Vollmacht – Gabe Gottes

9. Jänner 2018 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: das Doppelleben der Hirten – eine Wunde im Leib der Kirche. Nähe zu Gott, Nähe zu den Menschen. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten“. Rührung, Nähe und Kohärenz: das sind die Charakterzüge eines Hirten und seiner „Vollmacht“. In seiner Predigt bei der heiligen Messe in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ am Dienstag der ersten Woche im Jahreskreis ging Papst Franziskus vom Tagesevangelium aus (Mk 1,21-28).

Der Papst erklärte, dass es sich bei der Lehre Jesu um eine „neue Lehre“ handle. Die „Neuheit“ Christi bestehe gerade in der Gabe der Vollmacht, die er vom Vater erhalten habe. Gegenüber den Lehren der Schriftgelehrten und Gesetzeslehrer – auch wenn diese „die Wahrheit sagten“ – dächten die Leute etwas anderes, da das, was sie gesagt hätten, „nicht ins Herz vordrang“. Sie „lehrten vom Lehrstuhl aus und interessierten sich nicht für die Leute“. Die Lehre Jesu dagegen „ruft Staunen hervor, eine Bewegung des Herzens“, da das, was Vollmacht gebe, die Nähe sei, und Jesus „hatte Vollmacht, da er sich den Leuten näherte und ihre Probleme, Schmerzen und Sünden verstand“:

„Weil er nahe war, weil er verstand. Doch er nahm auf, er heilte und lehrte in dieser Nähe. Was einem Hirten Vollmacht gibt oder die Vollmacht erweckt, die vom Vater gegeben wurde, ist die Nähe: Nähe zu Gott im Gebet – ein Hirt, der nicht betet, ein Hirt, der nicht Gott sucht, hat etwas verloren – und die Nähe zu den Menschen. Der von den Menschen abgesonderte Hirt erreicht die Leute nicht mit der Botschaft. Nähe, diese zweifache Nähe. Das ist die Salbung des Hirten, der vor dem Geschenk Gottes im Gebet Rührung empfindet, und er kann Rührung angesichts der Sünden, der Probleme, der Krankheiten der Menschen empfinden: der Hirt lässt Rührung empfinden“.

Die Schriftgelehrten hätten diese Fähigkeit zur Rührung verloren, da „sie weder den Menschen noch Gott nahe waren“. Und wenn man diese Nähe verliere, ende der Hirt dabei, im Leben unkohärent zu sein:

„Jesus ist darin klar: ‚Tut, was sie sagen’ – sie sagen die Wahrheit – ‚aber nicht, was sie tun’. Das doppelte Leben. Es ist hässlich, Hirten mit einem doppelten Leben zu sehen: das ist eine Wunde in der Kirche. Die kranken Hirten, die die Vollmacht verloren haben und in diesem Doppelleben weitergehen. Es gibt viele Weisen, das doppelte Leben voranzubringen... Und Jesus ist sehr streng mit ihnen. Er sagt den Leuten nicht nur, auf sie zu hören, sondern nicht das zu tun, was sie tun. Doch zu ihnen, was sagt er zu ihnen? ‚Ihr seid weiß getünchte Gräber’: wunderbar in der Lehre, von außen. Aber im Innern Verwesung. Das ist das Ende des Hirten, der keine Nähe zu Gott im Gebet und zu den Menschen im Mitleid hat“.

Franziskus zitierte die erste Lesung aus dem ersten Buch Samuel (1,9-20), die erneut die Gestalt der Hanna in den Mittelpunkt stelle, wie sie zum Herrn bete, um einen Sohn zu haben, sowie die Gestalt des Priesters Eli, der „ein Schwacher war, der die Nähe verloren hatte, die Nähe zu Gott und den Menschen“. So habe er gemeint, Hanna sei betrunken, während sie dagegen in ihrem Herzen gebetet und dabei nur die Lippen bewegt habe. So sei sie es gewesen, die Eli eine Erklärung gebe: „Nein, Herr! Ich bin eine unglückliche Frau. Ich habe weder Wein getrunken noch Bier; ich habe nur dem Herrn mein Herz ausgeschüttet. Halte deine Magd nicht für eine nichtsnutzige Frau; denn nur aus großem Kummer und aus Traurigkeit habe ich so lange geredet“ (V. 15-16).

Und während sie gesprochen habe, „war Eli imstande, sich jenem Herzen zu nähern und ihr zu erwidern: ‚Geh hin in Frieden! Der Gott Israels wird dir die Bitte erfüllen, die du an ihn gerichtet hast’ (V. 17)“. Eli habe gemerkt, einen Fehler begangen zu haben, so dass er aus seinem Herzen „den Segen und die Prophezeiung“ kommen lassen habe, denn Hanna habe dann Samuel zur Welt gebracht:

„Ich werde den Hirten sagen, die das Leben getrennt von Gott und vom Volk, von den Leuten verbracht haben: ‚Verliert die Hoffnung nicht! Es ist da immer die Möglichkeit’. Diesem da genügte es, hinzuschauen, sich einer Frau zu nähern, ihr zuzuhören und so die Vollmacht neu zu erwecken, um zu segnen und zu prophezeien. Jene Prophezeiung wurde gemacht, und die Frau hat einen Sohn bekommen. Die Vollmacht: die Vollmacht, Gabe Gottes. Nur von ihm kommt sie. Vollmacht im Sprechen, die der Nähe zu Gott und den Menschen entspringt, immer beide zusammen. Vollmacht, die Kohärenz ist, kein doppeltes Leben. Sie ist wahre Vollmacht, und wenn sie ein Hirt verliert, dann soll er wie Eli wenigstens nicht die Hoffnung verlieren: es ist da immer die Zeit, sich zu nähern und die Vollmacht und die Prophezeiung zu erwecken“.

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