„Nicht anecken zu wollen ist der sichere Weg zur kraftlosen Botschaft“

5. April 2018 in Interview


Johannes Hartl/Gebetshaus Augsburg, im kath.net-Interview über die eigentliche Pointe der Kirche und die Möglichkeit zu einem kirchlichen Turn-around, über Mission Manifest und die bevorstehende SCHØN-Konferenz. Von Roland Noé


Augsburg (kath.net/rn) „Ein Ort, an dem sich alles ums Gebet dreht, erinnert daran, dass die ganze Pointe der Kirche eigentlich der ist, nicht für die Welt allein zu leben, sondern für Gott. ‚Theozentrik‘ bedeutet eben, dass Gott im Zentrum steht.“ Darauf macht Johannes Hartl, Gründer und Leiter des Gebetshauses Augsburg, im kath.net-Interview aufmerksam. Der Theologe und Familienvater wartet mit einigen provokanten Thesen auf.

kath.net: Sie haben im März bei einem Vortrag in Rom das Gebetshaus vorgestellt und einige provokante Thesen aufgestellt. Beim Thema "Theozentrik" haben Sie folgendes gesagt: "Alles dreht sich beim Gebetshaus um Gott, nicht um Menschen, wie kann man dies begreifen?“

Hartl: Also grundsätzlich dreht sich im Leben eines Christen alles um Gott. Wir sind erschaffen, ihn zu kennen und zu lieben. Wir leben jedoch in einer Welt der menschlichen Erwartungen und Ansprüche. Da ist es naheliegend, dass sich immer wieder die Meinungen der Anderen oder einfach die Macht der Gewohnheit in den Vordergrund drängen. Was der Nachbar denkt. Wie das jeder so macht. Was die Leute sagen werden. Allzu leicht richten auch wir Christen uns mehr danach aus als nach dem, was vor Gott Bestand hat, was in der Ewigkeit zählt.

Ein Ort, an dem sich alles ums Gebet dreht, erinnert daran, dass die ganze Pointe der Kirche eigentlich der ist, nicht für die Welt allein zu leben, sondern für Gott. „Theozentrik“ bedeutet eben, dass Gott im Zentrum steht.

kath.net: Sie haben auch darauf hingewiesen, dass die Anbetung Gottes zweckfrei sein muss. Ist nicht die katholische Kirche von A-Z schon verzweckt und wie kann man dies aufbrechen?

Hartl: Das beginnt im eigenen Leben. Das Sabbatgebot im Alten Testament erinnert den Menschen daran, dass er mehr ist als sein Arbeiten. Dass die Freude des Schöpfers am Dasein der Welt die Grundlage von allem ist. Gelingt es mir, einfach einmal nichts zu tun? Nehme ich mir Zeit, in Gottes Gegenwart einfach nur da zu sein? Oder ist auch das Gebet schon wieder religiöse Arbeit, ein Leisten, um dadurch etwas zu verdienen? Die Liturgie und jeder Akt der Anbetung ist immer in Gefahr, verzweckt zu werden. Doch dann geht auch immer etwas von der Schönheit verloren.

Dass die Liturgie ein heiliges Spiel ist, dass die Anbetung keinen weiteren „Zweck“ erfüllen muss als dass Gott sich an mir und ich mich an ihm erfreue: das sind Grundhaltungen, die immer neu gewählt werden wollen, doch es beginnt beim Einzelnen.

kath.net: Bei der These "Klarheit der Verkündigung" haben Sie erklärt, dass Nettigkeiten nicht anecken möchten und Liebe mehr ist als dass jemand nur zufrieden ist. Wie ist das gemeint? Und besteht unsere Kirche nicht vor allem aus vielen "netten Menschen“?

Hartl: Die Liebe Jesu ist radikal. Sie nimmt jeden Menschen genau so an, wie er ist. Doch sie legt eben auch den Finger in die Wunde. Bei Jesus gab es nie einen Widerspruch zwischen der radikalen Annahme und der Klarheit.

Christliche Liebe ist mehr als Nettigkeit nach dem Muster „ich hab dich so gern, dass ich dir die Wahrheit lieber nicht zumuten will“. Der Wunsch, nicht anecken zu wollen, ist der sichere Weg zu einer belanglosen, kraftlosen Botschaft.

kath.net: Sie haben auch gesagt, dass Sie viele Vorbehalte haben, was in der katholischen Kirche unter Armut läuft. Was meinen Sie hier konkret bzw. was kritisieren Sie hier?

Hartl: Mir fällt auf, mit welch niedriger Qualität wir zufrieden sind, wenn auf etwas „katholisch“ drauf steht. Wenn das Herz stimmt, dann ist die Optik nicht so wichtig, könnte man meinen.

Doch ist es wirklich in Ordnung, wenn wir Dinge schäbig und schlampig erledigen, uns keine Mühe machen und kein Geld investieren, nur weil es für Gott ist? Mir scheint das ein gefährlicher Trugschluss.

Es gibt den Ruf zur Armut im geweihten Leben. Doch das bedeutet nicht, dass es ein grundsätzliches Ziel sein kann, alles möglichst gratis und dafür mit möglichst geringer Qualität anzubieten.

Ich staune einfach darüber, dass man ungefragt 100€ ausgibt, um als Familie einen Tag im Erlebnisbad zu verbringen. Doch von religiösen Veranstaltungen erwartet man selbstverständlich, dass sie gratis sind, wundert sich dann aber auch nicht, wenn alles eher ohne Anspruch an Qualität durchgeführt wird. Mir scheint das nicht das zu sein, was Jesus meinte...

kath.net: "Wir in Europa sind die einzigen auf der ganzen Welt, die mit dem Übernatürlichlichen nicht rechnen" lautete eine weitere These im Zusammenhang mit Finanzen und Wunder. Warum ist das so? Wie kann man dies ändern?

Hartl: Es ist zunächst wirklich die Beobachtung, dass der Glaube an Gottes übernatürliches Eingreifen und Wunder in vielen Regionen der Erde viel normaler ist als bei uns. Hierzulande wird mir am häufigsten die Frage gestellt, wie das im Gebetshaus denn mit den Finanzen laufe. Wenn ich dann sage, dass wir von der Vorsehung leben, ernte ich überwiegend ungläubige Blicke.

Gerade im reichen Deutschland scheint uns der Glaube an einen Gott, für den Finanzen kein Problem sind, sehr schwer zu fallen. Doch meine These ist, dass Jesu Wort tatsächlich wahr ist: wo wir zuerst das Reich Gottes suchen, da wird uns das dazu gegeben, was dazu nötig ist (Mt 6,33).

kath.net: Bei Ihrer Schluss-These haben Sie darauf hingewiesen, dass sich die Kirchen endlich einmal ansehen müssten, was funktioniert und welche Modelle sich bewähren. Wenn die deutschen Bischöfe diese Frage stellen würden, wäre ein Turn-around möglich. Was meinen Sie hier konkret und warum passiert dies im deutschsprachigen Raum noch immer nicht?

Hartl: Zunächst haben wir im „Mission Manifest“ 10 Thesen aufgestellt, die zu einem Turn-around der Kirche führen könnten. Diese Thesen sind jedoch nicht aus dem Blauen heraus gesprochen, sondern nehmen Impulse von Gemeinschaften und Bewegungen auf, die tatsächlich Frucht bringen.

Man kann sich neidvoll darüber ärgern, dass so viele Freikirchen stark wachsen, oder man kann sich aufmachen und davon lernen. Weshalb der Turn-around noch nicht passiert?

Einerseits generiert jedes System über längere Zeit hinweg recht mächtige systemerhaltende Strukturen. Eine große, eingespielte Organisation zu neuem Handeln zu bringen, erfordert immer sehr viel Mut und Führungskompetenz. Dass beides einerseits Zeit braucht und andererseits auch nicht bei jedem Verantwortungsträger im gleichen Maße vorhanden ist, liegt in der Natur der Sache.

Und solange das Geld aus der Kirchensteuer munter weiter fließt, ist der Druck, etwas zu verändern, weniger intensiv von jenen spürbar, deren Löhne ja durch das bestehende System weiter bezahlt werden.

kath.net: Themenwechsel: Die nächste MEHR findet ja erst 2020 statt, jetzt veranstaltet Ihr im JUNI eine weitere Konferenz, die sich SCHØN nennt. Wer hatte diese Idee und um was geht es? Was werden die Highlights sein?

Hartl: Dass Gott schön ist, ja dass die Faszination der Schönheit des Glaubens die Mitte von allem ist, war ja schon immer die Botschaft des Gebetshauses, auch jeder MEHR Konferenz. Auf der SCHØN wollen wir all dem etwas sinnenfälligeren Ausdruck verleihen. Konkret wollen wir nicht nur über Schönheit reden, sondern mit Künstlern ganz verschiedener Disziplinen ins Gespräch darüber kommen, was Schönheit und Kreativität morgen heißen kann.

In der Welt gibt es so viel Hässliches. Und wenn man mache Beispiele der zeitgenössischen Kunst betrachtet, wird man den Verdacht nicht los, unsere Zeit wisse nicht mehr so recht, was eigentlich schön sei. Hier kommt uns Christen eine Aufgabe zu.

Wenn Gott die Quelle der Schönheit ist, dann sollte man das auch irgendwo sehen. Die Idee dazu kam mir spontan im Gebet und fand ihre Form im Austausch mit befreundeten Künstlern. Auf der SCHØN wird es Tanz, klassische Musik, Theater, Pop, Design und vieles mehr geben: und all das durchdrungen vom Geist Gottes.

kath.net: Wer wird hier das Zielpublikum sein und kann man sich noch anmelden?

Hartl: Ja, es gibt noch Tickets. Und seit wenigen Tagen sogar auch Tagestickets. Teilnehmen kann jeder. Wer das Gebetshaus liebt und die MEHR 2019 vermisst, findet auf der SCHØN mitreißenden Lobpreis, inspirierende Vorträge und Gottesdienste. Wer sich für Kunst und Kreativität interessiert oder einen der Weltklasse-Künstler einmal live erleben möchte, wird sich auf der SCHØN wohlfühlen, auch wenn er dem Glauben noch eher fern steht. Die SCHØN ist für jeden Menschen geeignet, der einen Sinn für das Schöne hat oder entwickeln möchte. Einzige Einschränkungen: die Konferenz wird nur auf Deutsch stattfinden und bietet leider keine Kinderbetreuung an.

Weitere Informationen zur SCHØN-Konferenz

Johannes Hartl/Gebetshaus Augsburg - Das entfesselte Evangelium - #MEHR 2018


ERF Medien Schweiz - Johannes Hartl/Gebetshaus Augsburg - Gebet – mehr als eine Selbstgespräch? – Fenster zum Sonntagstalk



© 2018 www.kath.net