Irak: ‘Chefcity’ soll wieder Chefsache werden

28. Oktober 2017 in Chronik


Christlicher Rückkehrer träumt vom Neuanfang – die Angst bleibt - Von Tobias Lehner und Jaco Klamer.


München (kath.net/ KiN)
Majid Shaba schwitzt. Kein Wunder bei „herbstlichen“ Temperaturen über 30 Grad im Irak – und seinem enormen Arbeitstempo. Hingebungsvoll schrubbt der 45-Jährige den Boden seines Wohnhauses in Karakosch, gut eine halbe Autostunde von Mossul entfernt. Seit drei Tagen ist der Christ Majid wieder in seiner Geburtsstadt, um sein Wohnhaus wieder in Ordnung zu bringen. Und auch in seinem Fastfood-Imbiss „Chefcity“ in der Innenstadt möchte er nach dem Rechten sehen.

Die Besatzung durch die Truppen des „Islamischen Staates“ und monatelange Kämpfe haben, wie überall, ihre Spuren hinterlassen: Trümmer auf den Straßen, eingeschlagene Fenster, die Möbel weitgehend geplündert. Aber immerhin: Das Haus ist noch bewohnbar; tausende christliche Familien in der Ninive-Ebene haben dieses Glück nicht. Einer Erhebung des weltweiten päpstlichen Hilfswerks „Kirche in Not“ zufolge sind über 13 000 Gebäude in den christlichen Ortschaften der Ninive-Ebene beschädigt oder komplett zerstört.

Majids Haus und sein Lokal brauchen keinen kompletten Wiederaufbau, erstmal wird provisorisch geflickt, was zu flicken geht. Den Rest erledigen Schrubber und Kehrschaufel. Geht es nach Majid, wird „Chefcity“ bald wieder Chefsache sein: „Ich werde die Ehre meines Restaurants wiederherstellen. Bald wird es seine Türen wieder öffnen“, ist Majid überzeugt.

Sieht man ihn und seine Familie bei der Arbeit, kann man daran kaum zweifeln. Heute ist auch seine Frau Asmaa aus Erbil gekommen, um ihrem Mann zu helfen. Mitgebracht hat sie die beiden jüngsten Kinder: die zehnjährige Dima und den vierjährigen Shaban vier Jahre alt. Gemeinsam mit einem weiteren Sohn lebt die Familie in einem „Haus“, wie sie es nennen, wohl mehr einer Notbehausung mit Blechdach und immer wieder defekter Wasserversorgung. Etwa 90 000 christliche Flüchtlinge halten sich noch rund um Erbil im kurdischen Teil des Irak auf. Sie haben wie Asmaa nur einen Wunsch: „Ich sehne mich danach, wieder in Karakosch zu leben“, sagt sie lächelnd.

„Kirche in Not“ unterstützt die Christen der Ninive-Ebene bei der Rückkehr. Es hat zusammen mit katholischen und orthodoxen Kirchenvertretern ein Wiederaufbau-Komitee ins Leben gerufen, koordiniert die Bauarbeiten und überwacht die Fortschritte. Die Folgen sind in Karakosch, aber auch in den anderen Dörfern der Ninive-Ebene bereits sichtbar: Viele Wohnhäuser, Schulen, Kindergärten und Kirchen sind bereits renoviert oder im Bau. Über 22 000 Christen konnten bereits in ihre alte Heimat zurückkehren.

Auch Majid hofft darauf, so schnell wie möglich heimzukommen. Auch am Zufluchtsort Erbil habe er seine Familie mit einem Fastfood-Restaurant über Wasser gehalten; der Laden laufe ganz gut, aber: „Man kann das Leben in Erbil nicht mit dem Leben in Karakosch vergleichen. Ich wurde hier geboren, ich möchte hier sterben. Karakosch ist meine Stadt.“

Der Aufbruchsstimmung von Majid ist die eine Seite der Medaille. Wie sehr die Meinungen selbst innerhalb von Familien auseinandergehen, dafür ist Majids Bruder Samir ein Beispiel. Er hilft mit seiner Frau und den drei Kindern heute ebenfalls beim Putzen, erledigt kleinere Elektroarbeiten. Den Enthusiasmus seines Bruders teilt er jedoch nicht. Seit der Abstimmung über einen unabhängigen Kurdenstaat und den damit einhergehenden Konflikten sei die Lage für die Christen schlechter geworden. „Ich weiß nicht, ob wir wirklich in Sicherheit sind“, sagt er seufzend, „wir wissen nicht, wie sich der Konflikt entwickelt und wir leben mittendrin.“ Manchmal, gibt er zu, hätte er schon darüber nachgedacht, ob es nicht doch besser sei, ins Ausland zu gehen.

Majid widerspricht – bestimmt, aber nachdenklich: „Ich finde es traurig, wenn noch mehr Christen den Irak verlassen.“ Man könne doch seine Heimat nicht aufgeben. Auch das „größte Übel“, der IS, gehöre doch jetzt der Vergangenheit an. „Wir haben jetzt eigene Sicherheitskräfte, die uns beschützen und die Christen sind. Ich habe trotz allem ein gutes Gefühl für die Zukunft.“

Um den Wiederaufbau in der irakischen Ninive-Ebene und damit das Überleben des Christentums in einer seiner Ursprungsregionen zu unterstützen, bittet „Kirche in Not“ um Spenden – online unter www.spendenhut.de oder an:

Empfänger: KIRCHE IN NOT
LIGA Bank München
IBAN: DE63 7509 0300 0002 1520 02
BIC: GENODEF1M05
Verwendungszweck: Irak

Weitere Informationen und aktuelle Meldungen zum Wiederaufbauprogramm: kirche-in-not.de/ninive

Foto: Majid Shaba (links) reinigt mit seiner Familie das Wohnhaus in Karakosch. © Jaco Klamer/KIRCHE IN NOT


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