Kritik am Führungsstil von Papst Franziskus in der New York Times

23. September 2017 in Weltkirche


Gewiss ist in der Kirche nur die Ungewissheit. Die Auseinandersetzungen zwischen ‚Konservativen’ und ‚Liberalen’ in der Kirche werden häufig nicht über Sachargumente geführt, sondern mit gegenseitiger Zensur, schreibt Ross Douthat.


New York City (kath.net/jg)
Die Konflikte zwischen „Liberalen“ und „Konservativen“ in der Kirche sind das unausweichliche Resultat der Entscheidung von Papst Franziskus, die Spannungen in der Kirche ausbrechen zu lassen und sich dann mit zweideutigen Aussagen und inoffiziellen Interventionen für die liberale Seite stark zu machen, anstatt mit der Autorität seines Amtes zu entscheiden. Das Ergebnis: Gewiss ist in der katholischen Kirche derzeit nur die Ungewissheit. Das schreibt der Kolumnist Ross Douthat in einem Kommentar für die New York Times (siehe Link am Ende des Artikels).

Unter Papst Franziskus sei es möglich, dass wiederverheiratete Geschiedene in einigen Ländern die Kommunion empfangen dürfen, in anderen nicht und selbst Verehrer des Papstes sich nicht einig seien, wie die offizielle Position des Vatikan in dieser Frage lautet. In Kanada gebe es zwei verschiedene kirchliche Lehren zum Sakramentenempfang für Personen, die einen assistierten Suizid planen. Mit diesen Beispielen aus der jüngsten Vergangenheit belegt Douthat seine Kritik.

Die Fälle Josef Seifert und P. James Martin SJ würden ähnliche Muster zeigen. Die (konservativen) Verteidiger des österreichischen Philosophen würden anführen, dieser habe nur die offizielle Lehre der Kirche verteidigt. Seine (liberalen) Gegner würden einwenden, dass der Papst das letzte Wort in Lehrfragen habe und direkte Kritik am regierenden Pontifex jederzeit Konsequenzen für Personen in hohen Positionen Konsequenzen haben könne.

P. James Martin habe mit seinen Ansichten zur Homosexualität, aber auch zur Eucharistie, zum Verhältnis der göttlichen und menschlichen Natur Jesu und zur Frage, ob Gott wollen kann, dass jemand eine schwere Sünde begeht, um Leiden zu vermindern, Thesen vertreten, die mit der katholischen Lehre nicht vereinbar seien. Er ist deshalb wiederholt öffentlich kritisiert worden und wurde nach einer Online-Kampagne konservativer Katholiken von der Catholic University of America, an der er einen Vortrag halten sollte, wieder ausgeladen.

P. Martin habe sich mit dem nicht unberechtigten Argument verteidigt, dass in einer hierarchisch verfassten Kirche seine Oberen und nicht Online-Kritiker darüber entscheiden sollten, ob er katholische Positionen vertrete oder nicht. Weiters sei sein oberster Vorgesetzter, der Papst, offenbar durchaus bereit sei, Grenzen auszuloten.

Der Regierungsstil von Franziskus sei für diese Situation wesentlich verantwortlich. Er ermutige offenbar theologische Vorstöße ohne die Grenzen der katholischen Lehre offiziell zu verändern. Es gebe daher zwei verschiedene Versionen der kirchlichen Lehre: die offizielle und diejenige, die der Papst in Hinweisen und Andeutungen vertrete. Letztere sei nicht eindeutig zu bestimmen. Jedenfalls sei es besser, offizielle vatikanische Verlautbarungen zu ignorieren und stattdessen auf die päpstlichen Berater zu achten, die oft über Twitter Gegner von Franziskus angreifen, schlägt Douthat vor.

In dieser Situation mangelnder Klarheit fühle sich jede Seite im Recht. Es bestehe die Gefahr, Konflikten auszuweichen und sich nur mehr mit der eigenen Position zu beschäftigen, sei sie jetzt liberal oder konservativ.

Douthat hält es für sinnvoller, die Debatte offen und sachlich zu führen ohne die jeweils andere Seite von vorne herein zu zensurieren oder zu verketzern. Eine katholische Universität könnte P. Martin einladen und ihn zu kontroversern Themen sprechen lassen. Dann könnte sie seine Kritiker einladen, um dazu Stellung zu nehmen. Jede Form der Selbstzensur mache den Konflikt nicht weniger schmerzhaft. Es sei besser, den Gegensätze auszutragen und die Argumente sprechen zu lassen, schreibt er abschließend.


Link zum Artikel von Ross Douthat (englisch):

nytimes.com


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