Weisheit und Mut zur Selbstanklage

28. September 2017 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: die Wunde der Gewissensbisse – Symptome des nahenden Heils. Die Versuchung, den Schmerz zu betäuben. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Die Wahrheit über unser Leben sagen, keine Angst davor haben und uns unserer Sünden bewusst werden, sie dem Herrn beichten, „denn er vergibt“: dies war die Mahnung von Papst Franziskus in seiner Predigt bei der heiligen Messe in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ am Donnerstag der 25. Woche im Jahreskreis.

Der Papst ging bei seiner Betrachtung vom Tagesevangelium aus (Lk 9, 7-9), das von der Reaktion des Königs Herodes auf die Verkündigung Christi handelt: „ In jener Zeit hörte der Tetrarch Herodes von allem, was durch Jesus geschah, und wusste nicht, was er davon halten sollte. Denn manche sagten: Johannes ist von den Toten auferstanden. Andere meinten: Elija ist wiedererschienen. Wieder andere: Einer der alten Propheten ist auferstanden. Herodes aber sagte: Johannes habe ich selbst enthaupten lassen. Wer ist dann dieser Mann, von dem man mir solche Dinge erzählt? Und er hatte den Wunsch, ihn einmal zu sehen“.

Herodes habe also nicht gewusst, was er denken solle, doch der habe in sich etwas verspürt, „was nicht nur eine Neugier war, sondern Gewissensbisse in der Seele, im Herzen“. Er habe versucht, Jesus zu sehen, „um sich zu beruhigen“. Er habe die von Christus vollbrachten Wunder sehen wollen. Doch Jesus „führte keine Zirkusspiele vor ihm auf“. So habe er ihn dem Pilatus übergeben: „Jesus zahlte, mit dem Tod“. Herodes also habe ein Verbrechen mit einem anderen gedeckt, „die Gewissensbisse mit einem anderen Verbrechen“, wie dies bei dem der Fall sei, der aus Furcht einen Mord begehe. Die Gewissensbisse also bestünden nicht in einer einfachen Erinnerung an etwas. Vielmehr seien sie „eine Wunde“:

„Eine Wunde, die, wenn wir im Leben etwas Schlechtes getan haben, weh tut. Doch das ist eine verborgene Wunde, die man nicht sieht. Ich selbst sehe sie nicht, da ich mich daran gewöhne, sie zu haben, und dann wird sie betäubt. Sie ist da, einige berühren sie, doch die Wunde ist im Inneren. Und wenn diese Wunde weh tut, spüren wir die Gewissensbisse. Ich bin mir nicht nur bewusst, etwas Schlechtes getan zu haben, sondern ich spüre es: ich spüre es im Herzen, ich spüre es im Leib, in der Seele, ich spüre es im Leben. Und von dort her kommt die Versuchung, das einfach zuzudecken, um es nicht mehr zur spüren“.

Es „ist also eine Gnade zu spüren, dass das Gewissen uns anklagt, dass es uns etwas sagt“. Andererseits „ist keiner von uns ein Heiliger“, und wir alle neigten dazu, auf die Sünden „der anderen“ zu blicken und nicht auf die unsrigen, wobei wir dann vielleicht diejenigen bemitleideten, die im Krieg oder durch Diktatoren litten, die die Leute töteten:

„Wir müssen – gestattet mir das Wort – die Wunde ‚taufen’, das heißt ihr einen Namen geben. Wo hast du die Wunde? ‚Wie, Pater, soll ich das schaffen, alles herauszuziehen?’ – ‚Vor allem anderen bete: Herr, erbarme dich meiner, denn ich bin ein Sünder’. Der Herr hört dein Gebet. Dann prüfe dein Leben. ‚Wenn ich nicht sehe, wie und wo da jener Schmerz ist, woher er kommt, was ein Symptom ist – wie soll ich das anstellen?’ – ‚Bitte jemanden, dir zu helfen, dass es herauskommt. Dass die Wunde herauskommt, und dann gib ihr einen Namen’. Ich habe diese Gewissenbisse, weil ich das da getan habe, im Konkreten. Die Konkretheit. Und das ist die wahre Demut vor Gott, und Gott wird von der Konkretheit gerührt“.

Jene Konkretheit, so Franziskus, die Kinder in der Beichte zum Ausdruck brächten. Eine Konkretheit zu sagen, was man getan hat, um die Wahrheit „hervorkommen zu lassen“. So genese man:

„Die Weisheit der Selbstanlage lernen. Ich klage mich selbst an, ich spüre den Schmerz der Wunde, ich tue alles, um zu wissen, woher dieses Symptom kommt, und dann klage ich mich selbst an. Keine Angst vor den Gewissensbissen haben: sie sind ein Symptom des Heils. Vielmehr: Angst davor haben, sie zu bedecken, zu schminken, zu verhehlen, zu verbergen... Das ja, doch klar sein. Und so heilt uns der Herr“.

Abschließend betete der Papst, dass „der Herr uns die Gnade schenke, jenen Mut zur Selbstanklage aufzubringen“, um den Weg der Vergebung zu beschreiten.

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