Sexuelle Bevormundung im „wissenschaftlichen“ Gewand

28. Februar 2018 in Kommentar


Angesichts eines immer stärkeren Trends zu emotionaler Bevormundung und „betreutem“ Denken muss mit aller Vehemenz die Freiheit verteidigt werden, Homosexualität kritisch bewerten zu dürfen. Gastbeitrag von Dominik Lusser, Stiftung Zukunft CH


Winterthur (kath.net/www.zukunft-ch.ch) Im Kanton Aargau sorgt derzeit eine Masterarbeit im Fach Soziale Arbeit zu „Einstellungen und Verhalten von heterosexuellen Jugendlichen gegenüber Schwulen“ für Aufsehen. Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) will die unter Aargauer Schülern angeblich weit verbreitete „Homophobie“ mit totalitären Massnahmen anpacken: Schüler sollen nicht nur im Verhalten, sondern auch im Denken und Fühlen bevormundet werden.

Die „Schweiz am Wochenende“ hat über die Befunde der quantitativen Forschungsarbeit berichtet, dabei aber die journalistische Chance verpasst, die von Autor Patrick Weber aus der Arbeit abgeleiteten praktischen Massnahmen kritisch zu beleuchten. Michael Kaufmann, Präsident der Aargauer jungen Christdemokraten, forderte seinerseits auf Twitter „definitiv“ mehr Aufklärungsarbeit an den Schulen. Denn lediglich 50,1 Prozent der Schüler fänden laut der Studie „schwul sein genauso in Ordnung“ wie Beziehungen oder Sex zwischen Mann und Frau. Damit sind wir beim Kern des Problems, an dem auch die hier diskutierte Masterarbeit leidet. In Kaufmanns Forderung nach mehr Aufklärung liegt ein totalitärer Unterton: Es wird nämlich den restlichen 49,9 Prozent de facto das Recht abgesprochen, „Schwulsein“ nicht vorbehaltlos toll zu finden, oder als negativ zu beurteilen. Dabei gibt es haufenweise Befunde aus der Forschung, welche die problematischen Seiten der Homosexualität aufzeigen.

Toleranz und Respekt vor Menschen, die sich als „schwul“ bezeichnen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Menschen wegen ihren Empfindungen persönlich zu beleidigen oder ungerecht zurückzusetzen – sie also zu diskriminieren – ist nicht in Ordnung. Schüler allerdings dahingehend umzuerziehen, ihre gefühlsmässigen oder bewusst-reflektierten Vorbehalte gegenüber der Homosexualität abzubauen, ist weder sachgemäss, noch mit einer freien pluralistischen Gesellschaft vereinbar.

„Homophobie“ überall

Die an der FHNW in Olten eingereichte Arbeit hat untersucht, „welche Einstellungen und welches Verhalten heterosexuelle Jugendliche des 8. und 9. Schuljahres aus dem Kanton Aargau gegenüber Schwulen zeigen und welche Faktoren die Einstellungen und das Verhalten beeinflussen.“ Autor Weber geht dabei sehr einseitig von einer durchwegs positiven Sichtweise der Homosexualität aus. Alle spezifischen Probleme, denen homosexuell empfindende Jugendliche in ihrer Entwicklung begegnen (z.B. erhöhte Suizidalität oder Depressionen) werden externalisiert und einem heteronormativen, in Webers Augen zumindest latent homophoben Umfeld zugeschrieben.

Die 897 befragten nicht-homosexuell empfindenden Jugendlichen aus 58 Schulklassen weisen Weber zufolge denn auch „sehr hohe negative affektive Einstellungen, hohe negative kognitive Einstellungen und ein hohes diskriminierendes Verhalten gegenüber Schwulen auf.“ Verantwortlich dafür „scheint“, wie Weber sich ausdrückt, vor allem das soziale Umfeld, also „Eltern und Freunde“, zu sein.

Dass sich Weber der „Schwulen“-Community zugehörig fühlt, mag den Kurzschluss erklären, mit der in der Masterarbeit unterschiedslos jede kritische Einstellung und Äusserung zur Homosexualität undifferenziert zum Problem, beziehungsweise zu einem Fall von Homophobie erklärt wird. Doch sachgerecht ist das nicht. Nicht alles, was ein homosexuell empfindender Mensch subjektiv als Verletzung empfinden mag, ist tatsächlich eine ungerechtfertigte Zurücksetzung. Wenn Menschen ihre oft schwankenden sexuellen Empfindungen zu einer Identitätsfrage machen und darum jede Infragestellung und negative Beurteilung dieser Affekte als Angriff auf ihre Person werten, leidet offenbar das Unterscheidungsvermögen, wo tatsächlich Diskriminierung und Hass am Werk sind. „Schwule“ können und dürfen von einer freien und aufgeklärten Gesellschaft nicht erwarten, dass jeder Mitbürger alles gut finden muss, worauf sie stehen und was sie tun.

Wer dies bestreitet, hat die Schwelle zum Meinungsterror im Namen subjektiver Gefühle bereits überschritten. Angesichts eines immer stärkeren Trends in Medien und Politik, den Standpunkt der Homo-Lobby überall durchzusetzen, muss mit aller Vehemenz die Freiheit verteidigt werden, Homosexualität negativ bewerten zu dürfen.

Eingeengter Forscherblick

Die ideologische Schlagseite in Webers Arbeit zeigt sich darin, dass er von der Verwendung von Schimpfwörtern wie „schwule Sau“ (die tatsächlich nicht angebracht sind), über unbehagliche Gefühle, welche die Homosexualität in sehr vielen jungen Menschen offenbar auslöst, bis hin zur Ablehnung des Adoptionsrechts durch gleichgeschlechtliche Paare (wofür es ja mehr als genug triftige Gründe gibt) jeden Vorbehalt gegenüber dem „Schwulsein“ als problematisch bewertet.

Laut dem Master-Absolventen stellt es nicht bloss ein Problem dar, wenn sich Schüler über eine „schwule“ Person lustig machen (was tatsächlich auch nicht in Ordnung ist). Es stört ihn auch, wenn sich 67,1 Prozent der befragten männlichen Jugendlichen in einer Gruppe „schwuler“ Jungen sehr oder eher unangenehm fühlt, oder wenn 81 Prozent der Jugendlichen beider Geschlechts zumindest mit gemischten Gefühlen reagiert, wenn sie erfahren, dass sich einer ihrer Freunde als „schwul“ bezeichnet. Weber hält solche Gefühlsregungen, die durchaus auch als authentischer Ausdruck der eigenen Identität als Mann oder Frau verstanden werden können, für ein gesellschaftliches Problem, das es zu bekämpfen (Weber wörtlich: „vermindern“) gilt. Zwar hält der Sozialarbeiter fest, dass negative Einstellungen gegenüber der Homosexualität nicht zwangsläufig zu diskriminierendem Verhalten führen müssen. Er erklärt jedoch beides gleichermassen zum Gegenstand von Präventions- und Interventionsstrategien. Soziale Arbeit wird dadurch zum „Social Engineering“, zur sozialen Manipulation.

Umerziehungsmassnahmen

Die Massnahmen für die Praxis, die der wissenschaftliche Mitarbeiter des FHNW-Instituts für „Integration und Partizipation“ aus seiner Arbeit schlussfolgert, lesen sich denn auch wie die Agenda einer totalitären Gruppierung:

Weber fordert unter anderem Begegnungen Jugendlicher mit „homosexuellen“ Menschen. Dadurch könnten „Vorurteile, Unsicherheiten und Ängste […] abgebaut [werden]“. Dies suggeriert, Vorbehalte gegenüber der Homosexualität wären allesamt Ausdruck irrationaler Ängste vor etwas, das man (noch nicht) kennen würde. Solche „Phobien“ sollen sich nach dieser Agenda im Kontakt mit homosexuell empfindenden Menschen als unbegründet auflösen.

Dabei ignoriert Weber vollständig, dass genau solche LGBT-Einsätze von vielen Kindern und Jugendlichen als unangenehm, bedrückend und manipulativ erlebt werden: Kürzlich erzählte mir eine Sekundarlehrerin aus dem Kanton Luzern über einen Schulbesuch durch eine LGBT-Schulbesuchsgruppe: Nach der Lektion, die ein Lehrerkollege organisiert hatte, sei eine 15-jährige Schülerin aus dieser Klasse – sichtlich „verwirrt und verstört“ – zu ihr gekommen und habe ihr gesagt: „Ich habe immer gemeint, dass es normal ist, wenn ich später einmal einen Mann kennenlerne und eine Familie gründe. Nun denke ich, dass ich mit dieser Ansicht nicht normal bin.“

Wenn man zur Kenntnis nimmt (http://www.kath.net/news/60063), wie „missionarisch“ es bei solchen Schulbesuchen oft zu und her geht, wird klar: Das Recht, „Nein“ zu sagen, sich einer äusserst unangenehmen Erfahrung zu entziehen, wird in genau diesem sensiblen Bereich völlig ausser Kraft gesetzt. Meinungsdiktat und Ächtung persönlicher Überzeugungen gehen zunehmend von genau den Leuten aus, die lauthals Freiheit und Toleranz einfordern. Schulbesuche von „Homosexuellen“, die für die Akzeptanz ihrer Lebensweise werben, müssten ohnehin zumindest durch den Besuch von Personen ergänzt werden, die einen dezidiert anderen Standpunkt vertreten. Nur dadurch würden Schüler überhaupt in die Lage versetzt, sich eine fundierte eigene Meinung bilden zu können. Dass hingegen das einseitige Verbreiten von Ideologien und strittiger Standpunkte gegen das schulische Indoktrinationsverbot verstösst, findet in Webers Masterthese leider keine Berücksichtigung.

Er fordert stattdessen, dass die Thematisierung von Homosexualität nicht von den Klassenlehrern, sondern von „neutralen Fachpersonen durchgeführt“ werden soll. Ob Weber bedacht hat, dass für solche Informationseinsätze alle in der Deutschschweiz bekannten schwul-lesbischen Aufklärungsprogramme (ABQ, GLL oder Comout), aber auch die allermeisten kantonalen Fachstellen für sexuelle Gesundheit prinzipiell nicht in Frage kommen, muss bezweifelt werden. Ebenso würde auch die LGBT-Beratungsplattform Du-bist-du.ch, für die Weber auch noch tätig ist, bei einem Neutralitätscheck ziemlich dürftig abschneiden.

Selektives Wissen

Auch der Fragebogen, den Weber den Schülern zu ihrem Wissen über Homosexualität vorgelegt hat, reflektiert nicht den aktuellen Forschungsstand, sondern die Weltanschauung der LGBT-Community, die verfügbares Wissen nur selektiv rezipiert und damit Sachverhalte verfälscht: „Etwas mehr als ein Drittel (38.2%) wusste, dass die Erziehung der Eltern die sexuelle Orientierung eines Kindes nicht beeinflusst“, schreibt Weber. Damit wird indirekt das wissenschaftlich nie belegte Angeborensein der Homosexualität zum Fakt erklärt. Durch zahlreiche Forschungen nahegelegte psycho-soziale Ursachen werden hingegen ausgeblendet. Ferner hätten es, wie Weber meint, 12,6 Prozent der Schüler fälschlicherweise bejaht, dass „Schwule“ z. B. durch eine Therapie dazu gebracht werden könnten, auf Frauen zu stehen. Noch weitere 59,4 Prozent hätten hier die „richtige“ Antwort nicht gewusst, d.h. mit einem „weiss nicht“ geantwortet. Dabei ist die hier zum Ausdruck gebrachte Unklarheit zumindest schon ein wichtiger Teil der Wahrheit. Die von der Homo-Lobby notorisch geleugnete Veränderbarkeit der homosexuellen Neigung ist nämlich, zumindest in manchen Fällen, durchaus realistisch und durch zahlreiche Beispiele belegt. Diese Möglichkeit findet ihren Niederschlag auch in der international anerkannten Diagnose der „ichdystonen Sexualorientierung“, die Weber bei der Frage, ob „Schwulsein“ eine Krankheit sei, jedoch kurzerhand verschweigt. Laut WHO ist der Wunsch nach Veränderung der eigenen sexuellen Orientierung ein existierendes Phänomen. Ebenso die Tatsache, dass manche betroffene Personen eine Behandlung in Anspruch nehmen, um diese Orientierung „zu ändern“. Wenn man zudem weiss, dass laut Befragungen homosexuell empfindender Männer in der Schweiz teilweise nur 30 Prozent ihre sexuelle Orientierung wirklich akzeptieren, während 20 Prozent sogar grosse Mühe mit ihrer Homo- oder Bisexualität bekunden, erahnt man etwas von der Tragweite der hier verschwiegenen Zusammenhänge.

Agenten der Gender-Revolution

Da Weber traditionelle Geschlechterrollen als einen Grund für die kritische Haltung gegenüber der Homosexualität ausmacht, fordert er ferner in totalitärem Ton: „Geschlechterrollen müssen im und ausserhalb des Unterrichts direkt und indirekt thematisiert werden.“ Befürwortungen von traditionellen Geschlechterrollen „dürften nicht toleriert“ und stattdessen sollten moderne gesellschaftliche Strukturen vermittelt werden. „Fachpersonen sind dafür verantwortlich, dass Ansichten von traditionellen Geschlechterrollen hinterfragt werden.“ Kritische Fragen zur Homosexualität sind hingegen unerwünscht.

Sollten solche Massnahmen – wie sie mancherorts bereits umgesetzt werden – flächendeckend Anwendung finden, wäre es um die Schule als Ort des weltanschaulichen Pluralismus und der gelebten Toleranz geschehen. Toleranz bedeutet, andere Meinungen und Ansichten auszuhalten, während Intoleranz immer auf Gleichschaltung zielt. Dass an einer Schweizer Fachhochschule Thesen mit solch eklatanten (wissenschaftlichen und demokratie-theoretischen) Defiziten akzeptiert werden, ist bedenklich. Gleichzeitig ist es keine neue Erkenntnis, dass sich ausgerechnet Hochschulen für Soziale Arbeit immer wieder als Agenten der sich laufend verschärfenden Gender-Kulturrevolution profilieren.

Der Autor leitet den Bereich Werte und Gesellschaft bei Zukunft CH, einer überkonfessionell christlichen Stiftung mit Sitz in Engelberg. Diese setzt sich ein für zukunftstragende Werte, insbesondere für die Menschenrechte (1948) sowie für Ehe und Familie: www.zukunft-ch.ch


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