„CDU braucht eine Kurskorrektur, auch in Asyl- und Migrationspolitik“

3. November 2017 in Interview


Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel: Das schlechte Wahlergebnis der CDU und der Zulauf zur AfD machen deutlich, dass der wertkonservative Flügel der CDU „sträflich vernachlässigt“ wurde. KATH.NET-Interview von Petra Lorleberg


Düsseldorf (kath.net/pl) Eine Kurskorrektur in der CDU-Politik fordert die CDU-Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel im KATH.NET-Interview. „Das Ergebnis der Bundestagswahl hat ganz deutlich gezeigt, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger von den großen Volksparteien und damit eben auch von der CDU/CSU nicht mehr vertreten fühlen. Die Düsseldorfer Unternehmerin, fünffache Mutter und Katholikin sagt, dass es „ein ‚Weiter so‘ nicht geben darf“, dies sei „doch ganz klar“, über das entsprechende Statement von Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sie sich „in der Tat erstaunt“.

kath.net: Frau Pantel, Sie waren bereits eine Legislaturperiode im Deutschen Bundestag. Trotzdem bekamen Sie von der CDU nur einen Listenplatz zugeteilt, den der Journalist Joachim Schäfer als „grottenschlecht“ bezeichnete, sowie einen ursprünglich schwierigen Wahlkreis in einer eigentlich eher roten Hochburg von Düsseldorf. Doch gerade hier wurden Sie überraschenderweise mit Ihren dezidiert konservativen Themen klar gewählt. Kann man als konservative CDU-lerin erfolgreich Politik machen?

Sylvia Pantel:
Ein Direktmandat zu erringen ist für jeden Politiker ein großer Vertrauensbeweis seitens der Wählerinnen und Wähler und ich bin außerordentlich froh und dankbar, meinen Wahlkreis Düsseldorf Süd nun weitere vier Jahre im Bundestag vertreten und meine politische Arbeit in Berlin fortsetzen zu können. Es stimmt, dass mein Wahlkreis lange Zeit von der SPD dominiert wurde, umso mehr freut es mich natürlich, nun erneut das Direktmandat errungen zu haben.

Selbstverständlich kann man auch als Konservativer in der CDU erfolgreich Politik machen. Meine Kollegen Jens Spahn, Carsten Linnemann oder über Jahre hinweg auch Wolfgang Bosbach haben beispielsweise in ihren Wahlkreisen stets sehr gute Ergebnisse erzielt und viel Unterstützung erfahren.

kath.net: Bundeskanzlerin Merkel hat nach den ernüchternden Wahlergebnissen der Bundestagswahl gesagt: „Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssen“. Würden Sie diesen Satz undifferenziert unterschreiben?

Pantel:
Ich war über diese Aussage der Bundeskanzlerin in der Tat erstaunt. Das Ergebnis der Bundestagswahl hat ganz deutlich gezeigt, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger von den großen Volksparteien und damit eben auch von der CDU/CSU nicht mehr vertreten fühlen. Die Stimmverluste, die wir hinnehmen mussten, waren erheblich. Viele Menschen in unserem Land sind enttäuscht und haben uns bei der Wahl ihr Vertrauen entzogen. Dass es ein „Weiter so“ nicht geben darf, ist doch ganz klar.

Wir müssen zeigen, dass wir den Weckruf der Wählerinnen und Wähler verstanden haben. Wir brauchen, insbesondere in der Asyl- und Migrationspolitik, eine Kurskorrektur.

kath.net: Hat die Union Diskussionsbedarf? In welchen Themenbereichen hoffen Sie auf klärende Richtungsdebatten in der CDU? Und: Sind parteiinterne Diskussionen – die ja eventuell auch sehr energisch geführt werden – eigentlich Störungen in der Harmonie oder normales politisches Geschäft?

Pantel:
Ich finde es richtig und wichtig, dass wir auch innerhalb der Partei diskutieren und Kontroversen aushalten. Nur so können doch Unterschiede und Alternativen herausgearbeitet werden. Es geht schließlich darum, die für unser Land besten politischen Lösungen zu finden. Wichtig ist nur, dass diese Diskussionen stets auf einer sachlichen und inhaltlichen Ebene stattfinden. Viel zu oft wird in der Öffentlichkeit jede kleine Auseinandersetzung zum Streit hochstilisiert. Das finde ich sehr schade.

kath.net: Vermuten Sie, dass der Rückgang an Wählerstimmen für die CDU auch mit ihrer Flüchtlingspolitik zu tun haben könnte?

Pantel:
Aus meiner Sicht ist das schlechte Wahlergebnis vor allem Ausdruck der Unzufriedenheit vieler Bürgerinnen und Bürger, die sich von den großen Parteien nicht mehr vertreten fühlen. Und ich bin davon überzeugt, dass die Flüchtlingspolitik und die daraus resultierenden Folgen dabei eine große Rolle gespielt haben. Ich habe gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen gerade auch im Berliner Kreis hier schon lange eine Kurskorrektur gefordert.

Wir brauchen einen sofortigen Stopp der illegalen Migration, eine weitere Aussetzung des Familiennachzugs und eine Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsländer – um nur einige Beispiele zu nennen.

kath.net: Frau Pantel, Sie sind Mitglied des Berliner Kreises, einer wertkonservativen Vereinigung in der Union. Warum arbeiten Sie dort mit und welche Ziele verfolgen Sie damit aktuell?

Pantel:
Der Berliner Kreis ist ein Zusammenschluss von konservativen Mandatsträgern in der Union, denen ihre Partei am Herzen liegt und die sich dafür einsetzen, dass neben der christlich-sozialen und der wirtschaftsliberalen auch die wertkonservative Politik wieder besser im Alltag der Menschen umgesetzt wird.

Die CDU versteht sich seit ihrer Gründung als Volkspartei in der Mitte der Gesellschaft. Wir haben stets von unserer breiten Aufstellung profitiert.

Dass der wertkonservative Flügel in letzter Zeit vernachlässigt wurde, machen auch das schlechte Wahlergebnis und der Zulauf, den die AfD zu verzeichnen hat, deutlich.

Wir Mitglieder des Berliner Kreises setzen uns für eine Kurskorrektur ein, um unsere einstigen konservativen Stammwähler wieder zurückzugewinnen.

kath.net: Sie sind im Bundesvorstand der Frauen Union. Die baden-württembergische Vorsitzende der Frauen Union, Inge Gräßle, hat nach einem Weckruf des baden-württembergischen CDU-Generalsekretärs Manuel Hagel nach Angaben des SWR vor einem Rechtsruck gewarnt und dafür heftige Kritik der Jungen Union dieses süddeutschen Bundeslandes erhalten. Der Platz der CDU sei, so hatte Gräßle vertreten, in der Mitte und nicht bei irgendwelchen Sektierern. Auch könne man konservativ mit frauenfeindlich gleichsetzen – weil es zum Beispiel bedeute, mehr Führungspositionen für Frauen in Frage zu stellen. Teilen Sie Frau Gräßles Einschätzungen?

Pantel: Wenn Frau Gräßle das tatsächlich so gesagt hat, dann kann ich das nicht nachvollziehen. Ich halte grundsätzlich nichts von Begriffen wie Rechts- oder Linksruck.

Manuel Hagel, der Generalsekretär der CDU Baden-Württemberg, hat angemahnt, die CDU müsse ihr konservatives Profil schärfen. Diese Einschätzung teile ich, wie viele meiner Kollegen übrigens auch.

Die CDU versteht sich als Volkspartei der Mitte mit einem christlich-sozialen, einem wirtschaftsliberalen und einem wertkonservativen Flügel. Letzterer wurde sträflich vernachlässigt, was die Ergebnisse der jüngsten Wahlen deutlich gemacht haben.

Konservativ bedeutet, alles Neue daraufhin zu prüfen, ob es nicht nur neu, sondern auch besser ist – denn nicht jede Veränderung ist gleichzeitig auch eine Verbesserung. Dies zu hinterfragen, halte ich für einen absolut legitimen und auch wünschenswerten Vorgang.

Konservativ hingegen mit frauenfeindlich gleichzusetzen, das ist absurd. Wir Konservativen sind selbstverständlich nicht gegen Frauen in Führungspositionen.

Die Frage ist doch aber, ob eine starre Quote der richtige Weg ist. Ich selbst bin fünffache Mutter und als Familienpolitikerin der Ansicht, dass wir Frauen durch kluge Familienpolitik die Entscheidung für Kinder erleichtern müssen. Ich setze mich schon lange für echte Wahlfreiheit in der Erziehung ein. Die erworbenen Kompetenzen bei der Familienarbeit sollten als zusätzliche Qualifikation beim Wiedereinstieg gewertet werden und karrierefördernd sein.

kath.net: Der Deutsche Bundestag hat seine Arbeit wieder aufgenommen. Was sind Ihre ersten Eindrücke? Und: Wie sehr stört die AfD das bisherige Gleichgewicht?

Pantel:
Dies wird sich vermutlich erst dann zeigen, wenn die inhaltliche Arbeit in den Ausschüssen wieder beginnt. Ich gehe davon aus, dass sich mit dem Einzug der AfD in den Bundestag auch die Debattenkultur im Parlament verändern wird. Ich hoffe sehr, dass die Diskussionen auf einer sachlichen und inhaltlichen Ebene stattfinden werden, das gilt für die AfD wie für alle anderen Parteien auch.

kath.net: Deutschland schaut gespannt auf die Koalitionsverhandlungen und hofft, dass es zu einer regierungsfähigen Jamaika-Koalition kommt. Wo sehen Sie Chancen, wo Schwierigkeiten?

Pantel:
Mein Wunschergebnis war eine schwarz-gelbe Koalition, denn mit der FDP sehe ich die meisten Schnittmengen. Es ist schade, dass es dafür nicht gereicht hat. Nun gilt es, die Ergebnisse der Gespräche mit der FDP und den Grünen abzuwarten. Einfach wird es mit Sicherheit nicht, einige Positionen der Grünen halte ich mit unseren für nur schwer vereinbar.

Die nächsten Jahre werden schwierig, deshalb ist es gut, dass sich alle bemühen aufeinander zuzugehen. Ob das Ergebnis reicht, werden die Parteitage der einzelnen Parteien zeigen.

CDU-Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel vor dem Deutschen Reichstag


Foto MdB Pantel (c) Sylvia Pantel


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