„Solche Hass-Tweets bekomme ich sonst nur von AfDlern“

4. Jänner 2018 in Deutschland


„Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt: Es waren „sozialreligiöse Schwärmer, die mich am liebsten mundtot gemacht hätten“ – Gegen eine „Protestantisierung“ Deutschlands fordert Poschardt: „Wir sollten mehr katholische Flüchtlinge aufnehmen“


Berlin (kath.net) „Zwei Dinge“ habe er nach seinem Tweet über grün angehauchte Weihnachtspredigten als „besonders bitter“ empfunden: „den Opportunismus einiger Scheinheiliger, die sich sonst nicht sonderlich interessieren für das Wohl und Wehe von Kirchen und Christen. Und dann die Maßlosigkeit der Kritik, gipfelnd in Jürgen Trittins Tweet, der aus mir einen Nazi, Antisemiten und Rassisten machen wollte. Er war damit nicht der Einzige, aber in jedem Fall der prominenteste Hater. Solche Hass-Tweets bekomme ich sonst nur von AfDlern.“ Das äußert der Chefredakteur der „Welt“/N24, Ulf Poschardt, in einem Interview in seiner Zeitung. Poschard hatte in der Nacht nach dem Besuch des evangelischen Gottesdienstes am Heiligabend auf Twitter geäußert: „Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmette gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den #Jusos bzw. der Grünen Jugend verbracht. Seine Bemerkung zog einen Shitstorm nach sich.

Poschardt erläuterte im Interview, dass sich Teile der Grünen „als zivilreligiöse Bewegung“ verstünden, „die ihren Wählern anbietet, mit einem Kreuz bei ihnen dem Paradies auf Erden einen Schritt näher zu kommen“. Dies sei zwar bei der SPD spürbar weniger ausgeprägt, doch seien es auch da die sozialreligiösen Schwärmer gewesen, „die mich am liebsten mundtot gemacht hätten“. Man sehe in ihm einen „Ketzer“, der „das zivilreligiöse Fundament unserer Gesellschaft infrage“ stelle. Damit habe man durchaus recht, räumte Poschardt ein, denn er stelle das tatsächlich in Frage. Er sei einerseits „Laizist aus Überzeugung“, doch vertrete er zugleich, „dass die Religion in der Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen darf.“

Insgesamt sei die Predigtkultur möglicherweise verkümmert, und evangelische Kirchentage seien oft nur schwer von grünen Parteitagen unterscheidbar. „Die Rolle des Pfarrhauses für die deutsche Politik ist von Gudrun Ensslin über Angela Merkel bis Katrin Göring-Eckart und Frauke Petry kaum zu unterschätzen“, erläuterte er wörtlich. Politik sei hierzulande „viel zu sehr säkularisierte Relgion“, das „Gift des säkularisierten Protestantismus“ wertete er dabei als „am schlimmsten“.

In den Kirchen müsse „das Theologische dominieren“, vertrat Poschardt weiter, „besonders an Weihnachten, weil dann undankbare U-Boot-Christen wie ich auftauchen, die sich nach Frieden und Ruhe sehnen und nach einer nachdenklichen Predigt, die den Glauben wieder in intellektuelle Schwingung bringt“. Er erhoffe sich, wenn er in die Kirche gehe, „eine existenziell erschütternde Begegnung mit dem Glauben“.

Deutschland sei nach der Wiedervereinigung „viel protestantischer und säkularer geworden“, dies wertete Poschardt als „eine ungute Mischung“. Er forderte abschließend: „Wir sollten mehr katholische Flüchtlinge aufnehmen.“

Link zum „Zeit“-Interview in voller Länge: Ulf Poschardt – Die Kirche ist kein Ort für Wahlkampfreden!

Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmette gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den #Jusos bzw. der Grünen Jugend verbracht?

— Ulf Poschardt (@ulfposh) 24. Dezember 2017

Foto Ulf Poschardt


Foto Ulf Poschardt © N24/Welt


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