Die Päpste und die Hexen

5. November 2003 in Buchtipp


Mit Klischees über "die" hexenverfolgende katholische Kirche räumt der Historiker Rainer Decker auf. Er recherchierte im römischen "Inquisitionsarchiv".


Wien (www.kath.net) Man könne nicht "pauschal von 'der' hexenverfolgenden katholischen Kirche sprechen". Zu dieser Schlussfolgerung kommt der Paderborner Historiker Rainer Decker in seinem Buch "Die Päpste und die Hexen". Decker hatte als einer der ersten Wissenschafter Gelegenheit, das römische "Inquisitionsarchiv", das Archiv der heutigen Glaubenskongregation, einzusehen. Anhand vieler Fallbeispiele präsentiert er neue Erkenntnisse über ein dunkles Kapitel der europäischen Geschichte. Der deutsche Wissenschafter liefert eine Reihe von sauberen historischen Belegen, die zeigen, dass es "die" hexenverfolgende Kirche, die ein Schlachtfeld im Mittelalter und früher Neuzeit hinterlassen hat, nie gegeben hat.

Zum einen weist Decker auf die Tatsache hin, dass bei den Massenverfolgungen im westlichen Alpenraum seit 1430/40 die weltlichen Gerichtshöfe führend waren, auch was die Todesurteile angeht. Addiert man alle Einzelnachrichten von Hexenverfolgungen, so ergibt sich für die mittelalterliche päpstliche und päpstliche Inquisition eine Zahl von deutlich unter 1000 Menschen, die wegen Hexerei verbrannt wurden. Erheblich niedriger ist der Wert für die neuzeitliche, das heißt die 1542 gegründete römische Inquisition. Decker: "Massenverfolgungen hat sie ebensowenig durchgeführt wie ihre spanischen und portugiesischen Schwestern. Die Zahl der Hinrichtungen liegt bei unter 100."

Der Wissenschafter macht außerdem darauf aufmerksam, dass in Italien auffallend viele Männer unter den wegen Magie Angeklagten waren, in Friaul waren es rund 50 Prozent. "Die passt nicht zu der landläufigen Vorstellung von den frauenfeindlichen Klerikern", folgert Decker. "Es genügt eben nicht, den in der Tat frauenfeindlichen 'Hexenhammer' zu zitieren, sondern es wäre zu untersuchen, ob die Kirche, präziser gesagt: die Kirchen, seinen Empfehlungen folgten." Eine aktuelle Arbeit komme weiters zu dem Ergebnis, "dass in den evangelisch-lutherischen Territorien Deutschlands der Anteil der wegen Hexerei verfolgten Frauen größer war als in den katholischen. Die einfache Kausalkette Zölibat - sexuelle Verklemmtheit - Frauenfeindlichkeit - Hexenverfolgung ist mehr als fragwürdig."

Decker bringt auch Klarheit in die Begrifflichkeit: Er unterscheidet präzise die mittelalterliche von der neuzeitlichen Inquisition und die spanische und portugiesische von der römischen. Er analysiert außerdem, was an welchem Ort als Hexerei verstanden wurde, was als Ketzerei, als Magie oder als Häresie. Die 184-Seiten-Studie will begangene Irrtümer und Verfehlungen von Vertretern der römisch-katholischen Kirche keineswegs beschönigen. Der Historiker verschweigt nicht jene Fälle von Päpsten und Klerikern, die an die Existenz von Hexen und an deren Magie glaubten und meinten, entsprechend rigide gegen sie vorgehen zu müssen. Er räumt jedoch mit dem Pauschalurteil auf, es sei Anliegen der gesamten Kirche gewesen, Hexen zu verfolgen.

Rainer Decker, Die Päpste und die Hexen. Aus den geheimen Akten der Inquisition, Primus Verlag, 25,70 Euro.

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