„Der Einspruch der sieben Bischöfe ist ohne Einschränkung zu begrüßen“

9. April 2018 in Kommentar


„Dass die Zulassung zum Empfang der heiligen Kommunion in konfessionsverschiedenen Ehen für den evangelischen Ehepartner „im Einzelfall“ erlaubt werden soll, darf nicht schweigend hingenommen werden.“ Gastkommentar von Martin Hähnel


Eichstätt (kath.net) Dass die Zulassung zum Empfang der heiligen Kommunion in konfessionsverschiedenen Ehen für den evangelischen Ehepartner oder die evangelische Ehepartnerin „im Einzelfall“ erlaubt werden soll, darf nicht schweigend oder unwidersprochen hingenommen werden. Insofern ist der Einspruch der sieben Bischöfe ohne Einschränkung zu begrüßen. Überdies ist es ein Gebot der Vernunft einmal danach zu fragen, welche Gründe für diese Zulassung bzw. für den Wunsch, diese Zulassung zukünftig zu ermöglichen, sprechen könnten:

1. Zunächst spielen hier sicherlich persönliche Motive des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz eine Rolle: Einige werden sich vielleicht noch an die Causa Hasenhüttl erinnern. Damals suspendierte der heutige Münchner Kardinal Marx den Priester Hasenhüttl, weil er Nicht-Katholiken offensiv zum Empfang der Kommunion eingeladen hatte. Dafür erhielt Marx von hoher Stelle, unter anderem vom damaligen Bundespräsidenten und evangelischen Christen Johannes Rau, scharfe Kritik. Womöglich möchte der Kardinal in einer erneuten Auseinandersetzung um die Frage der Interkommunion nicht noch einmal ähnliche Kritik ernten.

Weiterhin scheint die „dynamische Freundschaft“ mit dem Ratsvorsitzenden der EKD Bedford-Strohm die Haltung des Kardinals zu beeinflussen. Diese Freundschaft trägt von Anfang an das Prägesiegel der Ökumene und steht damit im Zeichen einer Überwindung der Unterschiede, was allerdings bereits so weit gegangen ist, dass beide sich darin einig waren, ihr Kreuz, letztlich das schlechthinnige Symbol für die christliche Einheit, am Jerusalemer Tempelberg abzulegen.

Diese Einigkeit findet jetzt natürlich auch in der Haltung gegenüber der Frage zur Interkommunion ihren Ausdruck und es würde seitens der Evangelischen Kirche in Deutschland sicherlich als „Vertrauensbruch“ gewertet werden, wenn Marx sich plötzlich der Auffassung der sieben Bischöfe anschlösse. Denn wer – etwas ironisch formuliert – möchte schon die bisherigen Erfolge in der Ökumene, die im Reformationsjahr 2017 erzielt worden sind, durch so eine „Kleinigkeit“ wie der Interkommunionfrage gefährden?

Doch möchte ich fragen: Wie erfolgreich ist die Ökumene in Deutschland denn wirklich? Bedeutet Ökumene hier tatsächlich auch Freundschaft, d.h. jemanden um seiner selbst willen Gutes tun, oder möchte die Evangelische Kirche, welche den säkularen Mainstream (vermeintlich) hinter sich weiß, die Katholische Kirche in Deutschland vielleicht doch eher mit einem freundlichen Lächeln in die Knie zwingen?

2. Ein zweiter Punkt bezieht sich auf die derzeitige pastorale Praxis in vielen deutschen katholischen Pfarreien. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass in Gemeinden mit einer nennenswerten Zahl konfessionsverschiedener Ehepaare Interkommunion schon lange praktiziert wird und sich auch niemand daran stößt oder sich dafür zu entschuldigen braucht – von „geistiger Notlage“ der Ehepartner kann also nach meinem Dafürhalten nicht die Rede sein.

Außerdem gilt: Nur weil in der pastoralen Praxis bereits die Interkommunion vielerorts gespendet wird, können wir daraus noch lange nicht ableiten, dass diese Praxis generell gefordert sei. In der philosophischen Ethik sprechen wir in diesem Fall von einem „naturalistischen Fehlschluss“.

Die gegenwärtige pastorale Praxis, und das schließt auch das Problem von Einzelfallentscheidungen (wie in Amoris laetitia zu lesen ist) mit ein, vermag sicherlich Impulse für ein Umdenken zu geben, als Ursache oder Legitimationsgrund für folgenreiche Entscheidungen darf sie jedoch nicht genommen werden.

Zu einem Umdenken, wie ich es verstehe, würde es vielmehr gehören, dass man sich Gedanken darüber macht, warum die heilige Kommunion in den letzten Jahrzehnten einen solchen Bedeutungsverlust erlitten hat und wie man diesem Problem in Zukunft begegnen kann.

So könnte eine Aufwertung der Bedeutung der Eucharistie sogar einige Probleme von selbst lösen, ganz ohne den üblichen kirchenpolitischen Aufwand. So würden Protestanten und Katholiken der konfessionellen Differenz vielleicht wieder stärker gewahr werden. Man könnte sich als Katholik entscheiden, Protestant zu werden (was man als Katholische Kirche nicht hoffen will, aber auch nicht ausschließen kann), oder wäre als Protestant bereit, zur Katholischen Kirche zu konvertieren (was man als Katholische Kirche zwar hoffen kann, aber meist nicht erwartet).

Oder Katholiken würden wieder katholischer werden, weil sie die Eucharistie als Kern ihres Glaubens wiedererkennen. Protestanten könnten demgegenüber auch wieder protestantischer werden, indem sie das Wort Gottes deutlicher in das Zentrum ihres tradierten Bekenntnisses stellen.

3. Ein dritter Punkt betrifft die besondere historische Situation Deutschlands und seine Sonderrolle seit der Reformation. Man braucht heute nur durch die deutschen Lande zu streifen und wird sehen, dass ein konfessioneller Riss durch Deutschland geht, der sich nicht nur auf politischer bzw. kirchenpolitischer Ebene manifestiert, sondern auch und vor allem kulturell-ästhetisch zu spüren ist. Wer einmal vom katholischen Eichstätt (Oberbayern) ins evangelische Weißenburg (Mittelfranken) gefahren ist, wird sicherlich bemerkt haben, wie sich katholische Dörfer, wo die Häuser meist mit Blumen geschmückt sind und Marienfiguren und Kreuze am Wegesrand stehen, mit evangelischen, etwas karg und puritanisch wirkenden Ortschaften abwechseln. Hieran zeigt sich eindrücklich, dass sich die beiden Konfessionen theologisch vielleicht sogar näher sind als in kulturell-ästhetischer Hinsicht. Mir scheint jedoch auch, dass die Theologie in der derzeitigen Interkommunionfrage gar nicht das wichtigste Kriterium ist. Außerdem kann die lutherisch-evangelische Kirche in dieser Frage nicht beanspruchen, für die anderen protestantischen Teilkirchen und Freikirchen zu sprechen.

Es bedarf also eines gezielten Blickes oder Interesses, um in einer stark säkularisierten und pluralisierten Welt konfessionelle Unterschiede zu erkennen. Doch es gibt immer wieder Anhaltspunkte. So verläuft der konfessionelle Riss nicht selten auch entlang geographischer Grenzen. Es nimmt daher nicht wunder, dass die sieben protestierenden Bischöfe aus Bistümern stammen, in denen der Anteil evangelischer Christen an der Gesamtbevölkerung traditionell eher gering ist und eine Lösung des Problems der Interkommunion zwischen konfessionsverschiedenen Paaren nicht virulent erscheint. Allerdings sollte dies keinen Grund dafür darstellen, Katholiken in Bistümern, wo die Ökumene aus demographischen Gründen eine gewichtigere Rolle spielt als in Köln oder Bayern, im Stich zu lassen oder in Gewissensnöte zu bringen. Vielmehr sollte man – wie die sieben Bischöfe – vernünftige Gründe sprechen lassen und deren Schreiben an den Vatikan als eine Korrektur an dem Versuch verstehen, eine Abweichung von einer Position, die alle Katholiken (weil sie eben Katholiken sind und nicht Protestanten) teilen, abzuwenden.

4. Ein letzter Gesichtspunkt betrifft die Ökumene zwischen Protestanten und Katholiken im Allgemeinen: Aufgrund der historischen Situation (siehe 3.) ist Deutschland sprichwörtlich zur Ökumene verdammt. Aufgrund dieses geschichtlich gewachsenen Erbes liegt es freilich nahe, die konfessionellen Unterschiede immer weiter abzubauen und damit auch jenen als Belastung empfundenen Druck aus der Beziehung zu nehmen. Soweit so gut!

Welche Folgen hat es aber, so möchte ich abschließend fragen, wenn eine kirchenpolitisch forcierte Nivellierung von Unterschieden das eine oder andere Proprium des katholischen Glaubens betrifft? Oder anders gefragt: Lassen sich etwa Protestanten von Katholiken in ihre Arbeit reinreden, wenn es um die richtige Auslegung biblischer Aussagen geht? Es ist gewiss nachvollziehbar, dass Protestanten alles daran setzen, von der Katholischen Kirche als gleichberechtigter Partner anerkannt zu werden. Auf der politischen Ebene ist dies ja bereits gelungen, auf der pastoralen und dogmatischen Ebene ist eine solche Anerkennung der Gleichwertigkeit aufgrund der unterschiedlicher historischen Zeitläufte sowie zahlreicher theologischer, philosophischer und bioethischer Differenzen nicht zu erwarten.

Ich würde sogar meinen, dass eine Anerkennung der Gleichwertigkeit (dieser Akt der Anerkennung wäre dann wohl ein rein unilateraler, d.h. nur seitens der Katholischen Kirche zu vollziehender) für beide Konfessionen schädlich wäre – es wäre dies auch keine Ökumene der gegenseitigen Stärkung, sondern eine Ökumene der gegenseitigen Schwächung.

Der französische Philosoph und bekennende Protestant Paul Ricoeur hat einmal gesagt, dass die evangelische Kirche, um selbst stark zu sein, eine starke katholische Mutterkirche brauche. Diese Stärke geht dabei nicht aus einer Politik der einseitigen Zugeständnisse oder der Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenners hervor, sondern aus einem stabilen Verhältnis konkurrierender Freundschaft.

Zu einem solchen fruchtbaren Verhältnis konkurrierender Freundschaft gehört es meiner Ansicht nach auch, dass man um eine gemeinsame Lösung lange ringt und zunächst erst mal seine eigene Position (was für die Katholische Kirche durch das Lehramt bekanntlich einfacher ist – und hoffentlich in Zukunft auch so bleiben wird – als für die zersplitterten protestantischen Bekenntnisse) schärft und möglichst kohärent macht, bevor man sie in die Waagschale wirft.

Im Zuge dessen müssen auf beiden Seiten die Gründe für diese oder jene Option sorgfältig dargelegt und in aller Offenheit ausgetauscht werden. Dabei sollte der Blick stets auf die zukünftige Kircheneinheit gerichtet bleiben, die aber nicht künstlich konstruiert werden sollte, sondern die Frucht eines gemeinsamen Bemühens und Strebens nach der Vollendung in Gott darstellen müsse.

Fazit: Meinem Eindruck nach haftet dem Vorschlag der Deutschen Bischofskonferenz, die Interkommunion für konfessionsverschiedene Ehepaare im Einzelfall zu erlauben, leider noch zu stark der Charakter einer künstlichen Vorwegnahme dieser Kircheneinheit an. Trennungen, die unter Schmerzen stattgefunden haben, müssen auch unter Schmerzen überwunden werden.

Dr. Martin Hähnel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bioethik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

Symbolbild: Eucharistieempfang


Foto oben: Symbolbild


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