn damit auf sich habe. Als erstes schenkte Gott mir meine Lieblingsheilige Edith Stein, deren Leben ich sofort bis in das kleinste Detail studierte. Eine Frau, die mich unwahrscheinlich fesselte und faszinierte und die so gar nicht langweilig war. Mich irritierte, dass sie sich selbst auch überhaupt nicht als Heilige gesehen hat, wie sie es einmal in einem Brief ausdrückte. Sie stand unumwunden zu ihren Fehlern. Da hatte ich also schon einmal einen ersten Anhaltspunkt: Heilig sein bedeutet nicht fehlerlos zu sein. Im Gegenteil: Es gibt viele Geschichten von Heiligen, die zeitlebens mit vielen und teilweise schweren Fehlern des Charakters oder der Persönlichkeit zu kämpfen hatten. Na, das macht ja schon mal Mut.

Als nächstes führte mich Gott zu der Priorin des Kölner Karmels, deren folgenden Satz ich nie vergessen werde: „Wir sind alle dazu berufen heilig zu werden. Sonst hat das hier unten ja alles gar keinen Sinn.“ Sie erinnerte auch an den berühmten Ausspruch Teresa von Avilas, wonach man Gott zwischen Kochtöpfen begegnen könne. Da war also mein zweiter Anhaltspunkt: Um heilig zu werden, muss man nicht unbedingt eine außerordentliche Tat oder ein großes Opfer (Märtyrertum) vollbringen. Das versuchte auch Johannes Paul II. deutlich zu machen; nicht zuletzt anhand der besonders großen Zahl der Heiligsprechungen während seines Pontifikats.

„Heiligkeit“, so schreibt es der Katechismus, „ist die Fülle des christlichen Lebens“. Wer also nach Heiligkeit strebt, den erwartet kein totlangweiliges Leben, sondern im Gegenteil ein Leben der Fülle, der Freude, des Glücks, das bereits hier beginnt. Einen Haken gibt es (leider): „Der Weg der Heiligung des Christen führt über das Kreuz.“, so führt der Katechismus weiter aus. Welches Kreuz das für jeden Einzelnen ist, muss jeder selbst im Gebet mit Gott herausfinden. Es ist aber ganz sicher nicht nur einfach ein schweres, todbringendes Kreuz, sondern der individuelle Schlüssel zum Glück für jeden von uns. Nur mit diesem Schlüssel, können wir die Tür zur Heiligkeit öffnen. Wir können ihn leider nicht umtauschen; ihn wegzuwerfen wäre fatal.

Das Kreuz zur Heiligkeit ist unser Schlüssel für das Leben, das Gott für uns einzeln vorgesehen hat. Es ist der Schlüssel dazu, zu der Person zu werden, die Gott in mich hineingelegt hat und dabei sogar noch Miterlöser für Andere zu werden. Es verwundert daher nicht, wieso das Thema „Heiligkeit“ so aus der Mode gekommen zu sein scheint, warum es so angestaubt und langweilig wirkt. Es ist eine alte List des Feindes, die wirklich wertvollen Dinge des (übernatürlichen) Lebens als nicht erstrebenswert darzustellen. Denn der Feind weiß, dass mit jedem Kreuz, das nicht mehr bloß als Kreuz, sondern als Schlüssel zum wahren Leben in und bei Gott gebraucht und angenommen wird, sein dunkles Reich zu beben beginnt und an Macht verliert, während das Reich Gottes in Jubel ausbricht und immer stärker wird. Der heilige Josefmaria Escrivá schrieb einmal: „Es gibt Weltkrisen, weil es an Heiligen fehlt.“ Und auch Papst Franziskus sprach in seinem apostolischen Schreiben „Gaudete et Exultate“ von der „Heiligkeit von nebenan“. Heiligkeit ist nichts, was ich bequem als vermeintlich nicht erreichbares Ideal in weite Ferne rücken könnte, nur um mich in einem mittelmäßigen Leben bequem zurücklehnen zu können. Sicher, wir werden oft stürzen auf dem Weg dorthin. Der Feind und unsere eigenen Unzulänglichkeiten werden schon dafür sorgen, dass wir mehr als einmal ins Wanken geraten werden. Daher ist es umso wichtiger – und auch das haben uns die Heiligen vorgelebt – immer für die Gnade Gottes offen zu bleiben. Denn ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass Heiligkeit nur etwas mit unserer Anstrengung zu tun hätte. Sie ist aber ein Geschenk, eine Gnade, die Gott uns gegeben hat. Dieses Geschenk jeden Tag neu anzunehmen, bringt uns schon ein ganzes Stück weiter.

Auch ein Mensch, der aus gesundheitlichen Gründen weiß Gott nicht mehr in der Lage ist, irgendwelche „große Taten“ zu vollbringen, kann heilig werden, wenn er Gottes Gnade annehmen kann. So kann er selbst auf dem Kranken- oder Sterbebett für Andere zum Licht werden. In jedem noch so schweren Kreuz, sei es eine unheilbare Krankheit, zerplatzte Lebensträume u.v.a. schenkt Gott uns eine Gnade, nach der wir suchen und fragen müssen. Wenn wir diese dann annehmen können und uns dafür offen zeigen, haben wir unseren individuellen Schlüssel schon in das Türschloss zur Heiligkeit gesteckt.

Heiligkeit gibt unserem Leben eine edle Würde und Erhabenheit zurück, die unsere Stammeltern einst verloren haben. Die Heiligen, das sind die „Adligen Gottes“. Und diesen „Adel des Herzens“ besitzt jeder von uns, ganz egal wo er geboren wurde oder wer seine Eltern waren. Man muss ihn nur entdecken.

Auch hier macht uns die heilige Teresia Benedicta vom Kreuz (Edith Stein) Mut, wenn sie schreibt: „Aus der dunkelsten Nacht treten die größten Propheten – Heiligengestalten hervor. Aber zum großen Teil bleibt der gestaltende Strom des mystischen Lebens unsichtbar. Sicherlich werden die entscheidenden Wendungen in der Weltgeschichte wesentlich mitbestimmt durch Seelen, von denen kein Geschichtsbuch etwas meldet.“



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