'Nicht einfach Menschen in ihren Fehlern bestätigen'

30. November 2017 in Familie


Charles Chaput, der Erzbischof von Philadelphia, hat in den USA einen weit beachteten Vortrag über ‚Amoris Laetitia‘ gehalten: Priester müssen die Wahrheit mit Liebe und Sanftheit den Menschen bringen.


Houston (kath.net/pkb) „Wir können nicht einfach Menschen in ihren Fehlern bestätigen.“ Das bemerkte Erzbischof Charles Chaput zum päpstlichen Schreiben „Amoris Laetitia“. Die Wahrheit müsse mit Liebe und großer Sanftheit den Menschen nahe gebracht werden, erklärte der Erzbischof von Philadelphia. „Wir sind sehr arme Jünger, wenn wir nicht den Mut haben, die Wahrheit auszusprechen, so wie die Kirche sie immer verstanden hat.“

Erzbischof Chaput sprach bei einer Versammlung philippinischer Priester in Houston im US-Bundesstaat Texas über „Amoris Laetitia“. Das Schreiben beinhalte „Abschnitte von großer Weisheit und Schönheit über Ehe und Familie“ ebenso wie kontroversielle Abschnitte. „Die Kontroverse hat vieles von dem verdunkelt, was gut an dem Dokument ist“, bedauerte Chaput in seinem bemerkenswerten Vortrag.

Er rief die Priester dazu auf, den Text „mit offenem Herzen und einer Disziplin des klaren Verstandes“ zu lesen. „Als Kirche müssen wir den Menschen dort begegnen, wo sie sind. Wir müssen auf ihre Leiden und Hoffnungen hören“, unterstrich der Erzbischof. „Das verlangt von uns Priestern einen Geist der Geduld und der Barmherzigkeit.“

Er bezog auch Stellung zu aktuellen Fragen. „Die Geschiedenen Wiederverheirateten sind nicht vom kirchlichen Leben ausgeschlossen“, stellte er klar. „Sie müssen eingeladen werden zurückzukehren. Das gilt auch für Personen, die sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlen. Jesus Christus ist für uns alle gestorben, und wir müssen uns so verhalten, dass wir seine Liebe verkörpern.“

Menschen zu begleiten bedeute, „dass wir sie in die richtige Richtung führen müssen – sanft aber auch wahrhaftig, indem wir die Wahrheit mit Liebe aussprechen. Es ist für niemanden gut, wenn wir jemanden über eine Klippe hinaus 'begleiten', oder noch schlimmer, hin zu einer fatalen Trennung von Gott. Wir können nicht einfach Menschen in ihren Fehlern bestätigen.“

Chaput hielt fest: „Die Heilige Schrift spricht sehr klar über richtige und falsche sexuelle Beziehungen und Verhaltensweisen. Wir sind sehr arme Jünger, wenn wir nicht den Mut haben, die Wahrheit auszusprechen, so wie die Kirche sie immer verstanden hat. Die Klarheit über die Wahrheit, sanft ummantelt von Geduld und Verständnis, ist ein unbezahlbarer Schatz.“

Die Prognosen für Ehe und Familie in den USA stünden schlecht, führte der Erzbischof von Philadelphia weiter aus. Die Zahl der Eheschließungen ginge laufend zurück; der christliche Glaube verliere stetig seinen Einfluss auf das Verhalten der Menschen. Genau auf diese Situation ziele „Amoris Laetitia“ ab, sagte Chaput. Deswegen sei eine der Hauptbotschaften des Schreibens, „dass Leben, Ehe, Kinder und Familie Freuden seien, die wertgeschätzt werden müssen – und nicht Probleme, die gelöst werden müssen“.

„Konflikte können zur Gewohnheit werden“, sagte er. „Jedes Thema kann zu einem Nagel werden, das einen Hammer braucht. Wir können es uns in unserem Ärger bequem machen. Und das ist gefährlich, vor allem innerhalb der Kirche, weil Frustration und Ärger sich immer mehr normal und dann sogar gut anfühlen. C. S. Lewis würde das Vergnügen, das wir an dem ungesunden Geschmack des Streitens finden, als ziemlich klares Zeichen für das Dämonische beschreiben. Es gibt keinen giftigeren Genuss als über einen Feind im Namen des Evangeliums der Liebe herzuziehen.“

Das „Herz“ von „Amoris Laetitia“ ist für Chaput Paragraph Nr. 28, wo Franziskus schreibt: „Am Horizont der Liebe, die in der christlichen Erfahrung der Ehe und der Familie im Mittelpunkt steht, zeichnet sich auch noch eine andere Tugend ab, die in diesen Zeiten hektischer und oberflächlicher Beziehungen etwas ausgeklammert wird: die Zärtlichkeit.“ Franziskus ermutige die Priester immer und immer wieder, liebevoll mit Menschen und ihren jeweiligen Lebenssituationen umzugehen.

Als „große Versuchung im kirchlichen Leben“ sei, „sich hinter Teams und Büros und Komitees und Programmen und Plänen zu verstecken“. Jesus sei vollkommen frei gegenüber diesen Dingen gewesen. Priester müssten zwar ihre Aufgaben erfüllen, gleichzeitig jedoch Wege finden, damit diese nicht ihren Dienst dominieren. „Wir können nicht Missionare der Barmherzigkeit sein, wenn es unser Hauptaugenmerk ist, die Maschinerie einer Institution aufrechtzuerhalten.“

Im Besonderen ging Chaput auf das Kapitel 8 von „Amoris Laetitia“ ein und die Debatte, die daraus resultierte. Wenn ein Text unklar sei, müsse er im Lichte des Lehramtes der früheren Päpste interpretiert werden, sagte Chaput. Und er fügte eine persönliche Beobachtung hinzu: „Ich bin seit 47 Jahren Priester und seit fast 30 Jahren Bischof. In all dieser Zeit habe ich sehr wenige Priester getroffen, die jemanden bestrafen oder aus ihrer Pfarre oder von den Sakramenten ausschließen wollten“, erzählte er.

„Aber ich habe hunderte von Priestern getroffen, die Sorge hatten, dass ihre Leute, obwohl sie Gott liebten, nicht wirklich Bescheid über den Glauben wussten, dass sie die Sakramente nicht verstanden, dass sie ihre Kinder nicht im Glauben unterweisen und nicht wissen, was ein richtig geformtes Gewissen ist.“ Letzteres bezeichnete der Erzbischof als eine der größten pastoralen Herausforderungen überhaupt. Das unreife, nicht geformte Gewissen vieler Katholiken sei ein Grund, weshalb es problematisch sei, Entscheidungen über die Gültigkeit einer Eheschließung an das „Forum Internum“ zu delegieren, wie es manche fordern.

Gott bitte uns nicht darum, „die Kirche zu retten oder die Welt in Ordnung zu bringen“, schloss Chaput seinen Vortrag. „Was er von uns will, ist viel einfacher und viel wichtiger. Er bittet jeden einzelnen von uns Priestern, treu zu sein und seine heilende Gegenwart zu seinem Volk zu bringen. Inmitten jeder Verwirrung bittet er uns, die Wahrheit zu sprechen und zu leben. Inmitten von Konflikten bittet er uns, Frieden zu stiften. Inmitten von Verzweiflung bittet er uns, Quellen der Hoffnung zu sein.“


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