Er ist gekommen, um uns zu retten.

24. Dezember 2017 in Österreich


Anscheinend findet Gott in den Herzen vieler Menschen einfach keinen Platz. - Die Predigt von Bischof Klaus Küng (St. Pölten) im Wortlaut


St. Pölten (kath.net)
Liebe Brüder und Schwestern!

Vor einigen Tagen hat mir jemand geschrieben: „Kann dieses stille Fest in unserer lauten, wirren Zeit überhaupt stattfinden?“ Und etwas ironisch fügt sie hinzu: „Fast ist es gut, dass Christus schon damals zur Welt gekommen ist, obwohl man ja schon damals versuchte, ihn wegzuerklären!“

Ich muss gestehen, dass mich diese Worte beschäftigt haben. Es ist ja eigenartig: Schon zwei Wochen vor dem Advent sind die Straßen mancher Städte mit Sternen und anderen weihnachtlichen Symbolen so üppig geschmückt, dass man versucht sein könnte zu sagen: Das muss ein gläubiges Volk sein, das es schon zwei Wochen vor dem Advent mit der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest anfängt. Aber wo bleibt die eigentliche weihnachtliche Botschaft? Wahr ist, dass es gar nicht so einfach ist, den inneren Weg zu finden zu einer wirklichen Weihnacht.

Das Weihnachtsevangelium selbst enthält den Hinweis, dass „in der Herberge kein Platz war“. Anscheinend findet Gott in den Herzen vieler Menschen einfach keinen Platz.

Vor einigen Monaten besuchte ich eine neurenovierte Schule, die hervorragend eingerichtet ist, mit allen technischen Finessen. Wir kamen ins Gespräch. Ich brachte meine Bewunderung zum Ausdruck, dass wir über so großartige Bildungseinrichtungen verfügen; fügte dann aber hinzu, dass ich bei den Schulbesuchen allerdings oft ernüchtert bin, wie wenig Kinder und Jugendliche wissen, insbesondere was Religion betrifft. Der Lehrer, der mich durch die Schule führte, gab mir zur Antwort: „Die Neuronen sind schon besetzt“. Auch in den anderen Fächern sei es ähnlich. Das ist sicher eines der Hauptprobleme unserer Zeit: Die Menschen werden vom Beruf, durch ständige Berieselung mit allem Möglichen und Unmöglichen, auch durch selbsterzeugte „Abwechslung“ gewissermaßen gefangengenommen, sodass für Gott kein Platz ist. Eine erste, unbedingt notwendige Voraussetzung, um Weihnachten irgendwie begreifen und feiern zu können, ist still werden und sich dem Geheimnis öffnen. Im Buch der Weisheit heißt es: „Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war, da stieg dein allmächtiges Wort, Herr, vom Himmel herab, vom königlichen Thron“ (Weih 18,14-15).

Weihnachten ist so etwas wie ein Anklopfen Gottes. Die Botschaft lautet: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt.“ Dazu gehört das prophetische Wort: „Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter; man nennt ihn wunderbaren Ratgeber, starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.“
Diese Botschaft hat etwas ganz Besonderes an sich: Sie verweist in die Vergangenheit – da geht es um ein reales Kind, um Maria und Josef –, sie betrifft aber genauso die Gegenwart. Die Kirche wird nicht müde, dies zu betonen. Im Eröffnungsvers der heutigen Messe heißt es: „Der Herr sprach zu mir: Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt“. Dieses Wort steht über aller Zeit. Ein anderer Eröffnungsvers lautet: „Freut euch im Herrn, heute ist uns der Heiland geboren. Heute ist der wahre Friede vom Himmel herabgestiegen.“
Der Glaube sagt uns: Seine Geburt damals war der Anfang und Ausgangspunkt für eine ganz besondere Art des Naheseins Gottes jetzt und bis ans Ende der Zeiten.

Wir glauben, dass dieses Kind auch jetzt zur Welt kommt: Auf den Altären, in den Herzen der Menschen, die an Jesus Christus glauben, die ihn aufnehmen im Wort und im Brot. Um das wahrzunehmen, da ist freilich Glaube nötig.

Weihnachten ist ein Geschenk, das von Gott kommt. Mir persönlich hat sehr die Erklärung geholfen, die der hl. Josefmaría Escrivá gerne benützt hat. Er sagte zu uns, die Krippe sei Gottes Lehrstuhl, Er, der unendlich große Gott wird ganz klein, ein Kind, das in allem der Hilfe bedarf. Auch wir müssen, um die Geheimnisse Gottes begreifen zu können, klein werden und in aller Einfachheit darum bitten, damit uns ein tiefer Glaube geschenkt wird und wir erfassen können, wer dieses Kind ist und was es für die ganze Welt bewirkt hat. Er legte uns nahe, uns die Worte des Evangeliums zu eigen zu machen: „Bittet und ihr werdet empfangen, klopfet an und es wird euch aufgetan.“ Und er gab uns den Rat, die Hirten zu begleiten und mit ihnen gemeinsam dieses Kind, das, in Windeln gewickelt, in der Krippe liegt, zu verehren.

Es kommt noch ein dritter Aspekt hinzu. In der 2. Lesung hörten wir aus dem Hebräerbrief: „Er hat sich für uns hingegeben, um uns von aller Schuld zu erlösen.“ Immer, wenn sich Weihnachten nähert, erinnere ich mich an einen Anruf, den ich einmal ganz kurz vor dem Fest empfing. Ich war bei den letzten Vorbereitungen und jemand, den ich nicht kannte, rief an und wollte dringend mit mir sprechen. Ich sagte ihm, das sei schwierig. Schließlich gab ich nach. Er kam dann tatsächlich und sagte mir: So kann ich unmöglich Weihnachten feiern. Es war zu einer schlimmen Auseinandersetzung mit seiner Gattin gekommen. In seinem Zorn hatte er das Haus verlassen und sie hatte ihm nachgerufen, er brauche nicht mehr zurückzukommen. Wir sprachen dann miteinander. Es war ein gutes Gespräch. Am Ende sagte ich zur ihm: Gott vergibt. Schauen wir, ob auch die Gattin vergibt. In seinem Namen rief ich dann die Gattin an und sprach zu ihr vom guten Willen ihres Mannes und sie gab grünes Licht. Er solle wiederkommen. Einige Tage nach Weihnachten traf ich dieses Ehepaar zufällig zusammen mit ihrem Kind und sie erzählten mir strahlend, dass es die schönsten Weihnachten gewesen seien, die sie je erlebt haben. Das ist ein weiterer wichtiger Aspekt einer wahren Weihnacht: Die Versöhnung mit Gott suchen und sich miteinander versöhnen.

In einer frühchristlichen Schrift heißt es: „Verjage die Traurigkeit aus deinem Herzen“. Allein schaffen wir das oft nicht. Dazu ist Jesus nötig. Er ist gekommen, um uns zu retten.

Wenden wir uns an Maria, bitten wir sie um ihre Fürsprache. Sie möge uns beistehen, damit wir die Türe des Herzens weit öffnen und Jesus bei uns und in unseren Familien, in unserem Land zur Welt kommt.


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