Komm da wieder raus... Komm und leb!

13. Juni 2018 in Jugend


Ist es nicht manchmal herrlich sich noch einmal genüsslich in seinem Grab aus Selbstmitleid zurückzulegen in der Hoffnung, dass noch jemand Mitleidsrosen hinterherwirft?" Die Jugendkolumne von kath.net - Diese Woche ein Beitrag von Lucia Kirchgasser


Salzburg (kath.net)
Letztens bin ich krank geworden und musste deshalb früher heimfahren. Ich habe mir gedacht: „Luci sei vernünftig, fahr früher, dann kannst du dich gleich ins Bett legen und bist morgen wieder fit.“ Ich setz mich also in den Zug und fahr den ersten Teil der Strecke. Ich fühl mich elend und würd gern schlafen, aber leider muss ich umsteigen. Schon nach wenigen Minuten am Bahnsteig kommt die Durchsage, dass mein Anschlusszug um 70 Minuten Verspätung hat.

Wow… Das mit dem früher heimkommen hat ja super geklappt. Meine erste Reaktion war natürlich Frust, weil ich nicht warten wollte. Ich dachte: „Reicht es nicht, dass ich schon wieder krank werde?! Kann ich nicht wenigstens in Ruhe heimfahren?“ So nach dem Motto „Bin ich denn nicht schon arm genug, Gott..“ Wie immer hab ich dann die Qual der Wahl: 70 Minuten über die Schwere meines Seins brüten oder einfach etwas anderes machen..

Die Situation ist mir eine wichtige Lektion gewesen. Viele Dinge weiß man ja eh schon ewig, aber ich für meinen Teil brauche diese kleinen Erfahrungen im Alltag, damit aus dem Wissen immer mehr Überzeugung und Glaubenskraft und letzten Endes eine dauerhafte Frucht in meinem Leben wird.

Ja, ich bin krank geworden und ja, es war ungemütlich, windig und ich hab mich weiterhin elend gefühlt, aber anstatt mich da auch noch gedanklich reinzusteigern, hab ich einfach meine Bibel und mein Tagebuch gezückt, sodass es mir jetzt im Nachhinein unmöglich ist, zu sagen, es wäre eine „verlorene“ Stunde gewesen. Nein. Ich habe gewonnen. Ein bisschen mehr Wahrheit in meinem Herzen und ein bisschen mehr Nähe zu Gott. Und als Sahnehäubchen noch ein nächster Schritt in Richtung „Langmut“, alias Geduld oder wie in meinem Fall die „hohe Kunst des Wartens“. Keine Ahnung, wann ich so „dumm“ war, um diese Gnade zu beten, aber Gott „schenkt“ mir gerade generell gerne ausgiebige Geduldsproben und Wartezeiten. Bei Bushaltestellen oder Warteschlangen bin ich ja noch sehr genügsam, aber wenn es um die wirklich großen Dinge im Leben geht, frustriert mich das Warten nicht nur, sondern ich bin manchmal echt wütend, „weil ich es eben einfach anders haben will“! Ganz tief drinnen vertraue ich Gott und bin mir sicher, dass alles gut so ist, aber was ich dann tatsächlich kommuniziere, drückt ganz und gar nicht mein Vertrauen aus, sondern ist einfach nur Murren.

Unerheblich, dass ich weiß, dass es nicht der Wahrheit entspricht. Ich bin Gott gegenüber dann regelrecht trotzig, wie ein kleines Kind. Als würde er da nicht ohnehin drüberstehen. Ich hab sogar den leisen Verdacht, er schmunzelt da oben, wenn ich hier unten schimpfe wie ein Rohrspatz. Er weiß ja schon, dass ich ihm nochmal dafür danken werde und dann wieder kleinlaut, aber glücklich angedackelt komm. Und dennoch..

Status quo ist nun mal, dass ich so alle paar Tage oder Wochen dann in ein Loch falle und es einfach nicht schaffe Ja zur Situation zu sagen, sondern mich sträube wie eine Katze vorm Baden..

Wie damals Lazarus im Grab ruft Jesus mir in solchen Momenten zu „Komm da wieder raus.. Komm und leb!“ (Joh 11,43) Aber ist es nicht manchmal herrlich sich noch einmal genüsslich in seinem Grab aus Selbstmitleid zurückzulegen in der Hoffnung, dass noch jemand Mitleidsrosen hinterherwirft? Gott sei Dank wird der sehr geduldige Jesus nicht müde zu sagen „Mädchen, steh auf! Du verschläfst dein Leben..“ (Mk 5,41). Ich entdecke immer mehr, das jeder Moment, sei er noch so schwer, das Potential hat, ein Geschenk zu sein, sofern ich mal „den Hintern zusammenkneife“ und mich gleich fürs Akzeptieren entscheide, weil ich ja eh nicht drum herum komm.

Ich neige dazu, immer in diesen „wenn erst einmal.. dann…“ Träumen zu leben. Aber das Traurige ist, dass ich dann die realen Momente verpasse. Momente, in denen Gott mich beschenkt. Momente, die dem Leben erst so richtig Sinn und Würze geben.

Wie wartet man also richtig? Vor allem, wie wartet man auf etwas, dass man schon kommen sieht, aber einfach noch nicht haben kann? Wie ist man geduldig?

Indem man im Jetzt bleibt? Indem man dankbar für den Augenblick ist?
Es ist fast wie bei einem Adventkalender.. Ich lerne gerade, nicht immer hinter das nächste Türchen schauen zu wollen, weil ich wissen will, was auf mich zukommt oder Gott genau vorzuschreiben, was hinter dem nächsten Türchen zu sein hat oder am liebsten das Türchen schon früher als vorgesehen aufzumachen, weil ich viel besser weiß, ob ich bereit dazu bin und wann der perfekte Moment dafür ist. Ich lerne, dankbar zu sein und mich einfach an der Hoffnung zu freuen, dass es ein nächstes Türchen gibt..


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