Für ein Glück, das wir nicht in der Hand haben

22. Juni 2018 in Kommentar


Tränen über den Tod weinen wir alle, aber Freudentränen über die Möglichkeit, ungestraft sein ungeborenes Kind töten zu können, das ist erschütternd. Wie weit sind wir gekommen? BeneDicta am Freitag von Gudrun Trausmuth


Wien (kath.net)
Ich war zugegebenermaßen skeptisch, als ich zum ersten Mal von Veronika Grohsebners Roman „Johnny Designed“ hörte; vermutlich hatte ich Angst vor einer Funktionalisierung der Fiktion. Und dann las ich den Roman von Veronika Grohsebner vor einigen Jahren doch und erst kürzlich wieder, und immer bin ich zutiefst ergriffen. Meine Skepsis wich einem großen Respekt: da schaffte es jemand auf organische Weise, die Lasten, die unser Umgang mit dem Leben(srecht) den Menschen auferlegt, in eine Romanhandlung zu verweben, oder umgekehrt, einen Roman zu schreiben, der in einem dezitierten Verhältnis zu jenen tragischen Realitäten unserer Zeit steht, die gesetzt werden, um ein selbstbestimmtes und selbstverwirklichtes Lebens umzusetzen, und die doch so viele Wunden verursachen: Johnny Geißler, 16jährig, sportlich, hochintelligent, gutaussehend, ist Opfer von massiven Panikattacken und Verlassenheitsängsten, deren Ursache zunächst im Dunkeln liegt. Auf der Suche nach seinem Vater, der plötzlich verschwand, als Johnny 5 Jahre war, stößt er auf die Geschichte seiner Entstehung: dass er ein „Designerbaby“ war, entstanden in einem Labor in Spanien, aus einer Eizellen- und einer Samenspende.

Johnny, der erfüllte Traum von einem „perfekten Kind“, nachdem Johnny’s Mutter zuvor ein Baby mit Down Syndrom erwartet hatte, das sie abtrieb.– Und Johnny hätte einen Zwillingsbruder gehabt, doch der wurde ebenfalls abgetrieben, denn Johnny’s Mutter wollte nur den einen perfekten Sohn …

Alles weithergeholt?! Nein, denn weder die Möglichkeit eines solchen Schicksals noch der Zusammenhang zwischen In-vitro-Fertilisation und Abtreibung sind unrealistisch …. Das heißt nicht, dass es in konkreten Biographien unbedingt diesen Zusammenhang geben muss; wenngleich sich z.B. durch die Präimplantationsdiagnostik, die „fehlerhafte“ Embryonen selektiert, der Konnex von „Leben herstellen“ und „Leben beenden“ verstärkt hat.

Evident ist jedenfalls, dass hinter beiden Phänomenen das Narrativ der unbedingten Autonomie des Menschen steckt. Dabei schwingt die Verabsolutierung des Lebens auf Erden mit, sowie ein reduziertes und hermetisches Bild von den Möglichkeiten des Glücks. - Dass es auch ein Glück im Verzicht, in einer unerfüllten Sehnsucht geben kann oder im völlig Unerwarteten, ja sogar im Unerwünschten, erschließt sich dem radikal begehrenden, setzenden und umsetzenden „homo faber“ nicht mehr.

Klar, wenn die medizinische Machbarkeit und vielleicht auch das Drängen der Umgebung einen als ständige Versuchung umschwirren, gehört schon viel Eigenstand, manchmal fast Heroismus dazu, nicht „alles zu probieren“. Dazu kommt der subtile Mechanismus des Systems: der medizinisch begleitete Weg von der ungeheuer leidvollen Erfahrung unerfüllten Kinderwunsches zur Option künstlicher Befruchtung ist erstaunlich kurz - dass es immer noch ein sehr niedriger Prozentsatz von IVF-Babies ist, der tatsächlich zur Welt kommt, ist eine andere Geschichte … Auf der einen Seite also immenser Leidensdruck durch Kinderlosigkeit, dem oft nur mehr diejenigen begegnen können, die den Einen zum Freund haben, der alles Leid mit uns tragen möchte, auf der anderen Seite jene metastasierende Dynamik, die auch diejenige eines florierendes Marktes ist: nach In-vitro-Fertilisation zwischen Ehepartnern kam die Fremdsamenspende, dann die Eizellenspende, dann beides, die Ausweitung all dessen auf gleichgeschlechtliche Paare, die Leihmutterschaft (die neue und politisch korrekte Ausbeutung sozial schwacher Frauen)… - immer im Bewusstsein, dass die diesbezügliche Rechtslage je nach Land sehr unterschiedlich ist. Wenn wir auf der juristischen Ebene bleiben: Leihmutterschaft ist in Österreich rechtlich nicht erlaubt, doch es gibt Nachbarländer, in denen eine „Tragemutter“ via Leihmutterschaftsagenturen gekauft werden kann ... Die von jeglicher Steuerung längst entkoppelte Lawine führt zu weiteren Mienenfeldern: Was geschieht mit den abertausenden tiefgefrorenen Embryonen?

Weiterverkauf und Austragung durch Leihmütter? Oder doch, wie seit kurzem propagiert, die Diamantenvariante? Die „nicht verwendeten“ Embryonen als Schmuckstück – ein wahrlich rat- und hilfloser Auswuchs des reinen Materialismus; der Mensch als physische und intellektuelle Materie, die ich herstellen, lagern, weiterverarbeiten und in endgültiger Abschaltung seiner Entwicklungspotenz als veredelte Materie „endlagern“ kann, z.B. als Diamant. Die Symbolik des Diamanten als wertvollster, edelster Stein soll retten, was nicht zu retten ist, denn dass hier nicht nur mit menschlicher Materie, sondern mit Geist und Seele verfahren und gehandelt wird, bleibt von allen Seiten ausgeblendet …
Vielleicht waren Denk- und Sprechverbote noch nie so virulent wie in unserer Zeit, Verdrängung noch nie eine so hochentwickelte, lebensnotwendige „Kulturtechnik“ … Nein, ich zeige nicht mit dem Finger auf diejenigen, die das sich ständig erweiternde Angebot auf dem „Lebensmarkt“ in Anspruch nehmen, sondern ich meine uns alle. Denn - um sich nun der anderen Problematik zuzuwenden - versetzt es uns Christen noch in eine Unruhe, die sich in Wort und Tat manifestiert, dass seit mehr als 40 Jahren bei uns in Österreich unzählige Kinder abgetrieben wurden? – „Nur sehr arme und sehr ungebildete Gesellschaften“ würden Abtreibung als Mittel der Geburtenkontrolle einsetzen, meinte Bruno Kreisky 1974. Natürlich, weltweit wird konsequent eine andere Botschaft signalisiert, längst hat sich das Blatt gewendet. Erinnern Sie sich an die Bilder nach den Pro-Abtreibungsabstimmungen in Irland und Argentinien: Frauen, die - so wurde zumindest vermittelt - vor Freude über den Ausgang des Votums weinten! Tränen über den Tod weinen wir alle, aber Freudentränen über die Möglichkeit, ungestraft sein ungeborenes Kind töten zu können, das ist erschütternd. Wie weit sind wir gekommen?

Und wie positionieren wir selbst uns gegenüber alldem? Gar nicht? Machen wir einfach mit beim Zudecken, Verschweigen? Sind wir indifferent, haben wir uns an den großflächigen „Schwangerschaftsabbruch“ gewöhnt oder sind wir kraftlos, weil unser Glaube es ist? Sind wir zu cool, zu glatt, zu angepasst geworden? Unsichtbar und wortlos - aus lauter Angst davor, aufzufallen, anzuecken, Klischees zu bestätigen? Unsere kleine Welt, unsere Beziehungen, unsere Kinder, unser Umfeld – reicht es, das zu bedienen und nach außen möglichst attraktiv und ja nicht auffallend zu wirken?

Und Augen fest zu, um das nicht sehen zu müssen, was uns so häufig umgibt: Abgrund, Kälte und Ruinen, tote Kinder, die nie geboren werden durften und verwundete Frauen, die nie darüber sprechen dürfen.

Es gibt viele Wege, sich für das Lebensrecht für alle einzusetzen, jeder Weg hat seine Berechtigung und jeder sollte auch den Weg finden, der ihm entspricht. Doch manchmal sollten einfach alle Wege zusammenkommen: Auf dem Weg der politischen Mitbestimmung haben wir keine andere Möglichkeit, als den Weg zum „Lebensrecht für alle“ in kleinen Schritten zu gehen. Und diese Schritte sollten wir tun, und zwar jetzt: Die parlamentarische Bürgerinitiative www.fairändern.at, möchte mit sechs konkreten Forderungen „mehr Fairness“ für schwangere Frauen, Familien und behinderte Kinder (http://www.kath.net/news/64128) erreichen. – Eine Unterschrift, wie von „Fairändern“ bis 24. November 2018 erbeten, ist kein großer Einsatz, doch bedeutet sie möglicherweise Rettung für viele Frauen und Kinder … Übrigens, Lebensrecht für alle zu fordern, bedeutet, sich auf die Seite der Überraschung und des Geheimnisses zu stellen, sich dem Plan zu öffnen, den ein Größerer mit uns hat …

kath.net-Buchtipp
Johnny Designed
Deutsche Version
von Veronika Grohsebner
Taschenbuch, 315 Seiten
2013 Grohsebner, Veronika
ISBN 978-3-200-03256-9
Preis 12.00 EUR

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