Sensus fidei: das geistige Immunsystem des Gläubigen

9. April 2018 in Aktuelles


Ecclesia – quo vadis? Petrus – quo vadis? Die Kirche ist keine demokratisch verfasste Gesellschaft, sondern das Corpus mysticum des Auferstandenen und verherrlichten Christus. Von Walter Kardinal Brandmüller


Rom (kath.net/as) kath.net veröffentlicht den Vortrag, den Walter Kardinal Brandmüller beim Kongress „Katholische Kirche, wohin gehst du?“ (Rom, 7. April 2018) gehalten hat. Die Tagung wurde vom „Freundeskreis Carlo Caffarra“ ausgerichtet.

„Die Kirche ist keine demokratisch verfasste Gesellschaft, sondern das Corpus mysticum des Auferstandenen und verherrlichten Christus, mit dem und in dem die Gläubigen wie die Glieder eines Leibes verbunden sind – quasi zu einem übernatürlichen Organismus.“

Der sensus fidei ist keine demokratisch, demoskopisch zu ermittelnde Größe. Die Frage ist nur, worin sich Massenzeugnis von Massenabfall unterscheidet. So betonte schon der heilige Johannes Paul II. die Notwendigkeit, zwischen der „Öffentlichen Meinung“ und dem sensus fidei fidelium sorgfältig zu unterscheiden.

„Nun aber stellt sich die Frage, wie denn der authentische und darum theologisch relevante sensus fidelium zu ermitteln sei. Zu diesem Zweck wurden z. B. im Vorfeld von Versammlungen der Bischofssynode Fragebogen-Aktionen durchgeführt. Inwieweit diese Aktionen professionell, d. h. unter Berücksichtigung der von der modernen Demoskopie entwickelten Methoden durchgeführt wurden, vermag ich nicht zu beurteilen. Offenkundig ist aber, dass diese Fragebogen eher die Kader katholischer Organisationen erreichen als das gemeine Kirchenvolk. Es war also zu erwarten, dass die Ergebnisse der Umfrage mehr von den in den verschiedenen Verbänden etc. vertretenen Ideen beeinflusst waren, als dass sie die eigentliche öffentliche Meinung des Kirchenvolkes wiedergegeben hätten.“

„Ein anderes Problem stellt die Auswahl bzw. die Formulierung der Fragen dar, auf die geantwortet werden soll. Auf diese Weise konnten die Ergebnisse leicht manipuliert werden. Ob so der wirkliche sensus fidei fidelium erfahren werden kann, unterliegt einigem Zweifel.“

„Auf eine meines Erachtens viel authentischere Weise kommt der sensus fidei fidelium in spontanen Kundgebungen zum Ausdruck. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel bieten die Massendemonstrationen „Manif pour tous“ in Frankreich. Bemerkenswert auch die Teilnahme von Hunderttausenden von Gläubigen an den Märschen für das Leben.“

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„On Consulting“

Es ist der Titel einer berühmten Schrift des seligen John Henry Newman aus dem Jahre 1859, mit dem wir auch die folgenden Darlegungen überschreiben möchten. Wir fragen also, welcher Ort, welches Gewicht der Stimme der Gläubigen in Sachen der Glaubenslehre zukommt – und wir stellen die Frage angesichts einer die Kirche von heute zutiefst erschütternden Glaubenskrise.

Wenn hier von Laien die Rede ist, mag manch einer daran denken, dass es hier um das Gegenüber von Fachleuten und „Laien“ geht, welch letztere je weniger sie von Sachverstand „geplagt“ sind, desto leichter ihre Stimmen auch zu kompliziertesten Fragen erheben – denken wir nur an das Problem des Klimawandels. Doch eben darum geht es hier und heute nicht.

„Laie“ ist hier nicht ein Nicht-Fachmann in Sachen Theologie, sondern ein getaufter, gefirmter Christ, der aber nicht auch das Weihesakrament empfangen hat. Wir fragen also, welche Rolle den „Laien“ bei der Erklärung, Verkündigung, Formulierung der Glaubenslehre zukommt – nicht zuletzt stellen wir diese Frage vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Situation. Hierzu hat im Jahre 2014 auch die Internationale Theologenkommission unter dem Vorsitz von Kardinal Müller ein gewichtiges Dokument veröffentlicht, das hier Berücksichtigung finden soll.

I
Blicken wir aber zunächst zurück auf die Geschichte. Dabei finden wir in der Tat nicht wenige Zeugnisse für die gewichtige Rolle des Glaubenszeugnisses der Laien. Es ist wiederum Kardinal Newman, der unseren Blick auf die Arianismus-Krise des 4. Jahrhunderts lenkt. In dieser Situation, in der es um die wesensgleiche Gottheit Jesu mit dem Vater ging, in welcher tatsächlich Sein oder Nichtsein der Kirche auf dem Spiel stand, versagten die Bischöfe weithin. „Sie sprachen uneinheitlich, einer gegen den anderen; nach Nicaea gab es fast 60 Jahre kein festes, beständiges, konsequentes Zeugnis.“

Während nun der Episkopat verunsichert und gespalten war, „wurde die der unfehlbaren Kirche anvertraute göttliche Tradition weitaus mehr durch die Gläubigen als durch den Episkopat verkündet und aufrechterhalten.“ So Newman: „Aber ich behaupte, dass in dieser Zeit der ungeheuersten Verwirrung das erhabene Dogma von der Göttlichkeit unseres Heilandes weit mehr von der „Ecclesia docta“ als von der „Ecclesia docens“ verkündet … und bewahrt wurde; dass die Gesamtheit des Episkopats als Körperschaft ihrem Amt untreu war, während der Laienstand als Ganzes seiner Taufgnade treu blieb…“ (S. 271d.).

Überspringen wir nun analoge Zeugnisse aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit, die vorzugsweise vom Glaubenszeugnis der gesamten Kirche sprechen, ohne zwischen den Trägern des Lehramts und den Gläubigen zu unterscheiden. Man spricht da gern von der infallibilitas in credendo, der passiven Unfehlbarkeit der Kirche, die in ihrer Gesamtheit keinem Glaubensirrtum erliegen kann.

Nun aber wirkt der Sensus fidei der Gläubigen nicht nur dann, wenn es um die Abwehr des Irrtums geht, sondern auch beim Zeugnis für die Wahrheit.

Besonders eindrucksvolle Beispiele für jene Bedeutung, die von Päpsten diesem Glaubenszeugnis der Laien zugemessen wurde, finden wir in den letzten beiden Jahrhunderten, und zwar im Zusammenhang mit den Mariendogmen von 1854 und 1950.

Im Vorfeld der Definitionen wurden in beiden Fällen in der Tat alle Bischöfe aufgefordert zu ermitteln und zu berichten, wie sie selbst samt Klerus und Gläubigen zu dem Definitionsvorhaben stünden.

Auf diese Weise vergewisserten sich sowohl Pius IX. als Pius XII. der in der Kirche lebendigen Glaubensüberzeugung bezüglich der beiden marianischen Wahrheiten. Die Zustimmung zu beiden Dogmen war – von einzelnen Ausnahmen abgesehen –¬ allgemein. „Securus iudicat orbis terrarum“ – diese Überzeugung hatte schon Augustinus den Irrlehrern seiner Zeit entgegengehalten.
Offenbar waren sich sowohl Pius IX. als auch Pius XII. des Gewichtes bewusst, das auch gegenüber dem Obersten Lehrer des Glaubens das Zeugnis der Gläubigen besitzt, wie denn die Päpste in den jeweiligen Definitions-Bullen ausdrücklich darauf Bezug nehmen.

II
Es geht also um den sensus, consensus fidei, kraft dessen das Zeugnis der Gläubigen sein eigenes Gewicht bei der Wahrung, Vertiefung und Verkündigung der geoffenbarten Glaubenswahrheit besitzt.

Wenn Kardinal Newman davon spricht, es handle sich seitens des Lehramtes um ein Consulting der Gläubigen, könnte zunächst der Eindruck entstehen, er meine damit eine Art von Befragung, ein Plebiszit gar. Davon kann freilich keine Rede sein. Die Kirche ist keine demokratisch verfasste Gesellschaft, sondern das Corpus mysticum des Auferstandenen und verherrlichten Christus, mit dem und in dem die Gläubigen wie die Glieder eines Leibes verbunden sind – quasi zu einem übernatürlichen Organismus. Hierfür gelten freilich andere als soziologische, politische Gesetze, es ist die Realität der Gnade, die hier in den Blick kommt.

Wie der Glaube lehrt, wird dem Menschen durch das Taufsakrament die heiligmachende Gnade eingegossen, die eine übernatürliche ontologische Wirklichkeit ist, die also den Menschen heilig, gerecht und Gott wohlgefällig macht. Mit der heiligmachenden – man kann auch sagen Rechtfertigungsgnade – werden die drei göttlichen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe eingegossen. Glaube, Hoffnung und Liebe sind Habitus, Veranlagungen der Seele, die diese zu entsprechendem Handeln, Verhalten befähigen.

Die Art und Weise, in welcher die göttliche Tugend des Glaubens wirksam wird, ist – nebst anderem – der sensus fidei der Gläubigen. Diese Wirksamkeit kann positiv zu vertiefter Einsicht in die geoffenbarte Wahrheit, zu klarerer Erkenntnis und kraftvollerem Bekenntnis befähigen.

In negativer Hinsicht wirkt der sensus fidei hingegen wie eine Art geistigen Immunsystems, das den Gläubigen allen Irrtum instinktiv erkennen und abweisen lässt. Auf diesem sensus fidei ruht dann – von der göttlichen Verheißung abgesehen – auch die passive Unfehlbarkeit der Kirche, nämlich die Gewissheit, dass die Kirche als Ganzes nie einem Glaubensirrtum verfallen kann.

In der Tat lehrt das II. Vatikanische Konzil in no. 12 der Konstitution Lumen gentium: „Die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung von dem Heiligen (sc. Geist) haben, kann im Glauben nicht fehlgehen, und diese ihre besondere Eigenschaft macht sie mittels des übernatürlichen Glaubenssinnes des ganzen Volkes dann kund, wenn sie „von den Bischöfen bis zu den letzten Gläubigen“ ihre allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert. Durch jenen Glaubenssinn nämlich, der vom Geist der Wahrheit geweckt und erhalten wird… dringt (es) mit rechtem Urteil immer tiefer in ihn (sc. den Glauben) ein und wendet ihn im Leben voller an.“ Es kommt also dem Konsens der Gläubigen und dessen Bekundung eine nicht geringe Bedeutung zu.

III
Nun hat es in der Geschichte der Kirche solche Fälle durchaus gegeben. So, etwa, war es Bewegung der sogenannten Pataria im Norden Italiens, die in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts sich auf Seiten der römischen Reformbestrebung vehement gegen Laieninvestitur, Simonie und Priesterehe wandte. Dann waren es die Massen der Gläubigen, die im Jahre 1300 zu den Gräbern der Apostel aufbrachen, und so Papst Bonifaz VIII. veranlassten, durch die Bulle Antiquorum habet fida relatio die Institution der Heiligen Jahre zu schaffen und die Lehre vom Ablass darzulegen. Nicht zu vergessen ist auch die Bedeutung der ultramontanen Bewegung des 19. Jahrhunderts für die Dogmen des 1. Vatikanischen Konzils.

Nun aber lehrt die Erfahrung der Geschichte ebenso, dass die Wahrheit nicht notwendig bei der Mehrheit, bei der großen Zahl zu finden ist.

Was etwa war zu sagen, als der päpstliche Nuntius Hieronymus Aleander vom Wormser Reichstag des Jahres 1521 berichtete, neun Zehntel der Deutschen schrien „Luther“ und „Tod der Römischen Kurie“? Was ist zu sagen, wenn in unseren Tagen Pfarrgemeinden lautstark einem Priester applaudieren, der in der Predigt seine bevorstehende Hochzeit ankündigt? Was ereignete sich, als der Deutsche Katholikentag des Jahres 1968 mit Exzessen von Protest, ja Hass auf die Enzyklika Humanae vitae reagierte?

War – und ist – in solchen Fällen tatsächlich der aus der göttlichen Tugend des Glaubens genährte sensus fidei, der consensus fidelium, am Werk? In diesen und vielen ähnlichen Fällen wird deutlich, dass der consensus fidei, fidelium eben nicht mit der Volonté generale von Rousseau vergleichbar ist.
Wenn also Katholiken en masse etwa Wiederheirat nach Ehescheidung, wenn sie Empfängnisverhütung für erlaubt halten, oder mehr dergleichen, dann wäre dies kein Massenzeugnis für den Glauben, sondern Massenabfall vom Glauben. Der sensus fidei ist keine demokratisch, demoskopisch zu ermittelnde Größe. Die Frage ist nur, worin sich Massenzeugnis von Massenabfall unterscheidet. So betonte schon der heilige Johannes Paul II. die Notwendigkeit, zwischen der „Öffentlichen Meinung“ und dem sensus fidei fidelium sorgfältig zu unterscheiden.

Auch die Internationale Theologenkommission sagt hierzu in aller Deutlichkeit: „Es ist klar,dass es keine einfache Gleichstellung zwischen dem „sensus fidei“ und der öffentlichen oder mehrheitlichen Meinung geben kann. Sie sind in keiner Weise dasselbe“ (Nr. 118). Das gilt auch bezüglich der öffentlichen oder mehrheitlichen Meinung innerhalb der Kirche. „In der Geschichte des Volkes Gottes war es oft nicht die Mehrheit, sondern eher eine Minderheit, die den Glauben treu gelebt und bezeugt hat… Es ist daher besonders wichtig, die Stimmen der „Kleinen, die glauben“ (Mk 9,42) auszumachen und auf sie zu hören“ (Nr. 118).

Bemerkenswert ist, was folgt: „Die Erfahrung der Kirche zeigt, dass manchmal die Wahrheit des Glaubens nicht durch die Bemühungen der Theologen oder die Lehre der Mehrheit der Bischöfe bewahrt wurde, sondern in den Herzen der Gläubigen“ (Nr. 119).

Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür bieten die schon von Newman angeführten arianischen Wirren um das Konzil von Nicaea, in denen sogar bischöfliche Synoden entweder die Irrlehre vertraten, oder ihr Vorschub leisteten. Dasselbe könnte man feststellen, wenn man an die Meinungen denkt, dieheute von den in der Nachkonzilszeit eingerichteten Diözesan-, Pastoral- und anderen Räten vertreten werden, denkt. Es ist wohl etwas realitätsfremd, wenn das zitierte Dokument „sensus fidei“ diese allgemein als „institutionelle Instrumente“ bezeichnet, den sensus fidelium zu beurteilen (Nr. 125).

Diese können in der Tat – wie schon das zitierte Beispiel der nachnicaenischen Synoden zeigt – dem Irrtum erliegen. Umso notwendiger ist es hier zu unterscheiden.

Diese Notwendigkeit hebt das Dokument „sensus fidei im Leben der Kirche“ vom Jahre 2014 hervor: „… und es ist jetzt an der Zeit zu überlegen, wie echte Erscheinungsformen des sensus fidei erkannt und bestimmt werden können. Eine solche Unterscheidung ist besonders in einer gespannten Situation notwendig, wenn der echte sensus fidei vom einfachen Ausdruck weitverbreiteter Meinungen, besonderer Interessen oder des Zeitgeistes unterschieden werden muss.“

Wiederum ist hier auf J. H. Newman zu verweisen, der in seinem Essay on the Development of Christian Doctrine jenen Katalog von Kriterien bereitstellt, der es ermöglicht, eine organisch-legitime Entwicklung der Lehre vom Irrtum zu unterscheiden. Hier sei nur auf die notwendige Widerspruchslosigkeit im Verhältnis zur authentischen Überlieferung hingewiesen.

Und nun entfaltet dieses Dokument außerdem Kriterien, bzw. die „Notwendige(n) Dispositionen für authentische Teilhabe am sensus fidei.“ Das heißt, dass nicht ein jeder, der sich als Katholik bezeichnet, den Anspruch erheben kann, als Organ dieses Sensus fidei ernst genommen zu werden.
Kurz gesagt: „Authentische Teilhabe am sensus fidei erfordert Heiligkeit. Heilig zu sein, bedeutet im Wesentlichen, … getauft zu sein und den Glauben in der Kraft des Heiligen Geistes zu leben.“ Damit ist allerdings ein hoher Anspruch definiert.

Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, ist in der Tat sehr wohl zu beachten, was das II. Vatikanische Konzil in Lumen gentium 12 lehrt: „Darum müssen Katholiken sich völlig dessen bewusst sein, dass sie wirklich die Freiheit der Meinungsäußerung besitzen. Diese Freiheit gründet im Glaubenssinn und in der Liebe“ (Lumen gentium 12). Deshalb bestimmt auch der can. 212 §3: „Entsprechend ihrem Wissen, ihrer Zuständigkeit und ihrer hervorragenden Stellung haben sie das Recht und bisweilen sogar die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, den geistlichen Hirten mitzuteilen und sie unter Wahrung der Unversehrtheit des Glaubens und der Sitten … den übrigen Gläubigen kundzutun.“

Nun aber stellt sich die Frage, wie denn der authentische und darum theologisch relevante sensus fidelium zu ermitteln sei.

Zu diesem Zweck wurden z. B. im Vorfeld von Versammlungen der Bischofssynode Fragebogen-Aktionen durchgeführt. Inwieweit diese Aktionen professionell, d. h. unter Berücksichtigung der von der modernen Demoskopie entwickelten Methoden durchgeführt wurden, vermag ich nicht zu beurteilen. Offenkundig ist aber, dass diese Fragebogen eher die Kader katholischer Organisationen erreichen als das gemeine Kirchenvolk. Es war also zu erwarten, dass die Ergebnisse der Umfrage mehr von den in den verschiedenen Verbänden etc. vertretenen Ideen beeinflusst waren, als dass sie die eigentliche öffentliche Meinung des Kirchenvolkes wiedergegeben hätten.

Ein anderes Problem stellt die Auswahl bzw. die Formulierung der Fragen dar, auf die geantwortet werden soll. Auf diese Weise konnten die Ergebnisse leicht manipuliert werden. Ob so der wirkliche sensus fidei fidelium erfahren werden kann, unterliegt einigem Zweifel.

Auf eine meines Erachtens viel authentischere Weise kommt der sensus fidei fidelium in spontanen Kundgebungen zum Ausdruck. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel bieten die Massendemonstrationen „Manif pour tous“ in Frankreich. Bemerkenswert auch die Teilnahme von Hunderttausenden von Gläubigen an den Märschen für das Leben.

Schließlich haben nahezu eine Million Katholiken eine Petition an den Heiligen Vater bezüglich der durch Amoris laetitia entstandenen Fragen gerichtet – gefolgt von mehr als 200 angesehenen Gelehrten aus aller Welt. Dies sind die Formen, in denen sich heute der sensus fidei, der Glaubensinstinkt des gläubigen Volkes manifestiert. Es wäre an der Zeit, dass diesem Glaubenszeugnis seitens des Lehramtes die ihm gebührende Aufmerksamkeit geschenkt würde.

In seinem eingangs zitierten Werk On Consulting the Faithful in Matters of Doctrine hatte J. H. Newman geschrieben: “… so glaube ich keineswegs, dass solche Zeiten wie die der Arianer jemals wiederkommen werden…”.

Es ginge uns heute allen besser, wenn er Recht behalten hätte.

Walter Kardinal Brandmüller


Foto (c) Armin Schwibach/kath.net


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