Papst: Besser Ex-Priester als kranke Persönlichkeit werden

20. März 2018 in Weltkirche


Franziskus kam zu Treffen mit mehreren Hundert jungen Katholiken im Rahmen der Vorsynode in Rom - Menschen, die zu geistlichen Berufen ausgebildet werden, "nicht vor der Welt behüten"


Rom (kath.net/KAP) "Mir ist lieber, dass jemand seine Berufung wieder aufgibt, als dass er eine kranke Persönlichkeit wird": Das betonte Papst Franziskus bei einem Gespräch mit mehreren Hundert Jugendlichen und jungen Erwachsenen bei der Vorsynode am Montag im römischen "Pontificio Collegio Internazionale Maria Mater Ecclesiae". "Reden wir doch einmal Klartext: Wie viele kirchliche Missbrauchstäter enden so, weil man sie nicht affektiv hat reifen lassen?", so der Papst wörtlich in einem Talk, bei dem ihm Fragen gestellt wurden.

Der Papst betonte in einer Antwort auf die Frage nach einer gläubig-missionarischen Haltung und Leben im Ordensstand in einer materialistischen Umgebung, dass eine rein geistliche Ausbildung für Priester oder Ordensleute heute nicht hinreichend sei. Dazu müssten eine intellektuelle, eine gemeinschaftliche und eine missionarische Ausbildung treten. Man dürfe Menschen, die zu geistlichen Berufen ausgebildet werden, "nicht vor der Welt behüten", denn das bedeute nahezu, sie zu "kastrieren". Auch eine Mutter, die ihr Kind zu sehr behüte, nehme ihm etwas weg. "Sie lässt es nicht wachsen. Aber was ich hier von Priestern und Ordensleuten sage, gilt natürlich auch für die Laien. Nicht über-behüten", so Franziskus. Es sei wie mit Tomaten, die man im Gewächshaus vor der Kälte behüte: "Sie haben keinen Geschmack mehr".

Weitere Themen waren Zwangsprostitution, Missbrauch und Internet. Eine junge Frau aus Nigeria, die vor vier Jahren als Opfer von Menschenhandel nach Italien gekommen war, berichtete von einer "dramatischen Erfahrung" als Zwangsprostituierte, von einer "völlig vernichteten Würde". In einer Gemeinschaft von Schwestern habe sie eine Art "Auferstehung" erfahren. "Wie kann man jungen Menschen helfen, sich bewusst zu werden, dass Zwangsprostitution ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist?", fragte sie.

Viele der Kunden von Prostituierten seien Katholiken, so die Nigerianerin: "Ist die Kirche, die noch zu macho-orientiert ist, in der Lage, sich dieses Problems anzunehmen?" Franziskus berichtete, dass er letztes Jahr zu Besuch in einem Heim von Ex-Zwangsprostituierten gewesen sei: "Da hörte ich Berichte, die kaum zu fassen sind. Von Schlägen, von Folter, von Misshandlungen. Diese Frauen haben nur überlebt, weil sie ihr Herz verhärtet und die Dinge nicht völlig an sich herangelassen haben. Einigen gelang es zu fliehen, sie wurden aber von der Zuhältermafia teilweise wieder gefangen. Und wenn sie befreit werden, trauen sie sich nicht, in ihr Land zurückzukehren oder ihre Geschichte zu erzählen."

Frauen ausnutzen "kranke Mentalität"

Hier handle es sich um eine "Sklaverei unserer Zeit", so Franziskus. Und dabei gehe er davon aus, dass der überwältigende Teil der Freier, die in Italien zu Zwangsprostituierten gingen, getauft seien. Man könne sich kaum vorstellen, welche "ekelhaften Dinge" diese Männer von den Frauen verlangten. Immerhin gebe es viele kirchliche Initiativen, um Zwangsprostituierte aus ihrem Netz zu befreien und ihnen zu helfen, sich ein neues Leben aufzubauen. "Es ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und es kommt aus einer kranken Mentalität: Frauen ausnutzen. Bis heute ist es dem Feminismus nicht gelungen, das aus der kollektiven Vorstellungskraft zu verbannen: die Ausbeutung der Frauen. Eine Krankheit der Menschlichkeit." Den Zwangsprostituierten könnten jedenfalls am besten Frauen helfen, und Ordensfrauen gäben ein Beispiel.

Ein nicht getaufter französischer Student sage, er sehe eine Mauer, wenn er nach dem tiefen Sinn seines Lebens suche. Der Papst antworte, die Gefahr bestehe darin, diese Fragen gar nicht erst hochkommen zu lassen, "aber du hast schon richtig angefangen, weil du diese Fragen zulässt". Man könne sich auch betäuben, doch "man muss den Mut haben, die Wahrheit so brutal zu sagen, wie sie ist - und die Fragen auch". Die Synode solle dabei helfen, Wege zur inneren Unterscheidung zu finden und den Jugendlichen von heute anzubieten.

"Im Leben ist es immer wichtig, dass man den Mut hat, offen zu reden", betonte Franziskus, allerdings mit jemanden, "der weise ist und mit dem du reden kannst, der vor nichts erschrickt und zuzuhören weiß". Ein junger Mensch, der nicht zu wichtigen Entscheidungen über seinen Weg finde, trage mit der Zeit eine Art Tumor in sich, das gehe immer übel aus. Man müsse seine Fragen und Gefühle zulassen. Die "Unterscheidung", die eines der Themen der bevorstehenden Bischofssynode sei, "ist ein Weg, der das ganze Leben dauert".

Papst Franziskus Vorsynode mit Jugendlichen 20.3.2018 (ohne Übersetzung) - Teil II


Copyright 2018 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich
Alle Rechte vorbehalten


© 2018 www.kath.net